Hand wischt Schnee vom Spiegel runter
Der Winter bietet für Autofahrer viele Herausforderungen. Dazu gehören auch etwaige leere Batterien.
AP

Vor wenigen Tagen sorgten Berichte für Aufsehen, laut denen in den USA bei Temperaturen von minus 19 Grad Celsius die Elektroautos von Tesla den Kampf gegen die Kälte verlieren. Generell können alle Autos – unabhängig von der Art des Antriebs – nur schwer mit Kälte umgehen, bei E-Autos können niedrige Temperaturen zusätzlich die Reichweite und die Ladegeschwindigkeit beeinflussen. Dass sie bei extrem niedrigen Temperaturen gar nicht laden können, ist eher ein Novum.

Im vorliegenden Fall dürfte die Ursache jedoch weniger an in den Autos selbst, sondern in den Ladestationen zu finden sein. An und für sich empfiehlt Tesla seinen Kunden, die Batterien vor dem Laden zu konditionieren, damit sie auch bei extrem niedrigen Temperaturen Strom tanken können. Dies dürften einige Fahrer nicht gemacht haben. Supercharger hingegen sollten diese Vorkonditionierung automatisch vornehmen, was bei den niedrigen Temperaturen wiederum nicht funktioniert haben dürfte.

Dead Teslas pack Chicago area Supercharger station due to frigid temps
FOX 32 Chicago

Erfahrungen aus Norwegen

Nun bringen Erfahrungen aus dem kalten Norwegen, konkret von einem norwegischen Pannendienstservice namens Viking, eine neue Sichtweise in die Diskussion über die Vor- und Nachteile verschiedener Antriebsformen im Winter, wie das US-amerikanische Fachmedium "Electrek" mit Verweis auf das norwegische Medium TV2 berichtet. "Es war absolut extrem", wird Svein Setrom, der für das Stationsnetz von Viking verantwortlich ist, dort zitiert. Gemeint sind damit die ersten Tage des Jahres 2024: Vom 1. bis 11. Jänner 2024 hatte Viking 17.400 Einsätze absolviert, fast eine Verdoppelung im Vergleich zum ähnlich kalten Winter 2022.

Fast die Hälfte der Einsätze sind dabei auf Batterieprobleme zurückzuführen, heißt es weiter, bei den übrigen Problemen handelt es sich zum Beispiel um Reifenpannen. Auf jeden Fall performen laut Setrom E-Autos besser als herkömmliche Verbrenner. Dies zeige sich dadurch, dass 13 Prozent der Fälle auf E-Autos zurückzuführen sind und 87 Prozent auf Autos mit fossilen Antrieben.

In Norwegen sind 23 Prozent der Pkws Elektroautos, in Relation zur Verbreitung gesetzt, brechen diese in der Kälte also seltener zusammen. Allerdings fügt Setrom hinzu, dass die Elektroautos im bisherigen Gesamtjahr rund 21 Prozent der Hilfeleistungen ausmachen, was wiederum in etwa mit deren Verbreitung gleichzusetzen ist. Auch ist zu beachten, dass das Alter eines E-Autos tendenziell geringer als jenes eines mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeugs ist, sich bei den Fossilen also eher Alterserscheinungen bemerkbar machen. Ähnliches sagt in dem Beitrag von TV2 auch Marius Solberg Anfinsen von der norwegischen Versicherung Frende Forsikring: Ältere, mit fossilen Brennstoffen betriebene Autos haben ihm zufolge die größten Probleme, wenn es kalt wird, sie kämpfen oft mit Startproblemen oder Problemen mit der Batterie.

Warum E-Autos im Winter nicht so weit kommen

Es sei jedoch auch wahr, dass E-Autos bei extremer Kälte eine deutlich geringere Reichweite haben, führt Forsikring weiter aus. Dies wird auch von Experten des Fachmagazins "Auto Touring" in Kooperation mit dem heimischen ÖAMTC bestätigt: Die Akkus von Elektroautos haben nämlich eine "Wohlfühltemperatur" von etwa 25 Grad, hier funktioniert die Elektrochemie am besten. Wenn der Akku dann nach einer Winternacht kalt ist, muss eine Batterieheizung die Akkuzellen aufheizen.

Das wirkt sich langfristig positiv auf die Lebensdauer des Akkus aus, hat aber einen Haken: Die Batterieheizung bezieht ihre Energie aus dem Akku, was die Reichweite entsprechend reduziert. Hinzu kommt, das auch der Innenraum des Fahrzeugs im Winter beheizt wird, was die Batterie eines E-Autos belastet, bei einem Verbrenner kann hingegen die Abwärme des Motos genutzt werden.

Auto steckt im Schnee
In Skandinavien (im Bild: Dänemark) mussten die Rettungskräfte in diesem Winter bereits mehrfach ausrücken.
APA/AFP/Ritzau Scanpix/BO AMSTRUP

Steht das Auto nach kurzer Fahrt länger im Freien – etwa während eines Arbeitstags im Büro –, so muss erneut geheizt werden, was die Reichweite weiter verringert. Wichtig ist in diesem Kontext auch die Effizienz der Heizung und die Isolierung des Innenraums. Denn je länger und besser die Wärme gehalten werden kann, desto weniger muss man heizen und desto mehr Energie steht für den Fahrbetrieb zur Verfügung.

E-Autos im Winter: ein Vergleich

Alle von "Auto Touring" getesteten E-Autos haben im Winter ein deutlich Minus bei der Reichweite verzeichnet. Den größten Verlust gegenüber der Sommerreichweite stellten die Experten im Winter beim chinesischen BYD Atto 3 mit 138 Kilometern – ein Minus von 33 Prozent – fest. Angemerkt wird aber auch, dass das besagte Modell zu Zeiten der niedrigsten Temperaturen im Vergleich zu allen anderen Testkandidaten untersucht wurde.

Die geringsten prozentuellen Einbußen verzeichneten im Winter der BMW X1 (minus 22 Prozent oder 88 km) sowie der MG4 (ebenfalls minus 22 Prozent oder 99 km). Knapp dahinter finden sich der Cupra Born (23 Prozent / 104 km), VW ID 5 (24 Prozent / 116 km) und VW ID Buzz (25 Prozent / 96 km).

Nicht so weit, dafür aber warm

Die grobe Faustregel auf Basis dieser Ergebnisse: Im Winter kann man damit rechnen, dass die Reichweite eines E-Autos rund ein Viertel geringer ist als im Sommer, wenn längere Strecken am Stück zurückgelegt werden. Bei kürzeren Strecken mit längeren Stehzeiten in der Kälte verkürzt sich die Reichweite zusätzlich.

Allerdings betonen die Experten in diesem Kontext auch einen Vorteil der E-Autos im Winter: Während bei Diesel- und Benzinfahrzeugen die Heizung nach dem Losfahren erst langsam anläuft und es somit im Auto nicht so schnell warm wird, kommt bei einem E-Auto schon nach wenigen Minuten warme Luft aus den Düsen beziehungsweise kann das E-Auto schon vor Fahrtantritt aufgewärmt werden. Ein Verbrenner benötigt dafür eine zusätzliche Standheizung.

Expertentipps

Im Zentrum dieser Diskussion steht jedenfalls die Lebensdauer der Batterie. Demnach sind Schäden mit entsprechenden Einsätzen laut Setrom oft darauf zurückzuführen, dass Autofahrer die Belastung ihrer Batterien im Lauf der Zeit zu selten im Blick haben. Ähnliches sagt Line Marcelius von der norwegischen Versicherung Gjensidige: Eine Batterie, die nicht ausreichend geladen werde, könne mit der Zeit das Auto nicht mehr starten oder andere Funktionen nicht mehr durchführen.

Demnach empfiehlt Setrom eine regelmäßige Wartung der Batterie. Anfinsen rät außerdem, mit dem Auto längere Fahrten zu unternehmen, um die Batterie aufzuwärmen, anstatt nur kurzer Fahrten zur Werkstatt oder zur Ladestation. Wie zuvor ausgeführt, wirken sich die langen Stehzeiten in der Kälte auch auf die Reichweite der E-Autos aus. (stm, 23.1.2024)