Gastkommentar: Stephan A. Jansen

Sie haben es vielleicht gelesen: Die Gen Z radelt deutlich kürzer, dafür aber schneller, analysierte zum Jahreswechsel die Sport-App Strava mit ihren 120 Millionen Nutzenden. Das passe doch ganz gut zur Viertagewoche, zur Aufmerksamkeitsspanne und generell zur geringeren Leistungsbereitschaft dieser Generation, wie man seitens der elterlichen Boomer hört. Die wiederum – so die Strava-Daten – so viele Kilometer radelt, dass man sich fragt, ob die noch arbeiten ... Alles anstrengend – auch die angestrengten Analysen.

Analysen über Generationen haben seit der "Generation Golf" der Pop-Literatur um die Jahrtausendwende nochmals zugenommen. Die Kritik daran hingegen ist wissenschaftlich-methodisch wie bei Interpretationen auf stets gleich hohem – und berechtigtem – Niveau. Eines ist sicher: Die Ergebnisse sind unsicher.

Alte Stereotype

Zwischen den Generationen gab es schon immer Stereotype und Witze. Nicht erst einhellig bei Aristoteles, Sokrates und Platon, und nicht nur bei Professorinnen über ihre Studierenden, Personalern über die neuen Mitarbeitenden oder Marketing- und Produktentwicklerinnen. Aber ein Widerspruch der Jugendforschung selbst könnte darin bestehen, dass die Differenz und der Dissens zur Elterngeneration so gering sind wie seit dem Jahr 1953 – dem Start der Shell-Studie – noch nicht.

Das bedeutet, dass die Einstellungen zu Arbeit, Ernährung, Klima, Mobilität, Gender oder Sexualität dieser Jugend gar nicht mehr so generational sind, sondern eher Unterschiede in gesellschaftlichen Milieus, Grundeinstellungen bzw. Lagen/Schichtenbezug aufweisen. Frühpensionisten haben vielleicht gewisse Ähnlichkeiten mit 30-jährigen 30-Stunden-Zeitwohlstandsanhängern. Man muss es sich leisten können.

Demonstrierende halten ein Schild beim Klimastreik in München mit der Aufschrift
Sind es eher die Milieus, in denen sich Unterschiede zeigen, oder sind es scharfe Generationenlinien?
IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Neues Geschäftsmodell

Der Generationsbegriff weist eine innere, also biografische Dynamik der Definition auf und ist damit ein fliegendes Ziel, zudem immer ein Schauplatz von – auch zwischengenerationalen – Verhandlungen und Doppeldeutungen. Die "Generation" wurde so ein Studienmarketing-Tool mit allen möglichen stereotypisierenden Zuschreibungen. Nicht selten sind Generationsanalysen Auftragsstudien. Wenn Unternehmen "die" Jugend für ihre Produkt-, Marketing- oder auch Recruitingstrategien verstehen wollen, dann lässt sich das irgendwie noch nachvollziehen, wenngleich wir nun oft den Beleg gefunden haben, dass solche Marktforschung gerade keine Überraschungen, keine Wettbewerbsdifferenzierung produziert. Wenn allerdings politische Parteien bzw. parteinahe Stiftungen und Verbände Auftragsstudien kommunizieren lassen, dann kann der Eindruck der auftraggebergerechten Beschreibung der Generation oder einer parteiischen Meinungsbefragung Diskussionen auslösen.

Was doch neu sein könnte: Die Generationen Y, Z und nun Alpha wollen selbst die Deutung über sich als ein Geschäftsmodell für Ältere betreiben. Sie versuchen als – rein altersbezogen höchst authentische – Generationsexpertise im Studien-, Beratungs- und Vortragsgeschäft mitzumischen, oft vermittelt mit Social-Media-Begleitung.

Was sind die Konsequenzen?

Einige Anregungen auch für die Personalarbeit:

1. Rüstet die Generationenkonflikte ab Man kann sie medial oder politisch herbeireden, aber es gibt sie aktuell weniger denn je. Dieser "Nichtangriffspakt" der Generationen ist ein Teil der verständnisvollen Wertschätzung.

2. Rüstet die Studienqualität auf Mehr Daten und saubere Methoden, Unabhängigkeit und Überparteilichkeit. Big Data hilft. Die aktuell generative KI noch nicht, weil sie zu starke inhärente Wertungen der aktuellen Eliten hat.

3. Weg mit den selbstgemalten Abziehbildern Beobachtet eure Beobachtungen und die der Studienmacher. Schaut tiefer, arbeitet mit den Generationen und mit euren Bezugspersonen selbst, redet mit ihnen, nicht über sie. Diese Form der Inklusion ist als Kontrollgruppe für Big Data-Analysen immer anregender.

4. Achtet die zwischengenerationalen Lernkurven Die Kinder von Eltern mit Überstunden, Überkonsum und Übergewicht sind empathisch und selbstachtsam – also unaufgeregt, gechillt. Das ist verständlich, denn das Höher-weiter-schneller-Spiel ist eine gelernte Burnout-Strategie. Das ist auch ein Umgang mit vererbten Traumata von existenzgefährdeten Selbstständigenfamilien wie Geflüchteten – über zwei Generationen oder länger.

5. Achtet auf biografische Phasen in der Flexibilisierung der Arbeit Flexibilität in der Arbeitszeit wird die einzige Chance auf Vollzeit – im Monatsmittel.

6. Baut intergenerationale Teams Reflexiv erfahrene und wild denkende Menschen können eine gute Mischung sein. Business Angels sind nur eine übliche Spielart. Aufsichtsräte im Alter unter 30 Jahren eine andere. Middle-Ager sind aktuell besonders belastet in der Rushhour des Lebens – mit Career-Time, Care-Time von Kindern und Eltern, Me-Time für sich und Insta und LinkedIn. (Stephan A. Jansen, 1.2.2024)