Die Finanzaffäre der FPÖ Graz, in der unter anderem wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs gegen bisher neun Personen ermittelt wird, ist eine hartnäckige dunkle Wolke am strahlenden, blauen Wahlkampfhimmel. Wie DER STANDARD berichtete, geht es in der Causa um mutmaßlich veruntreute Steuergelder, konkret Klubgelder der Grazer Blauen, deren Spitze um Mario Eustacchio deshalb 2022 geschlossen zurücktrat.

Aktenstoß in einem österreichischen Gerichtssaal.
Die Aktenberge im Verfahren um Malversationen in der FPÖ Graz wachsen.
APA/ERWIN SCHERIAU

Der Landesparteichef Mario Kunasek, seit dem Wochenende auch offiziell Spitzenkandidat für den Landtagswahlkampf, wird bisher von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt ausschließlich wegen mutmaßlicher Mitwisserschaft, falscher Zeugenaussage und der Unterdrückung von Beweisen als Beschuldigter geführt und wurde im November 2023 erstmals vernommen.

Anregungen der Kripo

In Schriftstücken aus einem Gerichtsakt, der dem STANDARD nun zugespielt wurde, wird ersichtlich, dass die Kriminalpolizei schon im August 2023 anregte, auch bei der Landespartei "Buchhaltung bzw. buchhaltungsähnliche Unterlagen", die "Rückschlüsse auf etwaige Zahlungsflüsse sowie auf Kreditgewährungen/-rückzahlungen usw. zulassen, sowohl in analoger als auch in digitaler Form" sicherzustellen, sprich: Hausdurchsuchungen auch bei der Landespartei und dem Freiheitlichen Akademiker Verband durchzuführen (FAV).

Diese fanden aber bis heute nicht statt. Zudem wurde im November 2023, nach der Einvernahme Kunaseks, im Akt festgehalten, dass ein neuer Akt angelegt wurde, und zwar gegen unbekannte Täter, allerdings mit dem Verweis in Klammer "Verantwortliche der FPÖ Steiermark" "wegen § 153 Abs. 1 und 3 (erster Fall) StGB". Das würde bedeuten, dass auch gegen Verantwortliche von Kunaseks Landespartei ermittelt wird. Jedoch nicht wegen Mitwisserschaft, sondern eben wegen des Paragrafen 153 im Strafgesetzbuch: also ebenfalls wegen Untreue.

Kuriose Unbekannte

Auf STANDARD-Nachfrage bestätigte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch, dass am 16. November 2023 ein neues Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet wurde. Kurioserweise gegen "namentlich nicht bekannte Verantwortliche der FPÖ Steiermark". Das bedeutet, man ermittelt seit zwei Monaten gegen Verantwortliche in der Landespartei, ohne herausgefunden zu haben, wer diese sind. Das ist bemerkenswert, da die Landespartei den Skandal bisher als reine Grazer Malaise abtat.

Dort sollen mutmaßlich rund 1,8 Millionen Euro vom Grazer Klub an Eustacchio und seinen Ex-FPÖ-Klubchef Armin Sippel, aber auch an Burschenschaften und die Identitäre Bewegung für deren Sommerfest geflossen sein. Anders als bei der Landespartei gab es bei den über die Stadtpartei involvierten Personen, Vereinen und Burschenschaften 2022 einige Hausdurchsuchungen. Warum nicht bei der Landespartei und FAV?

Die Einvernahme eines Mannes bei der Kripo Kärnten im Sommer 2023 brachte auch den FAV und dessen Geschäftsführer, Ex-FPÖ-Gemeinderat Heinrich Sickl, unter Verdacht – DER STANDARD berichtete. Der ehemalige FAV-Kassier sagte aus, dass dem FAV eine Firma 160.000 Euro überwiesen habe, die er nicht habe zuordnen können.

Maßnahmengegner und Corona-Tests

Der FAV war einst Inhaber des rechtsextremen, 2018 eingestellten Magazins Aula und ist auch am Freilich-Magazin, einem Sprachrohr von vehementen Corona-Maßnahmen-Gegnern, beteiligt. Die Firma, von der das Geld mutmaßlich kam, soll aber mit Corona-Tests verdient haben.

Der Ex-Kassier sagte laut Gerichtsakten, dass er und Sickl der Identitären Bewegung angehörten. Die Frage, warum man der Anregung der Kripo, Hausdurchsuchungen durchzuführen, nicht nachkam, konnte von der Staatsanwaltschaft nicht beantwortet werden, denn die zuständige Staatsanwältin war nicht erreichbar. (Colette M. Schmidt, 17.1.2024)