Die Stadt Wien prüft die Errichtung eines zusätzlichen mobilen Dachs für eine Ganzjahresnutzung. Rund um die Ausschreibung für dieses Vorhaben gibt es aber Kritik.
EXPA / APA / picturedesk.com

Das alte, 1931 eröffnete Wiener Ernst-Happel-Stadion soll auch die nächsten Jahrzehnte das Arena-Aushängeschild Österreichs bleiben. Der Neubau eines Nationalstadions ist politisch weiterhin kein Thema. Das steht fest, seit der Wiener Gemeinderat im November insgesamt Kosten von 101 Millionen Euro für die Modernisierung und Erneuerung des Happel-Ovals genehmigt hat. Grundlage dieser hohen Investitionskosten ist eine von der Stadt beauftragte Substanzanalyse: Diese habe ergeben, dass das denkmalgeschützte Dach sowie Teile der Konstruktion bis zum Fundament zumindest bis Mitte der 2060er-Jahre "gebrauchstauglich" seien, wie Sandra Hofmann, die Geschäftsführerin der Wiener Sportstätten, sagte.

Geprüft wird neben der Umsetzung einer riesigen Photovoltaikanlage auf dem bestehenden Dach auch die Realisierung eines zusätzlichen mobilen Dachs für das Happel-Oval, wie der zuständige Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ankündigte: Damit sollen ganzjährig Veranstaltungen wie Konzerte oder Fußballspiele ermöglicht werden. Die geschätzten Ausgaben dafür wurden mit etwa 50 Millionen Euro angegeben. Bereits am 8. Dezember 2023 wurde eine Ausschreibung für die "Errichtung eines wandelbaren Daches für das Ernst-Happel-Stadion" von der Stadt auf ihrer Homepage veröffentlicht. Gesucht wird ein Totalunternehmer. Ursprünglich lief die Angebotsfrist bis 9. Jänner 2024 – also nur gut einen Monat lang, und das auch über die Weihnachtsfeiertage.

"I wer' narrisch!"

Diese Vorgangsweise stößt bei der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Wien, Niederösterreich und Burgenland auf massive Kritik. In ganzseitigen Inseraten in der aktuellen Ausgabe des "Falter" wird unter der Überschrift "I wer' narrisch! Oder: Wie man möglichst schnell viel Steuergeld ausgibt" die zu kurze Einreichfrist und Intransparenz thematisiert. Laut der Kammer sei es zudem "nicht abwegig, wenn einige gut informierte Unternehmen bereits ihre Sportschuhe geschnürt hatten, um das Angebot rechtzeitig einwerfen zu können". Auch die Bedingung, dass das Stadion zuvor vom Bieter besichtigt werden muss, wird kritisiert. Das würde "etwaige Überraschungsanbieter" ausschließen. Die Schlussfolgerung der Architektenkammer: "Schließlich hat man eh nur einen Auftrag und braucht daher nur einen Bieter, wozu die Mühe mit mehreren Anbietern?"

Die Kammer spricht von einer "Nacht-und-Nebel-Aktion", die ohne Not von der Stadt durchgezogen werde. "Wohin das jedenfalls führt, sollte klar sein: Am Ende wird es richtig teuer, oft weit teurer als nötig und gedacht." Unterschrieben wurde das Inserat vom sechsköpfigen Präsidium der Kammer.

Dach des Happel-Stadions
Bei der Stadt Wien wird mit Kosten von rund 50 Millionen Euro für das zusätzliche mobile Dach gerechnet. Dann sollen ganzjährig Konzerte und Fußballspiele stattfinden können.
DER STANDARDKrutzler

Einreichfrist vorläufig auf 1. Februar verlängert

Aufregung über die nur einmonatige Ausschreibungsfrist gab es schon zuvor. Das legt ein Urteil des Landesverwaltungsgerichts Wien nahe: Demnach wurde durch einen Beschluss des Gerichts eine Erstreckung der Frist vom 9. Jänner vorläufig auf den 1. Februar 2024 erwirkt – also um mehr als drei Wochen. Im Büro von Sportstadtrat Hacker wird auf eine einstweilige Verfügung des Gerichts verwiesen. Bis zum Vorliegen eines Urteils werde demnach die Frist vorläufig wöchentlich verlängert. Sprich: Die Einreichfrist könnte erneut ausgedehnt werden.

Eine Anfrage des STANDARD an Sportstadtrat Hacker wird vom Unternehmen Wiener Sportstätten beantwortet, das das Projekt Happel-Stadion auch umsetzt. Die städtische Firma kann die Kritik der Architektenkammer nicht nachvollziehen: So habe man bei der Ausschreibung "die gesetzliche Frist nicht nur eingehalten, sondern um vier Tage überschritten", heißt es in einer Stellungnahme. Die Totalnehmerleistung sei gewählt worden, "weil es sich um ein außergewöhnliches Projekt handelt, für das keine Blaupause existiert und bei dem die Einhaltung zeitlicher Fristen von großer Bedeutung ist". Abstimmungen und etwaige Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Projektpartnern seien "nicht dienlich". Das EU-weite Ausschreibungsverfahren garantiere "maximale Transparenz". Zudem habe das Bundesdenkmalamt in einem Bescheid das Dachprojekt als "sinnvoll und notwendig" beschrieben.

Partizipationsprozess rund um Modernisierung läuft

Es sieht so aus, als würde der ursprüngliche Plan der Stadt, das Happel-Stadion ohne große Aufregung ein weiteres Mal um viel Geld herzurichten, so nicht aufgehen. Dabei war die Klima- und Innovationsagentur der Stadt Wien, Urban Innovation Vienna, ein Unternehmen der Wien Holding, eigens mit einem "Partizipationsprozess" beauftragt worden. Dabei sollen diverse "Stakeholder*innen", auch aus dem Medienbereich, einbezogen und sollen "das Stadion und sein Umfeld vollumfänglich in den Blick genommen" werden. Es wäre oder ist Meinung gefragt zu den Bereichen Stadionumfeld, Stadionfassade und Zugänge, Innenraum (Spielfeld, Laufbahn, Rasen) sowie Tribünen und Tribüneninnenbereiche, dazu gehören auch die Punkte Gastro und Sanitärbereiche.

Harald Fux, der Architekt des schmucken neuen LASK-Stadions in Linz, hat bereits im Februar 2023 in einem STANDARD-Interview generell erhebliche Zweifel an Plänen zur Renovierung des Happel-Stadions geäußert. "Eine wirklich funktionelle Ertüchtigung hat hier nie stattgefunden, kann auch gar nicht mehr stattfinden", sagte Fux. "Hier zu investieren wäre unverantwortlich." Die Stadt Wien sieht das anders. (David Krutzler, Fritz Neumann, 24.1.2024)