Wie kann man Asylwerbende human und fair behandeln, ohne sie dazu zu verleiten, gerade in diesem Land Schutz zu suchen? Mit dieser Frage plagen sich alle europäischen Staaten – und finden keine befriedigenden Antworten. Denn das Faktum ist, dass die Mehrheit der Anträge von Menschen kommt, die wenig Chance auf Asyl haben und einfach ein besseres Leben suchen. Sie streben vor allem in Länder, in denen sie Landsleute und bezahlte Arbeit finden. Aber auch Sozialleistungen wirken anziehend. Werden diese in einem Staat reduziert, wie es vor allem rechte und konservative Parteien fordern, entscheiden sich manche für andere Fluchtorte – die dann unter Druck stehen, im Wettrennen nach unten mitzumachen. Doch dieser Prozess bringt Schikanen und Entbehrungen für legitime Flüchtlinge und verletzt allzu leicht deren Menschenwürde.

In Deutschland findet dieser Verdrängungswettbewerb unter den Bundesländern statt, die nun richtigerweise eine einheitliche Vorgangsweise suchen. Die Einführung einer Bezahlkarte, mit der kein oder kaum Bargeld abgehoben werden kann, wird damit begründet, dass Asylwerbende kein Geld an die Familie in ihrer Heimat schicken oder Schulden an Schlepper abstottern sollen. Aber viel eher geht es darum, Deutschland als Destination für irreguläre Migranten weniger attraktiv zu machen.

Wenn der große Nachbar diesen Weg geht, ist es nicht überraschend, dass die ÖVP das Gleiche fordert. Man will nicht das Land sein, das Ankömmlingen am meisten bietet.

Wegweiser mit Bezahlkarte und Asylbewerber
Die ÖVP plant auch für Österreich eine Bezahlkarte für Asylwerber und Asylwerberinnen.
IMAGO/Sascha Steinach

Nun ist es jedenfalls sinnvoll, wenn die je nach Bundesland unterschiedlichen Asylleistungen vereinheitlicht werden, was Innenminister Gerhard Karner auch anstrebt. Es gibt keinen Grund, Syrerinnen und Syrer in Linz anders zu behandeln als in Wien.

Recht auf Bargeld

Aber das spricht noch nicht für einen Wechsel von Barzahlungen zu Bezahlkarten. Die Geldbeträge, die Asylwerber erhalten, sind gering und reichen weder für Luxuseinkäufe noch für große Auslandstransfers. Dafür eignet sich Schwarzarbeit oder Kleinkriminalität viel mehr. Ob ein Kartensystem Mehraufwand und -kosten verursacht, wie Kritiker warnen, oder sogar günstiger wäre, wie die Befürworter behaupten, bleibt offen. Aber einer Sache sollten sich alle bewusst sein: Der Zweck dieser Maßnahme ist, dass Flüchtlinge durch Schikanen abgeschreckt und anderswo hingelenkt werden.

In einem Wahljahr, in dem eine Partei mit Polemik gegen Migranten zur Nummer eins zu werden droht, lässt sich ein solches Vorhaben politisch rechtfertigen. Österreich und die EU benötigen eine vernünftige Asylpolitik, die Missbrauch vermeidet und hilft, dass nur die wirklich Schutzbedürftigen aufgenommen werden. Dafür kann jeder Aspekt des derzeit dysfunktionalen Systems diskutiert werden.

Dennoch sollte sich die ÖVP überlegen, ob sie das Recht auf Bargeld, das sie sonst zu einem Grundrecht erklärt, einer besonders vulnerablen Gruppe verwehren will. Nicht alle Läden werden die Karten akzeptieren, und im Alltag würden Asylwerbern die Münzen und kleinen Scheine, die sie jetzt in der Tasche haben, schmerzhaft fehlen. Doch für die Erwartung, dass deshalb ihre Zahl zurückgehen wird, gibt es keinen Beleg. Bargeldschranken, das weiß wohl auch die ÖVP, sind vor allem eine Politik des Scheins. (Eric Frey, 2.2.2024)