Die Frage, wie Österreich in Zukunft dastehen soll, wird von der heimischen Politik nicht beantwortet.
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Karl Nehammer nimmt den Kampf gegen Herbert Kickl auf. Das ist das Bild, das der Bundeskanzler und ÖVP-Chef von seiner Rede in Wels gerne gezeichnet hätte. Sein "Plan für Österreich" scheut dabei keinen Populismus: Steuern runter, kein Gendern mehr, Eigentum für (fast) alle, Härte in der Migration, ein Hoch auf den Nationalstaat. Und natürlich: Leistung muss sich lohnen!

Ein entscheidender Punkt freilich fehlt in dieser Erzählung. Die Antwort auf die Frage: Worauf soll die Leistung, zu der wir alle ermuntert werden sollen, denn einzahlen? Was ist das große Ziel? Wie soll Österreich in Zukunft dastehen, welches Land wollen wir sein? Die eine, positive Erzählung, die Mut macht – das große Bild über die nächste Legislaturperiode hinaus –, sie fehlt.

Behüten und Bewahren

Nehammer und die ÖVP setzen auf Behüten, Bewahren, darauf, die alte Ordnung nicht infrage zu stellen. Damit sollen jene angesprochen werden, die Ängste haben und sich nach Stabilität und Sicherheit sehnen. Wo aber bleiben die anderen, die sich nicht fürchten, sondern eine Perspektive brauchen? Wo finden sich die Jungen, deren Welt von morgen heute bereits auf Schienen gebracht werden sollte? Wohin steuert unsere Wirtschaft? Spricht irgendjemand im Detail über wirtschaftliche Perspektiven?

SPÖ und FPÖ wollen vor allem ins Kanzleramt. Das steht im Zentrum der einen wie der anderen Erzählung: Andreas Babler will der "Reformkanzler" werden, er wirbt für mehr Gerechtigkeit, vor allem für die "kleinen Leute".

Herbert Kickl will vor allem alle anderen Parteien und alle Andersdenkenden "jagen", "das System" sprengen und nennt sich schon jetzt "Volkskanzler". Als solcher würde er gerne wie Viktor Orbán herrschen, inhaltlich ist wenig bekannt.

Die Grünen setzen sich zwar für gutes Klima, gutes Leben und Aufschwung ein, aber auch hier fehlt ein positives Ziel, das alle verstehen. "Klimaneutralität" allein ist zu schwammig. Bei den Neos steht alles unter dem Motto "Freiheit" – auch das ist ein hehres Ziel, doch man vermisst Konkreteres. Die Menschen im Land wüssten gerne, "wohin beim Klimaschutz die Reise gehen soll", sagte kürzlich der Chef eines österreichischen Leitbetriebs in einem Hintergrundgespräch. Während Unternehmen etwa längst dabei sind, ihre Betriebe für den Einsatz alternativer Energien umzubauen, fehlen politische Perspektiven.

Tragfähige Stromnetze

Bis wann, zum Beispiel, werden die Stromnetze tragfähig ausgebaut? Kommen genügend Starkstromleitungen, durch die alternative Energien in den Mengen fließen können, wie sie etwa die Industrie braucht? Dagegen gibt es immer wieder Bürgerinitiativen und Petitionen – wird sich der Naturschutz oder der Klimaschutz durchsetzen? Für die Grünen ist das ein politisches Dilemma.

Die ÖVP sucht in Klimadingen ihr Glück im Retro-Schick: "Grüne Verbrenner" stehen im "Österreich-Plan", zudem will man auch die Straßen weiter ausbauen. Die SPÖ ist strukturkonservativ, Veränderungen sieht sie grundsätzlich skeptisch. Und die FPÖ will in Sachen Klimaschutz ohnehin das Rad zurückdrehen.

Wie Österreich in Zukunft aussehen soll, was uns auszeichnen wird und worin wir besonders gut werden – diese Gleise werden heute gelegt. Dafür braucht es Fantasie. Man sucht sie bis dato vergeblich in der heimischen Politik. (Petra Stuiber, 26.1.2024)