Der Wahlkampf hat in Österreich eine schlechte Nachred', und dieser Gedanke schwang auch beim Thema von "Im Zentrum" am Sonntagabend im ORF mit: Die Monate vor der Wahl sind die Zeit, in der politische Parteien viel versprechen, ohne sich um die Finanzierung kümmern zu müssen. Wahlkampf, das hat sich in der ORF-Diskussion dann gezeigt, ist vor allem die Zeit des lebhaften Austauschs politischer Ideen.

"Im Zentrum": Wer zahlt Österreich? Die Parteien im Steuerkampf!
ORF

Das Sendungsthema "Wer zahlt Österreich? Die Parteien im Steuerkampf!" hätte nämlich eine reichlich öde Stunde produzieren können, wären die geladenen Parteien noch in den gewohnten Regierung-gegen-Opposition-Allianzen verbündet gewesen. Da hätten ÖVP und Grüne noch hauptsächlich versucht, die erzielten oder in Arbeit befindlichen Kompromisse zu verkaufen, und SPÖ, FPÖ und Neos ihre Sendezeit damit verbracht, diese zu kritisieren. Diese Dynamik war am Sonntag nicht abgeschafft, aber abgemildert.

Schlagabtausch mit guter Länge

So landete die Debatte schnell im Für und Wider, was Ideen wie Mehrwertsteuersenkungen oder die Senkung der Lohnnebenkosten betrifft. Ein Schlagabtausch zwischen Philip Kucher (SPÖ) und Manfred Haimbuchner (FPÖ) zu Krankenkassen und Sonderpensionen dauerte etwa exakt lange genug, um unterhaltsam zu sein, aber nicht so lange, dass er genervt hätte. Sigrid Maurer (Grüne) plädierte so leidenschaftlich für Vermögens- und Erbschaftssteuern, wie es nur kurz vor einer Wahl Sinn ergibt (und nicht in der Mitte der Regierungsperiode, wenn man sie gegen den Koalitionspartner eh nicht durchsetzen kann).

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker hat sich im vergangenen Jahr als Volkspartei-Verteidiger etabliert – und selbst er hielt sich nicht ausschließlich damit auf, die türkis-grüne Regierungsarbeit zu verteidigen. Immerhin hatte er mit der Vorstellung des schwarzen Wahlprogramms durch seinen Parteichef frischen Stoff in die Debatte einzubringen.

Eingeschränkte Antwort

Und Stocker ist sogar schon geübt darin, geplante Einschnitte im Sozialbereich unter den Debattentisch fallen zu lassen: Auf die allgemeine Frage von Moderatorin Claudia Reiterer, ob es in diesem Bereich Kürzungen geben würde, antwortete Stocker nur eingeschränkt: "Es ist nicht daran gedacht, dass wir bei den Familienleistungen Kürzungen vornehmen wollen."

Sigrid Maurer, Christian Stocker, Claudia Reiterer, Philip Kucher, Manfred Haimbuchner und Beate Meinl-Reisinger bei
Sigrid Maurer, Christian Stocker, Philip Kucher, Manfred Haimbuchner und Beate Meinl-Reisinger diskutierten bei Claudia Reiterer.
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Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger gefiel der vorbereitete Dreischlag von "Föderalismus, Förderalismus und Fladeralismus" so gut, dass sie sich zwar einmal dafür entschuldigte, ihn aber später in der Diskussion noch einmal vortrug. Sie war es auch, die das wichtigste Wahlkampf-Accessoire mitgebracht hatte: ein Taferl.

"Da müssen Sie mich nicht so angehen"

Der blaue Landespolitiker Haimbuchner erwies sich in der Diskussion als Freund des Kapitals, als er begründete, warum die Freiheitlichen Vermögenssteuern ablehnen. Und er stieß sich sehr an Meinl-Reisingers Föderalismus-Polemik und entgegnete: "Bei einem echten Föderalismus, da würde Oberösterreich extrem gut dastehen." – "Wärts ihr bereit für eine Steuerautonomie der Länder?", erkundigte sich die Angegriffene dann. Auf Haimbuchners "Selbstverständlich!" replizierte sie nur trocken: "Na super. Da müssen Sie mich nicht so angehen."

Der Wahlkampf ist eröffnet, und man kann über ihn sagen, was man will: Zumindest macht er Fernsehdiskussionen unterhaltsamer. (Sebastian Fellner, 29.1.2024)