Stephan Greindl ist am Montagnachmittag ziemlich aufgelöst. "Das ist alles sehr unschön für meine Mitarbeiter und mich", erzählt der Gastronom aus Passau dem STANDARD am Telefon. Das Café Greindl in Passau ist eigentlich für Süßes aus der hauseigenen Konditorei bekannt. Am Montag brach im Internet aber Saures über das Café und seinen Wirt, der mehrere Lokale in Passau betreibt, herein.

Kaffeegenuss als Inszenierung: Sellner plant PR-Aktion in Passau.
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Der Grund: Der Rechtsextreme Martin Sellner, der in Deutschland verdeckt zur Fahndung ausgeschrieben wurde und gegen den die deutschen Behörden ein Einreiseverbot "aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit" prüfen, hatte angekündigt, in der deutschen Grenzstadt Kaffee und Kuchen einnehmen zu wollen.

PR-Aktion

Die Wahl Sellners fiel auf das Café Greindl. Eine PR-Aktion, wie sie für die Identitären, deren Kopf Sellner in Österreich lange war, typisch ist. Doch der Wirt hatte ihm zumindest bei der Lokalwahl einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ein kleiner Brauner mit Mehlspeise wird Sellner dort nicht serviert werden. Bei ihm sei er nicht erwünscht. "Wir haben heute aufgrund dieser Ankündigung geschlossen", sagt Greindl.

Seitdem geht das Internet über mit Verunglimpfungen und Hetze von Sellner-Fans gegen das Café. "Wir bekommen unschöne E-Mails, werden beschimpft, das Café wird diffamiert", erzählt der Cafetier. Offenbar seien jene, die auf Sellners Seite stehen, im Netz sehr aktiv, beobachtet er.

Demos nach Lehnitzsee-Treffen

Wie berichtet hatte Sellner bei einem rechtsextremen Geheimtreffen am Lehnitzsee bei Potsdam ein Referat über millionenfache Deportationen von Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Staatsbürgerschaft gehalten. Das Treffen wurde durch die Plattform "Correctiv" publik, seither demonstrierten über eineinhalb Millionen in Deutschland gegen AfD und Faschismus. Auch in Österreich gingen am Freitag mehrere zehntausende Menschen auf die Straße.

Ob der rechtsextreme Österreicher Sellner schon einmal in seinem Café zu Gast war, wisse Greindl nicht: "Bei mir laufen täglich hunderte Menschen durch, er schaut ja nicht so auffällig aus."

Der Bayerische Verfassungsschutz betonte auf die Frage des STANDARD, wie man mit der Ankündigung Sellners in Passau umgehe, dass er über "keine Exekutivbefugnisse" verfüge. Man sei aber "zum Sachverhalt im Austausch mit anderen Sicherheitsbehörden".

Bei seiner Einreise dürfte Sellner dann am Montagabend zunächst an der Grenze aufgegriffen worden sein – auf Telegram postete er ein Foto von sich aus einem Polizeiauto. Einem Livestream auf seinen Kanälen zufolge durfte er anschließend aber doch einreisen. Grund dafür sei Sellner zufolge, dass sein Ziel keine politische Aktion in Deutschland, sondern eben nur ein Kaffeehausbesuch gewesen sei.

Polizeihauptkommissar Jürgen Bockstedt erklärte der Mediengruppe Bayern, es wurde kontrolliert, ob bei Sellner eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliege. Die Entscheidung, ob er einreisen dürfe, lag bei der Bundespolizei in Potsdam. Bockstedt: "Wir haben die Gründe hinterfragt, warum er einreist, und wir haben keine Gründe gefunden, die darauf hindeuten, dass er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt – und deswegen darf er einreisen."

Vertreten wird Sellner von einem einschlägig bekannten Anwalt: dem Freiburger Politiker und Anwalt Dubravko Mandic, einem ehemaligen Mitglied der AfD. Mandic wurde 2021 rechtskräftig wegen der Nötigung einer Journalistin verurteilt. (Colette M. Schmidt, APA, 29.1.2024)