Nun soll die lange angekündigte Verkürzung des Lehramtsstudiums also doch bald kommen. Auf den ersten Blick erscheint sie durchaus sinnvoll; sechs Jahre Regelstudienzeit sind eine lange Zeit, auch im internationalen Vergleich. Wichtig ist aber, zwischen dem Studium und einer zweiten Ausbildungsphase an den Schulen zu unterscheiden. Bis vor zehn Jahren studierten angehende Lehrerinnen und Lehrer der höheren Schule neun Semester, darauf folgte ein einjähriges Unterrichtspraktikum. Es gab also viel Zeit, sich mit den Gegenständen des Fachs vertraut zu machen, bevor der Weg in die Praxis systematisch unterstützt wurde.

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Wer Lehrerin oder Lehrer werden will, sollte für die Ausbildung auch genügend Zeit zur Verfügung gestellt bekommen.
Illustration: Fatih Aydogdu

Die "PädagogInnenbildung neu" sah dann ein vierjähriges Bachelor- und ein zweijähriges Masterstudium für die Sekundarstufe vor. Das Praktikumsjahr entfiel und wurde durch die qualitativ nicht vergleichbare Induktionsphase ersetzt. Zugleich wurde der Berufseinstieg während des Studiums, befeuert durch den Lehrkräftemangel, zunehmend zum Regelfall. Dies hat aber zur Folge, dass nun die Ausbildung de facto viel länger dauert, weil die Studierenden die Doppelbelastung von Berufspraxis und Studium fast nie in der vorgesehenen Zeit bewältigen. Der Masterabschluss, nach wie vor notwendig für eine Festanstellung, wird auf unbestimmte Zeit verschoben, das Studium dümpelt neben dem fordernden Beruf dahin. Schlimmer noch: Der verfrühte, unzureichend begleitete Berufseinstieg führt häufig zu chronischer Überlastung, Versagensängsten, sogar zu Burn-out und Depression.

Paradoxe Doppelbotschaft

Dass ein solches Ausbildungssystem überarbeitet werden muss, liegt auf der Hand. Was aber passiert aktuell? Das Bachelorstudium wird von vier auf drei Jahre verkürzt. Diese Zeit soll ausreichen, um junge Leute auf den höchst anspruchsvollen Lehrberuf vorzubereiten, und zwar in fachlicher, fachdidaktischer und pädagogischer Hinsicht. Der Schuleinstieg nach drei Jahren ist bildungspolitisch ausdrücklich vorgesehen und erwünscht. Berufsbegleitend, so heißt es, soll dann der zweijährige Masterstudiengang anschließen.

Dass aber die Studierenden einerseits nach drei Jahren in die Schulen geschickt werden, man ihnen andererseits aber noch zwei Jahre Ausbildung abverlangt, läuft auf eine paradoxe Doppelbotschaft hinaus: "Ihr könnt es eh schon, fangt gerne einmal an; aber ihr könnt es eigentlich noch nicht, also studiert bitte noch ein wenig." Was soll eine angehende Lehrperson damit anfangen? Sie wird den Schluss ziehen: "Man verheizt mich als billige Lehrkraft, an meiner Schule bin ich prekär beschäftigt, und das Masterstudium muss ich nebenher noch schultern. Nur: Was wollen die mir an Uni und Pädagogischen Hochschulen jetzt eigentlich noch beibringen?"

Halbe Lehrverpflichtung

Kennzeichnend für diesen Schlingerkurs sind die Äußerungen, die derzeit aus der Bildungspolitik zu hören sind. Während noch der Kahlschlag als wegweisende Reform verkauft wird, heißt es, man wolle die jungen Lehrkräfte "schützen". Etwa, indem diese nur maximal mit halber Lehrverpflichtung unterrichten sollen – aber für Berufseinsteiger ist das sehr viel! Und soll eine unzureichend ausgebildete Ärztin zunächst nur halb so viele Operationen durchführen? Oder indem sie zunächst nicht "fachfremd" unterrichten. Ist das später kein Problem mehr? Und ist nach so kurzem Studium nicht jeder Unterricht irgendwie fachfremd?

Entlarvend ist hier eine Äußerung von Bildungsminister Martin Polaschek. "Ein kürzerer Bachelor", so wurde er im STANDARD zitiert, "sei auch deshalb sinnvoll, weil Lehrkräfte, die schon früh ins Unterrichten einsteigen wollen, dann immerhin bereits diesen Abschluss in der Tasche hätten". Das ist nicht weniger als eine Absage an die Qualitätssicherung. Wann dürfen junge Leute unterrichten? Wenn eine Universität ihnen die diesbezüglichen Fähigkeiten und Kenntnisse attestiert? Nein: wenn sie "ins Unterrichten einsteigen wollen". Wollen sie früh einsteigen – aber, Herr Minister, legen Sie doch bitte die Karten auf den Tisch, sie sollen früh einsteigen, es herrscht ja Lehrermangel! –, wird eben das Studium für sie verkürzt.

Anspruchsvolle Gegenstände

Dadurch werden aber die bestehenden Probleme um einen zu frühen, unbegleiteten Berufsbeginn und die damit einhergehende Überforderung nicht gelöst, sie werden sogar noch verschärft. Was wir für eine sinnvolle Reform des Lehramtsstudiums fordern, ist vor allem ausreichend Zeit für die Studierenden, sich mit den anspruchsvollen Gegenständen ihrer Fächer und den damit verbundenen didaktisch-pädagogischen Herausforderungen vertraut zu machen. Das geht nicht im Schnelldurchgang und schon gar nicht unter dem Druck einer zu früh aufgenommenen und daher toxischen Schulpraxis, die auch nicht durch bloße Rhetorik zu einem sinnvollen Ausbildungsbestandteil wird. Unterrichtspraxis systematisch zu beforschen und professionell zu begleiten benötigt hingegen Zeit und Ressourcen an den Unis und den Pädagogischen Hochschulen. Wir fordern daher dringend, die zur Entscheidung anstehende Reform grundlegend zu überdenken – im Interesse der angehenden Lehrerinnen und Lehrer und vor allem zugunsten der kommenden Generationen von Schülerinnen und Schülern in Österreich. (Johannes Odendahl, Hildegard Kernmayer, Werner Michler, Luca Melchior, Stefan Krammer, 4.2.2024)