Martin Polaschek und Sigi Maurer
Vergangene Woche präsentierten Bildungsminister Martin Polaschek und die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer Auszüge aus dem Hochschulpaket der Regierung. Einen heiklen Passus für Uni-Studierende hat nun die ÖH festgestellt.
APA/HELMUT FOHRINGER

Wer schon einen Bachelorabschluss in der Tasche hat, der kann ohne Umschweife ein fachlich passendes Masterstudium dranhängen. Ganz automatisch steht einem diese Tür offen, wenn es sich um dasselbe Fach handelt – also etwa ein Master in Soziologie nach einem Bachelor in Soziologie. Falls die Fächer zwar ähnlich, aber nicht ident sind, dann verlangen die Unis, dass man einige Ergänzungsprüfungen ablegt: So müssen an der Uni Wien Bachelorabsolventen der Politikwissenschaften ein paar Kurse aus dem Soziologie-Bachelor nachholen, um einen Soziologie-Master anschließen zu können.

Die österreichischen Unis können derzeit aber keine gesonderten Zugangsbeschränkungen für Masterstudien verhängen. Somit dürfen sie im Master auch keine Höchstzahlen an Studienanfängern definieren und diese Plätze beispielsweise anhand der Leistung bei Aufnahmetests vergeben. Eine Ausnahme besteht nur für die rapide wachsende Kategorie jener Masterstudien, die in englischer Sprache abgehalten werden – da dürfen die Unis jetzt schon den Zugang durch Aufnahmeverfahren regulieren und nutzen diese Option auch intensiv.

ÖH sieht Angriff auf freien Zugang

Laut dem türkis-grünen Entwurf zur Novellierung des Uni-Gesetzes wird sich das ändern. Demnach soll es in der Macht des Rektorats liegen, künftig auch in deutschsprachigen Masterstudien eine maximale "Anzahl an Studienanfängerinnen und -anfängern festzulegen und den Zugang entweder durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch ein Auswahlverfahren nach der Zulassung zu regeln." Einzige Voraussetzung hierfür soll nur mehr sein, dass die betreffenden Masterstudien "vom Nachweis ausreichender Kenntnisse oder besonderer Befähigung abhängen".

Die Österreichische Hochschüler_innenschaft (ÖH) hat diese von der Koalition bisher nicht öffentlich thematisierte Änderung im Entwurf entdeckt und liest weitreichende Folgen heraus. Denn da jeder Bachelorabschluss eine "besondere Befähigung" darstelle, könnten durch den neuen Passus theoretisch bei allen Masterstudien Aufnahmehürden aufgestellt werden. Das sozialistisch-grün-kommunistische Vorsitzteam der ÖH warnt vor einem "massiven Rückschlag" beim Kampf für einen freien und gerechten Hochschulzugang.

Weitreichende Folgen

Der Experte für Hochschulrecht Werner Hauser sieht in der neuen Bestimmung ebenfalls einschneidende Folgen, wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Es sei den Unis auf Basis des Wortlauts künftig möglich, bei einer breiten Palette von Master- und Doktoratsstudien Aufnahmeverfahren einzuführen. Das könnten Tests ebenso sein wie persönliche Bewerbungsgespräche oder ein bestimmter Notenschnitt im Bachelorstudium: "Bei der Gestaltung ist vieles möglich."

Hauser kritisiert dabei die legistische Qualität der neuen Regelung. Der Begriff der "besonderen Befähigung" sei bisher nicht etabliert und werde in der Novelle nirgends definiert. Die Interpretation der ÖH sei zwar womöglich überschießend, er verstehe die Bedenken der Studierendenvertretung aber gut: Auch er rechne nämlich damit, dass die Unis eine unklare Regelung in ihrem Sinne möglichst weit auslegen, um bei Bedarf gleichsam überall Aufnahmeverfahren abzuhalten. Sollten hier keine Präzisierungen erfolgen, müssten sich die Verwaltungsgerichte auf Jahre damit herumschlagen, warnt der Jurist von der FH Joanneum.

Grüne verteidigen geplante Beschränkung

Für die grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger geht es mit der neuen Bestimmung darum, den Unis eine Handhabe gegen die Probleme in überlaufenen Masterstudien zu verschaffen. "Derzeit ist es leider so, dass die Unis die Aufnahme von Bachelorabsolventen nicht begrenzen dürfen, obwohl es im Master de facto nur begrenzte Kapazitäten gibt."

Ohne Steuerung im Vorfeld des Studiums führe das erst recht zu Knock-out-Prüfungen während des ersten Master-Semesters, argumentiert Blimlinger und verweist auf die Situation an der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU).

Ärger an der WU

Tatsächlich dürfte vor allem die WU mit ihren begehrten sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Masterprogrammen eine treibende Kraft hinter der Ausweitung von Aufnahmeverfahren sein. WU-Professor Michael Meyer lehrt am Department für Management und bezeichnet die herrschende Rechtslage im STANDARD-Gespräch als "absurd". Denn während in vielen Fächern auf der unteren Ebene des Bachelors bereits seit längerem Studienplatzbeschränkungen erlaubt sind, könne man die Aufnahme zu Masterstudien derzeit nicht bremsen.

Notgedrungen müssten die Uni-Verantwortlichen die Selektion dann durch schwere Prüfungen in den ersten Lehrveranstaltungen erledigen, um angesichts begrenzter Ressourcen die Studierendenzahlen zu drücken, sagt Meyer. In seinem Fach Management sei das besonders ärgerlich für die Studierenden, zumal ein großer Teil von ihnen aus Deutschland kommt und die Bewerberzahl die Kapazitäten um ein Vielfaches übersteigt: "Manche sind extra nach Wien gezogen und haben sich hier Wohnungen gesucht, sind dann aber im ersten Studiensemester rausgefallen." Das sei für die Betroffenen deutlich enttäuschender als rechtzeitige Aufnahmetests im Sommer vor Studienbeginn, meint Meyer.

Ministerium beschwichtigt

Sollte das türkis-grüne Gesetz wie geplant im Frühjahr beschlossen werden, könnte es schon ab dem kommenden Studienjahr so weit sein, dass die Unis mehr von ihren Master-Interessenten sehen wollen als das Bachelorzertifikat. Die Bundes-ÖH fürchtet dadurch ein noch selektiveres Bildungssystem samt ungesundem Konkurrenzdenken – und kündigt Widerstand an.

Im Wissenschaftsministerium regt das auf: "Die seitens der ÖH in den Raum gestellten Befürchtungen beziehungsweise Vorwürfe sind nicht nur überzogen, sondern entbehren jeder Grundlage", hieß es aus dem Büro von Martin Polaschek am Donnerstagabend – wobei die sachliche Richtigkeit des STANDARD-Artikels über die ermöglichten Optionen durch die geplante Rechtslage nicht bestritten wird.

Eine "flächendeckende Beschränkung" sei vom Minister allerdings "nicht intendiert". Es gehe darum, den Universitäten "für spezifische Situationen eine qualitative Steuerungsmöglichkeit durch qualitative Ergänzungen als Voraussetzung für das Weiterstudieren in einem Masterstudium" zu geben. (Theo Anders, 18.1.2024)