Täglich dringen neue Details zur größten Insolvenz der Zweiten Republik rund um den Signa-Konzern ans Tageslicht. Brisant: Laut Medienberichten sollen insgesamt rund 300 Millionen Euro an Rechtsträger im Umfeld von René Benko geflossen sein. Nach Aussage der Insolvenzverwalterin der Signa Development seien die Gelder für Immobilienprojekte verwendet worden.

Das Nachrichtenmagazin "Profil" berichtete in seiner Ausgabe vom 5. Februar dieses Jahres, dass derzeit Forensikteams von Deloitte die Geschäftsgebarung der Signa kurz vor Insolvenzveröffnung prüfen würden. Konkret sollen "Buchungen, Rechnungen, offene Forderungen und wirtschaftliche Verflechtungen" der Signa Holding durchforstet und Transaktionen im Zeitraum von zwölf Monaten vor der Insolvenz im Detail geprüft werden. Ein zeitnahes Ergebnis ist nicht zu erwarten.

Gericht, Hammer, Gesetz
Was passiert bei verdächtigen Zahlungsflüssen vor Insolvenzeröffnung?
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Die konkreten Zahlungsflüsse können mangels Sachverhaltskenntnis freilich weder kommentiert noch bewertet werden. In den diesem Blog Eintrag soll kurz erläutert werden, welche Straftatbestände bei Vermögensabflüssen in Betracht kommen und worauf es dabei ankommt. In einem weiteren Blog-Eintrag werden insolvenzrechtliche Rechtsbehelfe beleuchtet.

Strafrechtlicher Schutz von Gläubigerinteressen

Die Signa-Insolvenz ist weder die erste noch letzte die Insolvenz eines großen, österreichischen Konzerns. Ein Blick in die nähere Vergangenheit zeigt, dass solche Insolvenzen von Vorwürfen der betrügerischen Krida (§ 156 StGB) begleitet werden. Der in Österreich geläufige Begriff "Krida" wurde im liechtensteinischem StGB bis September 2020 noch mit "Konkurs" umschrieben. In Deutschland gibt es den enger ausgestalteten Bankrott-Tatbestand (§ 283 dStGB). Es geht also um die Herbeiführung eines Forderungsausfalls durch eine:n Schuldner:in – wobei trotz des Titels weder betrugsartiges Verhalten noch eine Insolvenz erforderlich ist, Letztere aber in die Beurteilung einfließt.

Anders ausgedrückt ist es beispielhaft strafbar, wenn ein Geschäftsführer die Befriedigung eines Gläubigers vereitelt, indem bewusst vorhandene Geldmittel ohne Gegenleistung an Dritte transferiert werden. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass in der Alpine-Insolvenz dieser Tatbestand von der WKStA bereits geprüft wurde.

Im Jahr 2021 gab es 198 Anzeigen und 129 Verurteilungen wegen betrügerischer Krida. Beispiele für mögliche betrügerische Krida sind etwa die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens (das in der Krise gewährt wurde), die Gewährung eines Darlehens an eine von vorneherein zahlungsunfähige Person, der Abschluss von ungünstigen Bestandsverträgen oder die Eigentumsübertragung ohne Gegenleistung. Aber auch Untreue, Veruntreuung, Scheckfälschung, Geldwäscherei und Bilanzfälschung sind brandaktuell, wie die Anklage zur Insolvenz der Commerzialbank Mattersburg zeigt. Die Untreue bleibt aufgrund der Relevanz und des Umfangs einem späteren Blog-Eintrag vorbehalten.

Dieser Blogeintrag fokusiert sich auf die betrügerische Krida. § 156 StGB lautet:

Wer einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite chafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (Anmerkung: Strafrahmen von ein bis zehn Jahre bei einem Schaden, der eine Summe von 300.000 Euro übersteigt).

Täter:innen sind Schuldner:innen, leitende Angestellte, aber auch De-facto-Geschäftsführer:innen. Natürlich können sich auch andere Personen strafbar machen, die dem Täter helfen. Es ist also strafrechtlich kritisch, wenn sich der:die Schuldner:in seines:ihres Vermögens ohne triftigen Grund entledigt. Der:die Schuldner:in darf das Vermögen weder wirklich noch zum Schein verringern. Steht der Vermögensminderung kein entsprechender Gegenwert gegenüber, könnte man ein strafrechtliches Problem haben. Unproblematisch ist aber die Begleichung einer zu Recht bestehenden Forderung oder bei einer entsprechenden Abgeltung. Wenn die Zahlung also vorher vereinbart wurde und eine werthaltige Leistung gegenübersteht, scheidet eine Strafbarkeit aus.

Das Strafrecht schützt im Fall des § 156 StGB die Gläubigerinteressen. Wenn die Vermögensverringerung zur Folge hat, dass ein Gläubiger leer ausgeht, wird es strafrechtlich interessant. Die erfolgreiche Rückzahlung von transferierten Geldern mag vor Zivilgerichten eingeklagt werden, verhindert aber nicht die strafrechtliche Verfolgung. Insolvenzverwalter:innen haben bei § 156 StGB aber auch so ein schweres Leben, denn – so zumindest der OGH – zivilrechtliche Ansprüche können im Strafverfahren nach § 156 StGB von Insolvenzverwalter:innen nicht geltend gemacht werden. Grundsätzlich kann jeder Geschädigte im Strafverfahren zivilrechtliche Ansprüche geltend machen, sofern er durch die anwendbare Strafnorm geschützt werden soll. § 156 StGB schützt Gläubiger, nicht aber die schuldende Gesellschaft.

Neben den oben angeführten Handlungen werden im Strafrecht immer die inneren Motive der Täter:innen beleuchtet (sogenannte subjektive oder innere Tatseite). Diese Motive sind für Außenstehende nicht sichtbar und daher auch in einem Strafverfahren regelmäßig Streitgegenstand (und zentrales Verteidigungsmittel). Der:die Täter:in muss innerlich die Verwirklichung der Tathandlung ernsthaft für möglich halten und sich mit den negativen Folgen abfinden. Sorglose Kridahandlungen werden von § 159 StGB erfasst, vorsätzliche Begünstigung eines Gläubigers nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit von § 158 StGB.

Keine Klärung in Bälde erwartbar

Die strafrechtliche Prüfung obliegt im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft beziehungsweise der WKStA, wenn der Schaden fünf Millionen Euro übersteigt. Aus den langjährigen Ermittlungsverfahren zur Alpine-Insolvenz kann man ohne weiteres darauf schließen, dass die Aufarbeitung des Sachverhalts und die strafrechtlichen Grabenkämpfe bei der Signa-Insolvenz sehr viel Zeit in Anspruch nehmen werden – mit ungewissem Ausgang. Es gilt die Unschuldsvermutung – auch dazu wird es noch einen Blog-Eintrag geben. (Bernhard Campara-Kopeinig, 22.2.2024)