Die Tränen kullern heiß. Weder Barbie-Darstellerin Margot Robbie noch Greta Gerwig bekamen Nominierungen in ihren Kategorien. Woran könnte das liegen?
Die Tränen kullern heiß. Weder Barbie-Darstellerin Margot Robbie noch Greta Gerwig bekamen Nominierungen in ihren Kategorien. Woran könnte das liegen?
IMAGO/Everett Collection

Jahr für Jahr ist es dasselbe Spiel: Wenn die Oscar-Nominierungen verkündet werden, ist die Aufregung über diejenigen, die übergangen wurden, groß. Im letzten Jahr war das etwa die afroamerikanische Schauspielerin Danielle Deadwyler, die nicht für "Till" nominiert wurde. An ihrer Stelle schaffte es Andrea Riseborough mit dem Indie-Film "To Leslie" in die Top 5 – mit einer bis dato nie gesehenen Social-Media-Kampagne (und vielen einflussreichen Freundinnen).

Heuer wird bedauert, dass Greta Gerwigs Megaerfolg "Barbie" nicht ausreichend gewürdigt wurde. Der Film hat zwar acht Nominierungen und steht damit auf dem vierten Platz nach "Oppenheimer", "Poor Things" und "Killers oft he Flower Moon", aber die zentralen Frauen des Projekts wurden nicht berücksichtigt: Greta Gerwig ist vom Regie-Oscar ausgeschlossen, Margot Robbie bekam keine Hauptrollennominierung. Nach dem Misserfolg bei den Golden Globes, wo "Barbie" noch an der Nominierungsspitze stand, aber gegen "Oppenheimer" verlor, zeichnet sich hier ein Trend ab.

Hinzu kommt, dass Ryan Gosling alias Ken für die beste Nebenrolle nominiert wurde, was derzeit für viel Kritik sorgt und Gosling selbst zu einem enttäuschten Statement bewegte.

Was könnten aber die Gründe sein, weshalb die Academy (die ja vor einigen Jahren mit großem Aufwand diversifiziert wurde), "Barbie" die kalte Schulter zeigte, Ken aber nicht. Drei Thesen und zwei Fragen dazu:

Erstens: Es herrscht "Barbie"-Überdruss

"Barbie" war 2023 überall. Der Film beherrschte nicht nur die Kinokassen, den "Barbie-core"-Style fand man auch auf den Einkaufsstraßen und im Netz zuhauf. Margot Robbies Stylisten setzten dem noch eins drauf. Bei jedem Werbeauftritt trug sie ein Barbie-Kleid. Was anfangs noch begeisterte, wurde – als es zum Jahreswechsel in die heiße Phase der Oscar-Votings ging – schon zum Pink-Überdruss. Wohl auch für einige Mitglieder der Academy, deren knapp zehntausend Mitglieder heuer aus 93 Ländern stammen.

Zweitens: Margot Robbies Barbie ist zu fad

Dass Ken Barbie überschattet, haben sich Greta Gerwig und Co-Autor Noah Baumbach (ihr Drehbuch ist übrigens nominiert) auch selbst zuzuschreiben. Während Ryan Goslings dauergekränkter Ken eine humoristische Meisterleistung abliefern darf und noch dazu einen eigenen Ken-Song mitsamt einprägsamer Choreografie bekommt, wird Robbies Barbie auf eine etwas brave Selbsterkenntnisreise geschickt. Da kann die zweite "Puppe" im Wettbewerb, nämlich Emma Stones Bella in "Poor Things", ganz andere Schauspielregister ziehen.

Drittens: "Barbie" ist eine Produktmarketing-Komödie

Filme, die auf Comics oder Spielzeugen basieren, wie etwa Superheldenfranchises oder der ebenso äußerst erfolgreiche "Super Mario Bros Film", sind generell selten in den Hauptkategorien der Oscars oder Golden Globes zu finden. Es herrscht doch noch ein Widerstand gegen allzu kommerzialisierte Filme. Noch dazu ist Mattels "Barbie" eine Komödie, ein weiterer Dämpfer in der Logik der Academy, die sehr gerne Dramen und noch viel lieber Biopics ("Oppenheimer"!) auszeichnet.

Hat Greta Gerwig die Regie-Nominierung nicht verdient?

Durchaus! "Barbie" ist wunderbar inszeniert. Kurzweilig, mit Drama, Witz und Freude am herausfordernden Gegenstand. Gerwig orientierte sich an klassischen Hollywood-Musicals, arbeitete mit tollen Kulissen und hat sowohl die berührenden Szenen als auch die großskalierten Musicalszenen in der Hand. Die 40-jährige Gerwig hat außerdem mit "Ladybird" und "Little Women" bereits bewiesen, dass sie wie keine zweite Regisseurin leichte feministische Themen zum Kassenerfolg führen kann. Dafür hätte sie jedenfalls eine Nominierung in der Regie-Kategorie verdient gehabt.

Greta Gerwig’s Official Barbie Watchlist
Letterboxd

In der Hauptkategorie "Bester Film" ist "Barbie" aber (mit Robbie als Produzentin) vertreten. Auch damit schreibt Gerwig Geschichte, denn jede ihrer bis dato drei Regie-Arbeiten war dort nominiert – damit ist sie die erste Regieperson (nicht gegendert), der das gelungen ist.

Wie steht's generell um die Frauenquote?

Schließlich schaut das Oscar-Rennen, sehen wir mal vom Favoriten "Oppenheimer" ab, für Filme von Regisseurinnen und/oder mit interessanten Frauenfiguren heuer gar nicht schlecht aus. Neben Gerwig sind nämlich erstmals zwei andere Regisseurinnen in der Hauptkategorie nominiert: Celine Song mit dem Beziehungsdrama "Past Lives" und Justine Triet mit ihrem Gerichtshriller "Anatomie eines Falls". Triet darf sich auch über eine Regie- und Drehbuch-Nominierung freuen. Und schließlich ist da noch Yorgos Lanthimos' feministische Frankenstein-Parabel "Poor Things", bei der Emma Stone nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch koproduzierte.

America Ferrera's Iconic Barbie Speech | Barbie | Max
Max

Trotz alledem entbehrt die Nominierungen für Goslings‘ Ken nicht einer gewissen Ironie. Besteht doch die Gefahr, dass am Ende wieder ein Typ die Lorbeeren für die Arbeit von Frauen abräumen könnte. Ein Trostpflaster ist aber, dass auch America Ferrara für ihre Nebenrolle als feministische Gloria nominiert ist. Man darf gespannt sein, wie sich die Academy am 10. März entscheiden wird. (Valerie Dirk, 24.1.2024)