Digitalisierung, Währung, Euro
Der digitale Euro schließt eine Lücke zwischen Kryptogeld und Bargeld, ersetzt Letzteres aber nicht.
Illustration: Getty Images / Sean Gladwell

Bargeld wird weder durch Bargeldobergrenzen noch durch die Verbreitung von Krypto und den digitalen Euro abgeschafft oder überflüssig. So sieht die neue, EU-weite Bargeldobergrenze letztlich ein Limit von 10.000 Euro für Zahlungen in bar zwischen Konsumentinnen, Konsumenten und Unternehmen oder Unternehmen untereinander vor. Geschäfte zwischen Privatpersonen sind davon nicht betroffen. Sorgen über eine Einschränkung oder Überwachung von Bargeldzahlungen im Alltag sind damit unbegründet, die eigentlichen Probleme liegen ohnehin in der Bargeldversorgung in ländlichen Regionen.

Für Krypto-Assets gilt Ähnliches: Anbieter von Kryptowährungen, meist Online-Broker und Kryptobörsen, müssen ihre Kundinnen und Kunden umfassender kontrollieren. Bei Banken ist dies schon längst der Fall und sinnvoll. Das schützt nicht nur Konsumentinnen und Konsumenten, sondern beugt auch möglichen Instabilitäten im Finanzsystem vor.

Auch Scheindebatten

Im Vergleich zu Krypto hat Bargeld ein Imageproblem: Bargeld ist uncool. Antiquiert wirkt es, zwar solide und zuverlässig, aber eigentlich überholt. In Österreich macht man sich gern darüber lustig, gleichzeitig zeigt man sich sehr besorgt und führt Scheindebatten über seine Abschaffung. Andernorts wird sogar von einem "war on cash" gesprochen, betrieben durch gezielte Kampagnen von Großbanken, die ein finanzielles Interesse an Bargeldabschaffung haben. Weltweit gibt es eine abnehmende Tendenz im Bargeldgebrauch gegenüber digitalen Zahlungen, die sich in der Pandemie verstärkt hat. In einigen Ländern ist die Bargeldzahlung(smöglichkeit) schon zur absoluten Ausnahme geworden. In Österreich zum Glück nicht.

Bargeld ist der einzige Zugang zu öffentlichem Geld (also Zentralbankgeld), den Bürgerinnen und Bürger haben. Alle anderen Gelder, damit sind vor allem Bankguthaben gemeint, sind privat. Bankguthaben werden nur durch die wiederum staatliche Einlagensicherung indirekt in Geld umtauschbar, indem das private Ausfallrisiko eliminiert wird. Alles auf dem Girokonto, was über die Einlagensicherung hinausgeht, ist nämlich Kreditgeld. Ein Kredit, den Bürgerinnen und Bürger der Bank geben, wenn sie dort ein Konto eröffnen, und der über die Einlagensicherung hinaus nicht versichert ist, sollte die Bank pleitegehen. Man merkt, irgendwie ist es doch die öffentliche Natur als einziges gesetzliches Zahlungsmittel, die dem Euro seine uncoole Erhabenheit verleiht.

Goldenes Geschäft

Noch dazu haben Banken ihre Lizenzen vom Staat, was bedeutet, dass auch sie einen öffentlichen Sanktus benötigen, bevor sie überhaupt diesem goldenen Geschäft – der Kreditvergabe – nachgehen dürfen. Sie unterliegen in Folge auch der öffentlichen Aufsicht. Angesichts dieser öffentlichen Grundlage für die meisten Formen von tatsächlich verwendbarem Geld gibt es aus demokratiepolitischer Perspektive zwei nicht unerhebliche Probleme mit der leisen Dezimierung von Bargeld durch Mangelversorgung, die Reduktion von Bargeldreserven, Bargeldobergrenzen oder dem digitalen Euro, den die Europäische Zentralbank als elektronisches Zahlungsmittel einführen will.

Der erste Grund ist finanzielle Inklusion. So haben nicht alle Menschen ein Bankkonto, sie sind im Alltag auf Bargeld angewiesen. Dazu zählen beispielsweise Obdachlose, Hausfrauen, Kinder oder Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Zusätzlich kann man mit Bargeld immer und überall zahlen. Man braucht weder Internetverbindung noch Strom oder irgendeine Form von Infrastruktur.

Heldinnen des Datenschutzes

Der zweite ist Datenschutz. Ein Banktransfer zwischen zwei Parteien involviert eben immer mindestens noch eine dritte Partei: die Bank. Diese kann einsehen, wer wohin wie viel überweist, und erfasst diese Daten. Das mag nicht weiter besorgniserregend sein, sofern man sich nicht für zivile Rechte und Privatsphäre einsetzt und dieser Einsatz illegalisiert wird.

Heute erfüllt Bargeld – und nur Bargeld – genau diese großartigen Funktionen: Es hinterlässt keinerlei Spuren und ist dadurch nicht rückverfolgbar. Die monetären Heldinnen des Datenschutzes, Münzen, sogar noch weniger als Scheine, denn sie haben nicht einmal eine Kennziffer.

Einzigartige Chance

Was bedeutet das nun für den digitalen Euro? Ein Grundrecht und Demokratie respektierendes digitales Bargeldsystem ist Hardware-basiert, muss offline funktionieren sowie für Leute ohne schnelles Internet oder überhaupt Bankkonto. Kurz: Lo-Fi statt Hi-Fi. Digitales Geld bietet eine einzigartige Gelegenheit, unser Geldsystem im digitalen Zeitalter zum Besseren zu verändern. Seit der Erfindung von Münzen ist Geld ein Instrument der öffentlichen Verwaltung und des Rechts, das durch demokratische Prozesse geschaffen wurde. Da die digitale Revolution diese Prämisse gefährdet, kann nur ein schlau gestalteter digitaler Euro als Bargeldergänzung diesen demokratischen Charakter von Geld bewahren.

Klar ist: Die Lücke zwischen der ästhetischen Coolness und politischen Rückständigkeit von Krypto und der ästhetischen Rückständigkeit und politischen Coolness von Bargeld kann nur durch digitales Bargeld abgedeckt werden. Zentralbanken verfügen über wenig bis kein Personal mit Expertise in den Bereichen Grundrechte, Einzelhandel, Privatsphäre oder Überwachungsprävention. Für die wichtigsten Kernfragen, die die Gestaltung einer digitalen öffentlichen Währung mit sich bringt, scheinen sie dadurch nicht gut vorbereitet zu sein. Umso erfrischender ist es, dass vorläufige Pläne zum digitalen Euro den Eindruck erwecken, als wäre hier etwas gelungen: die digitale Replikation des existierenden Bargeldsystems mit anonymitätswahrenden Eigenschaften. (Lea Steininger, Christian Berger, 7.2.2024)