Herbert Kickl
FPÖ-Parteichef Herbert Kickl bei einer Pressekonferenz.
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Das Universum des Herbert Kickl folgt einem simplen Bauplan. Die Sonne, um die herum sich alles andere zu drehen hat, sind die "Sorgen, Ängste, Wünsche und Hoffnungen" der "ganz normalen, einfachen Leute", wie Kickl bei seiner Neujahrsrede im steirischen Premstätten sagte. Danach werde die FPÖ ihre Politik ausrichten. Dafür stehe das Wort "Volkskanzler" – "zuerst das Volk, dann der Kanzler".

Was das Volk in den Augen der FPÖ will, ist in vielen Politikfeldern hinlänglich bekannt. Bei Migration lautet die Devise "Festung Österreich". Beim Klimaschutz wollen die Blauen auf die Bremse treten und bestehende Klimaabgaben rückabwickeln. Der "Terror" gegen Pendler müsse enden, so die Forderung. Rückabgewickelt werden sollen auch die Russland-Sanktionen.

Weniger offen geredet wird in den Reihen der FPÖ über konkrete Wirtschaftspolitik. Worauf dürfen sich die Wählerinnen und Wähler hier einstellen? Die Frage ist umso relevanter, als es aktuell so aussieht, als hätte die FPÖ nach der Wahl zwei theoretische Koalitionsvarianten, mit SPÖ oder ÖVP. Welcher Partei stehen die Blauen inhaltlich näher?

Programm für Reiche

Dabei lohnt es, weniger auf die freiheitlichen Forderungen der vergangenen Monate zu achten – etwa den Ruf nach einer Mietpreisbremse –, bei denen ohnehin keine Chance auf Umsetzung bestand. Interessanter ist die Frage, für wen die FPÖ Politik macht, wenn sie einmal tatsächlich gestalten kann, und wie ihr Wirtschaftsprogramm aussieht.

Letzteres ist etwas älter, zuletzt wurde ein solches im Wahlkampf 2017 vorgestellt. Kickl war damals Generalsekretär der Partei, Norbert Hofer sogar bei der Präsentation dabei. Die Richtung dort ist klar: Die FPÖ will Wohlhabende und Unternehmer entlasten und bei Sozialausgaben sparen. In dem Programm ist die Rede von Steuerentlastungen für Beschäftigte und Unternehmen über zwölf Milliarden Euro, dazu noch eine Milliarde für Familien. Steuern auf nicht entnommene Gewinne der Unternehmen sollten halbiert werden.

Der Familienbonus à la FPÖ sah vor, dass Vielverdiener einen Teil ihres Einkommens steuerlich ihrem Kind übertragen können. Dadurch wird das Einkommen des Elternteils formell geringer – und somit sinkt seine Steuerlast. Das wirkt aber vor allem bei Leuten, die viel verdienen, weil Geringverdiener ohnehin wenig bis kaum Steuern zahlen.

Neue Spielregeln

Ein Teil der Gegenfinanzierung sollte durch eine Verwaltungsreform erfolgen, wobei diese sogar unter den optimistischsten Annahmen nicht eine solche Dimension erreichen könnte. Ein anderer Teil der Gegenfinanzierung sollte laut Programm durch die "Optimierung der Sozialausgaben" erfolgen

Was darunter zu verstehen ist, darauf gab die FPÖ in ihrer Regierungszeit mit der ÖVP (2017–2019) eine Antwort. Türkis-Blau stellte mit einem "Sozialhilfe-Grundsatzgesetz" neue Spielregeln für die Sozialhilfe in den Bundesländern auf. Ein Höchstdeckel bei Leistungen in Höhe von 1500 Euro pro Familie wurde wegen rechtlicher Bedenken schließlich fallengelassen.

Während die Leistungen für Erwachsene gleich hoch bleiben können sollten, wären die Leistungen für Familien mit mehr Kindern drastisch beschränkt worden. Ab dem dritten Kind sollte der Zuschuss bei 45 Euro pro Monat liegen.

Es gibt einen simplen Bauplan für die blaue Wirtschaftspolitik - ob dieser wirklich die "ganz normalen, einfachen Leute" begünstigt, wird sich zeigen.

Notstandshilfe

Für große Einsparungen hätte das nicht gereicht. So war ein Regierungsvorhaben, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zu verschmelzen und Letztere abzuschaffen. Die Notstandshilfe ist ein europäisches Unikat: Wer versichert ist, darf bei Erfüllung der Voraussetzungen, etwa aktiver Jobsuche, zeitlich unbegrenzt die Beihilfe beziehen. Bei Abschaffung der Notstandshilfe müssten die rund 100.000 Betroffenen in die Mindestsicherung wechseln – mit Höchstgrenzen beim Vermögen. In letzter Sekunde zog die FPÖ die Reißleine bei dem Projekt, weil man Gegenwind fürchtete.

Klare Spuren hinterlassen wollten die Blauen auch in der Steuerpolitik. So wurde mit der ÖVP neben der Senkung der Lohnsteuer auch eine kräftige Absenkung der Körperschaftssteuern von 25 auf 21 Prozent paktiert. Gut 80 Prozent der Körperschaftssteuer zahlen fünf Prozent der Unternehmen, vor allem sind das große Aktiengesellschaften. Das wären natürlich auch die Hauptprofiteure gewesen. Um die 1,5 Milliarden Euro Entlastung für Unternehmen hätte das Paket im Vollausbau gebracht, schätzte das Wifo damals.

Stolperstein "Ibiza"

Ehe der Plan umgesetzt wurde, schlug Ibiza zu – die Koalition platzte. Die Grünen handelten die ÖVP herunter, die Körperschaftssteuer liegt heute bei 23 Prozent, die Senkung der Lohnsteuerstufen übernahm man. Ein anderes Lieblingsthema der FPÖ: das Nulldefizit. Mit der ÖVP war es geplant, einer der ersten Kritikpunkte Kickls an der türkis-grünen Regierung war, dass auf Schulden nicht verzichtet wird.

Wie sieht das freiheitliche Universum also aus, wenn die Blauen etwas zu sagen haben? Ist der Volkskanzler Kickl, der "Vokaki", in Wahrheit ein Reichenkanzler Kickl, ein "Reikaki"? Jedenfalls steht die FPÖ der ÖVP näher. Schlanker Staat, Steuersenkungen für Familien ab der oberen Mittelschicht und Unternehmen sowie Beschäftigte gehören zum Mix. Einschnitte bei der Sozialhilfe für Mehrkindfamilien. Am Arbeitsmarkt wurde unter den Blauen eine von der SPÖ konzipierte Jobförderung für ältere Langzeitarbeitslose gestrichen, die Möglichkeiten des Zwölfstundentags wurden ausgedehnt. (András Szigetvari, 21.1.2024)