Die ÖVP rückt nach rechts, ganz eindeutig. Sie grenzt ihr Zielpublikum ein. Da gibt es keine Überschneidungen mit den Grünen mehr und kaum welche mit der SPÖ. Aber jede Menge mit der FPÖ.

Die Signale, die ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer am Freitag bei der Präsentation seines "Österreich-Plans" setzen will, lassen kaum noch Fragen offen: Autofahren, Schnitzel, Nein zum Gendern, ein scharfes Programm gegen Ausländer, Grenzen dicht, Maßnahmen gegen Sozialbetrug. Was dem STANDARD an Positionierung vorliegt, ist ganz klar in seiner Stoßrichtung.

ÖVP-Zentrale
Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) positioniert seine Partei im rechts-konservativen Eck.
APA/ROLAND SCHLAGER

Was mit den Grünen als Koalitionspartner nicht ging und nie gehen würde, schreibt Nehammer jetzt auf seine Wunschliste. Und läuft damit mit offenen Armen auf die FPÖ zu.

Bedrohungsbilder

Es ist eine Mischung aus konkreten Bedrohungsbildern und diffusen Ängsten, auf die die ÖVP zurückgreift und aus denen sie ihr Programm strickt. Es sind Themen, die zumindest einen Teil der Bevölkerung bewegen und die Gesellschaft polarisieren.

Essen wird immer mehr ideologisch verbrämt. Veganismus wird von manchen als bedrohliche Entwicklung wahrgenommen. Menschen wollen sich nicht vorschreiben lassen, was sie essen dürfen und was nicht, das wird zum Kampf um das Schnitzel hochstilisiert.

Ein Kulturkampf findet auch um eine geschlechtergerechte Sprache statt. Während es einem Teil darum geht, Frauen in der Sprache sichtbarer zu machen, fühlt sich der andere Teil durch Binnen-I und Sternchen belästigt bis bedroht.

Auch der Verkehr ist längst so ein ideologisches Schlachtfeld geworden, auf dem Radfahrer wie Elektroautos als Feindbilder gesehen werden, während die andere Hälfte der Bevölkerung (oder sind es deutlich weniger?) die Abzweigung vor der Klimakatastrophe sucht.

Ausländer und Sozialschmarotzer, gerne auch in Verbindung miteinander, sind sowieso der Dauerbrenner in der politischen Auseinandersetzung – erst recht, wenn sich der Wahlkampf verdichtet.

Nehammer positioniert sich in all diesen Fragen ganz eindeutig. Im rechtskonservativen Eck. Da steckt eine gehörige Portion Opportunismus dahinter: Nehammer vermutet dort eine stabile Mehrheit der Bevölkerung, wahrscheinlich nicht zu Unrecht. Jedenfalls hat sich dort, ganz hinten im Eck, bereits die FPÖ breitgemacht, sehr breit. Sie hat diese Themen längst sehr intensiv beackert und zum Teil erst hochgebracht.

Die Maßnahmen, mit denen die ÖVP die "illegale Migration" stoppen will, sind schon starker Tobak, da ist alles drin, was streng und scharf ist. Auch im Sicherheitsbereich geht es in erster Linie darum, härter zu strafen und eine Null-Toleranz-Politik umzusetzen.

Was nicht fehlen darf: härtere Strafen für Klimakleber. Als ob das die Welt besser machen würde.

Weltoffenheit, Liberalität, Kreativität oder gar so etwas wie Lebensfreude und Schönheit sucht man in diesem Angebot der ÖVP vergebens. Es wird bestraft, reguliert, eingeengt, verschärft und verboten. Es ist ein ganz defensiver Zugang zum Leben.

Bietet sich die ÖVP als glaubwürdige Alternative zur FPÖ an oder bereitet sie dieser nur das Feld auf? Erfahrungsgemäß: eher Letzteres. Aber sie bietet sich den Blauen jedenfalls als gefälliger Koalitionspartner an. (Michael Völker, 23.1.2024)