Container, Türen
Unternehmen lassen weltweit produzieren, mit unterschiedlichen Standards in der Wertschöpfungskette.
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Bereits im Jahr 1970 zog der neoliberale Vorkämpfer Milton Friedman gegen die Forderung zu Felde, von Unternehmen soziale Verantwortung einzufordern. Letztere bestehe einzig darin, Gewinne zu steigern, solange dies nicht gegen die Gesetze verstoße. Unternehmerisches Engagement für soziale Zwecke oder den Umweltschutz lehnte er als sozialistisch ab. Unternehmern, die für soziale Verantwortung eintraten, warf er kurzerhand Schizophrenie vor.

Die Friedman-Doktrin hat eine wachsende Zahl an Unternehmen nicht davon abgehalten, an ihrer sozialen Verantwortung zu arbeiten. Vor dem Hintergrund zunehmend transnationaler Wirtschaftsbeziehungen und problematischer Produktionsbedingungen im Globalen Süden wuchs die Nachfrage nach Produkten, die fair produziert werden. Unternehmen reagierten darauf mit einer Vielzahl an Initiativen, Zertifizierungen und Gütesiegeln. Schwere Unglücksfälle in Bekleidungsfabriken (Rana Plaza 2013), im Bergbau (Brumadinho-Staudamm 2019) und Berichte über Kinderarbeit, etwa im Kakaoanbau, zeigten aber deutlich, dass Freiwilligkeit allein nicht zu dauerhaften Verbesserungen führt.

Strengeres Gesetz

Die im Dezember in Brüssel erzielte politische Einigung auf ein EU-Lieferkettengesetz ist daher zu begrüßen. In Zukunft müssen Unternehmen über einer Mindestgröße (150 Millionen Euro Umsatz, 500 Beschäftigte) Sorgfaltspflichten erfüllen, die Risiken für Menschen und Umwelt in ihren Lieferketten identifizieren, bewerten, bei Problemen angemessene Gegenmaßnahmen ergreifen und regelmäßig berichten. Andernfalls drohen Verwaltungsstrafen und zivilrechtliche Klagen.

Trotz mancher Lücken ist das Gesetz ein wichtiger Schritt zur Stärkung von Menschenrechtsstandards in der globalen Wirtschaft. Es trägt auch zur Vereinheitlichung des bestehenden regulatorischen Wildwuchses bei. Das ist auch für die Unternehmen wichtig.

Guter Kompromiss

Berechtigte Einwände, etwa hinsichtlich des für kleinere und mittlere Unternehmen unzumutbaren Verwaltungsaufwands, wurden durch die Vorgaben zur Mindestgröße berücksichtigt. Andere Kritikpunkte, etwa dass es angesichts der Komplexität ihrer Lieferketten unzumutbar wäre, von Firmen Sorgfaltspflichten zu verlangen, verfingen sich nicht. Zu Recht, denn die einschlägige Forschung zeigt, dass Unternehmen ihre Lieferketten genau kennen. Je komplexer das Endprodukt, desto wichtiger ist es für ein Leitunternehmen, eine enge Geschäftsbeziehung zu seinen Lieferanten zu pflegen. Der durch das Lieferkettengesetz verursachte Zusatzaufwand hängt noch von der anstehenden Umsetzung ab. Diese sollte sich aber für die 600 in Österreich betroffenen Unternehmen in überschaubaren Grenzen halten.

Friedman hätte mit all dem wahrscheinlich keine Freude gehabt. Aber mit dem Gesetz wird nun ein Rahmen geschaffen, auf dessen Basis das Erzielen von Gewinnen nicht zulasten elementarer Menschen- und Umweltstandards geht. (Werner Raza, 16.1.2024)