Nachdem rund eine Million Menschen bei Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Deutschland der AfD-Parole "Wir sind das Volk" ein "Wir sind ein bisschen mehr Volk" entgegenhielten, stellt sich die Frage, welche der dort erhobenen Forderungen erfüllbar sind.

Das dürfte vor allem bei dem auf Transparenten geäußerten Wunsch "Lasst uns aus der Geschichte lernen, statt sie zu wiederholen!" schwierig werden, zumal bezüglich des Lernens aus der Geschichte aufseiten der von den Demonstranten Kritisierten völlig andere Vorstellungen herrschen.

Ein eindrückliches Beispiel dafür lieferte vor zwei Wochen der Schriftsteller und AfD-Sympathisant Uwe Tellkamp. In einer Buchrezension auf der sich selbst als "liberal-konservativ" bezeichnenden Plattform "Tichys Einblick" geißelte er zunächst "die manches Kennzeichen von Hysterie aufweisende Erzählung der sogenannten Klimakatastrophe" sowie die "angeblich besonders dringliche, wissenschaftlich eindeutige und unaufschiebliche Angelegenheit der Klimarettung", um dann die um Klimarettung Bemühten mit einem atemberaubenden historischen Vergleich einzuordnen: "Der ‚Bund deutscher Mädel‘ hielt sich auch nicht für verblendet, wollte auch nur Gutes." Für alle, denen die Ähnlichkeit von Klimaaktivisten mit dem weiblichen Zweig der Hitlerjugend nicht sofort einleuchtet, hat der Autor gleich eine Erklärung parat: "Wie kann man das nur ernsthaft miteinander vergleichen?! Weil sich die Methoden und die Heilsversprechen so sehr ähneln."

Demo Protest Rechtsextremismus
Schilder bei einer Demonstration gegen rechts in Köln.
Foto: IMAGO/Christoph Hardt

Ziel des Bundes Deutscher Mädel war laut der dafür zuständigen Reichsreferentin, dass seine Mitglieder "unsere nationalsozialistische Weltanschauung später in ihren Familien als Frauen und Mütter leben und gestalten", um als "Hüterinnen der Reinheit des Blutes und des Volkes" das "Rassengewissen der Nation" zu sein.

Und während man noch grübelt, ob sich dieses "Heilsversprechen" wirklich als "nur Gutes" bezeichnen und mit dem Ziel der Klimarettung vergleichen lässt, verblüfft Tellkamp schon mit der nächsten historischen Expertise: Daniel Kehlmann würde in seinem neuen Roman Lichtspiel "Nazis so beschreiben, wie Nazis Juden beschrieben. Und keinem einzigen Kritiker, soweit mir bekannt, wurde es zum Problem, daß hier einer den ‚Stürmer‘ einfach umklappt, im Gegenteil lagen diese Kritiker kompaniemäßig auf dem Bauche."

Als begeisterter, aber offenbar unachtsamer Leser dieses Buches fühle ich mich ertappt. Tatsächlich lässt nicht nur die darin enthaltene Beschreibung von Joseph Goebbels Sympathie und Wertschätzung für den Porträtierten vermissen, auch ist bei sich aus kompaniemäßiger Bauchlage erhebender Rezensionsperspektive der Nazi-diskriminierende Grundton des Machwerks unüberhörbar. Tellkamps Vergleich gemahnt außerdem an den großen heimischen Denker H.-C. Strache, der schon vor zwölf Jahren erkannte: "Wir sind die neuen Juden!"

Die Antwort von Tellkamp und Co auf die Frage, was wir aus der Geschichte lernen sollen, statt sie zu wiederholen, lautet also: Schreibt netter über Massenmörder! Klappt nicht den Stürmer gegen seine Herausgeber um!

Und überhaupt: Wer klimahysterisch Wind sät, wird Stürmer ernten. (Florian Scheuba, 1.2.2024)