Der ausgehölte Berg soll eine "unterirdische Gesellschaft" beheimaten.
NEOM

Ausgehöhlte Berge, Basen in erloschenen Vulkanen: Derartige Ideen erwartet man eher von Bösewichten in "James Bond"-Filmen oder der dazu passenden Episode der "Simpsons". Was es bislang nur im Film gab, soll jetzt aber Realität werden. In Saudi Arabien soll das Innere eines Berges als Wohn- und Arbeitsstätte dienen. Dahinter steckt das Unternehmen, das auch die futuristische Megastadt The Line umsetzen will.

Hotels, Wohnungen und ein Forschungslabor

In einem 450 Meter hohen Berg an der Küste am Gold von Akaba soll die neue Stadt namens Aquellum entstehen. Im Inneren erstrecken sich dann Hotels, Wohnungen, Handelsflächen, Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen, ausgehend von einem zentralen Hauptplatz über 100 Meter Höhe. Gleichzeitig soll ein Forschungslabor und Startup-Hub namens "The Generator" eines der Herzstücke der Stadt im Felsen werden. Über ein vertikales und horizontales Verkehrssystem sollen sich die Bewohnerinnen und Bewohner durch die unterschiedlichen Ebenen bewegen können. Ob es sich dabei um Aufzüge oder U-Bahnen handelt, geht aus der Präsentation nicht hervor. An der Spitze soll es Dachgärten geben, von denen aus man gleichzeitig den Ausblick auf das Meer genießen können soll.

Aquellum | Meet the architects
Guided by the vision of internationally acclaimed architects, Aquellum will stand as a testament to cutting-edge design and construction techniques that fully embrace the surrounding nature. #Aquellum #NEOM
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Um überhaupt in den Berg zu gelangen, muss man per Schiff anreisen. Neben der Stadt im Berg entsteht nämlich eine schwimmende Marina mit Anlegestellen für Yachten. In einer eigens entwickelten Fähre werden die Besucherinnen und Besucher schließlich durch einen unterirdischen Kanal nach Aquellum gebracht.

Offen ist auch die Frage, was sich hinter dem Begriff der "digitalen unterirdischen Gesellschaft" verbirgt. Die Architektinnen und Architekten in einem kurzen Werbevideo sprechen von einem "umgekehrten Wolkenkratzer", in dem die Fassade nicht nach außen, sondern nach innen zeigt.

Hinter Aquellum steht jenes Unternehmen, das in Saudi Arabien auch die futuristische Megastadt The Line entwickelt. Neom, so der Name der Gesellschaft, umfasst aber immer mehr Projekte, die vor allem einen touristischen Fokus haben. So entstehen luxuriöse Badeorte im Roten Meer, Berg- und Skiressorts, ein Theater und eine schwimmende Industriestadt.

Fläche von der Größe Belgiens wird verbaut

Insgesamt wird in Saudi Arabien für die Vorhaben eine Fläche von 26.500 Quadratkilometern in der Wüste umgebaut. Das entspricht fast der Größe von Belgien. Hinter der Gesellschaft steckt der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman, der auch als Vorsitzender des Leitungsgremiums fungiert.

Neom will die saudische Wirtschaft auf eine Zeit nach dem Öl vorbereiten und setzt dabei auf moderne Technologie. So soll The Line vollständig von einer KI-gesteuert sein. 500 Meter hoch, nur 200 Meter breit, aber dafür 170 Kilometer lang, mit einer Fassade aus verspiegeltem Glas. Sie soll sich vom Golf von Akaba über das 2.500 Meter hohe Hedschas-Gebirge bis zu den im Binnenland vorzufindenden Wadis erstrecken. An einem Ende soll es einen versteckten Yachthafen geben, am anderen Ende soll ein internationaler Flughafen entstehen. Bis 2045 sollen neun Millionen Menschen hier leben können.

Die Baustelle von The Line

Laut offiziellen Angaben soll Neom rund 500 Milliarden US-Dollar kosten, Schätzungen gehen aber davon aus, dass es am Ende wohl eher 800 Milliarden Dollar oder noch mehr werden dürften. Doch Neom ist nicht unumstritten. Einerseits gibt es Zweifel an der Sinnhaftigkeit und technischen Umsetzbarkeit der Vorhaben. Andererseits werden für die Techno-Fantasien des Prinzen rund 20.000 Menschen ihre Heimat im Tabuk verlieren. Die dort ansässigen Beduinen werden vertrieben, notfalls mit tödlicher Gewalt. (pez, 21.1.2024)