Boris Nadeschdin will Russlands Präsident Wladimir Putin herausfordern.
Boris Nadeschdin will Russlands Präsidenten Wladimir Putin herausfordern.
REUTERS/MAXIM SHEMETOV

Moskau / Kiew / London / San Francisco / Rom / Taipeh – In Moskau ist seit Donnerstag offiziell, was am Mittwoch bereits berichtet worden war: Der Oppositionelle Boris Nadeschdin darf nicht bei den Präsidentschaftswahlen gegen Wladimir Putin antreten. Das teilte die zentrale Wahlbehörde mit. Grund dafür seien fehlerhafte Unterschriftenlisten, die Nadeschdin zur Kandidatur eingereicht habe. Der Liberale Nadeschdin kündigte an, die Entscheidung vor dem russischen Höchstgericht anfechten zu wollen.

Video: Putin-Gegner Nadeschdin: Kandidatur für Präsidentschaftswahl abgewiesen
AFP

In seinem Wahlprogramm hatte Nadeschdin erklärt, gegen Putin antreten zu wollen, da dieser "Russland aus der Vergangenheit" sehe. Den Krieg in der Ukraine halte er für "einen fatalen Fehler", Russland laufe Gefahr, zum "Vasallen Chinas" zu werden.

Unterstützer hatten sich für Nadeschdin, der für die Partei Bürgerinitiative antreten wollte, im Jänner lange angestellt, um ihre Unterschriften für ihn als Kandidaten bei der Wahl von 15. bis 17. März abzugeben. Dabei kamen deutlich mehr als die geforderten 100.000 Unterschriften zusammen. Aus einer Stichprobe von 60.000 Unterschriften wurden laut Wahlkommission 9.147 für ungültig erklärt. Das waren rund 15 Prozent bei einem zulässigen Maximalwert von fünf Prozent.

Menschen waren wie hier in St. Petersburg in langen Schlangen angestanden, um ihre Unterstützungserklärung für Nadeschdin abzugeben.
Menschen waren wie hier in Sankt Petersburg in langen Schlangen angestanden, um ihre Unterstützungserklärung für Nadeschdin abzugeben.
AP/Dmitri Lovetsky

Wieder nächtliche russische Angriffe

Bei erneuten nächtlichen Angriffen Russlands auf die Ukraine gab es mindestens einen Toten, mehrere Menschen wurden verletzt. "In der Nacht haben die Russen Selydowe beschossen, einen Menschen getötet und sieben weitere verletzt", schrieb der ukrainische Gouverneur der umkämpften Region Donezk, Wadym Filaschkin, am Donnerstag in seinem Blog beim Nachrichtendienst Telegram. Bei der Attacke seien 53 Hochhäuser, zehn private Wohnhäuser und 24 Fahrzeuge beschädigt worden.

Verletzte gab es auch in der Region Odessa. Dort sollen zwei Polizisten durch einen Drohnentreffer zu Schaden gekommen sein. Die Männer seien nach dem Einschlag einer Drohne auf dem Weg zum Einsatzort gewesen, als sie durch eine zweite Drohne getroffen wurden, berichtete das Internetportal "Ukrajinska Prawda". In der Stadt seien zwei noch im Bau befindliche Objekte beschädigt worden, ein Wohnhaus und ein College-Gebäude.

Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe konnten insgesamt elf von 17 russischen Kampfdrohnen abgefangen werden. Trotzdem wurden auch aus den Regionen Mykolajiw im Süden und Winnyzja im eher zentralen Teil des Landes Einschläge und Schäden gemeldet: In Mykolajiw wurden Wohnhäuser, ein Industrieobjekt und eine Sportanlage getroffen. In Winnyzja sollen die Trümmer einer abgeschossenen Drohne ein Feuer in einem Infrastrukturobjekt ausgelöst haben. Die Feuerwehr hat nach Behördenangaben die Flammen inzwischen weitgehend gelöscht.

Kraftwerk Saporischschja für IAEA-Chef "stabil"

Der Chef der internationalen Atomaufsichtsbehörde IAEA, Rafael Grossi, begrüßt den Rückgang der Kampfhandlungen um das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja. "Die physische Integrität der Anlage ist relativ stabil", sagt Grossi nach einem neuerlichen Besuch der Anlage im Süden der Ukraine in einem auf der IAEA-Website veröffentlichten Video. "Es gab weniger direkte Angriffe oder Beschuss in der Umgebung der Anlage, was eine positive Entwicklung ist, auch wenn wir dies mit großer Vorsicht betrachten", meinte der IAEA-Chef. Er habe bei seinem Besuch des Atomkraftwerks am Mittwoch auch die für die Kühlung wichtigen neu gebohrten Brunnen inspiziert und über die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal gesprochen. Grossi wurde bei seinem Besuch von russischen Soldaten begleitet.

Russische Truppen haben das AKW mit sechs 1.000-Megawatt-Reaktoren Anfang März 2022 besetzt. Die Weltöffentlichkeit war alarmiert, weil die Anlage auch danach immer wieder beschossen wurde. Die russische und die ukrainische Seite machten sich dafür gegenseitig verantwortlich. Seit September 2022 sind ständig Beobachter der IAEA in dem abgeschalteten Werk, sie haben aber nach eigenen Angaben nicht überall Zugang.

Putin-Interview soll um Mitternacht veröffentlicht werden

Ein Interview des umstrittenen rechten US-Moderators Tucker Carlson mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin soll in der Nacht auf Freitag veröffentlicht werden. Der frühere Starmoderator des konservativen US-Nachrichtensenders Fox News kündigte am Mittwoch auf der Onlineplattform Instagram an, dass die Aufzeichnung um 18 Uhr US-Ostküstenzeit – das ist Freitag 00.00 MEZ – auf seiner Website gezeigt werde. Es ist das erste Interview Putins mit einem westlichen Journalisten seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor bald zwei Jahren.

Italienisches Parlament macht Weg für Hilfen frei

In Italien hat nach dem Senat auch die Abgeordnetenkammer mit großer Mehrheit den Weg für weitere umfangreiche Militärhilfen für die Ukraine freigemacht. In der Parlamentskammer in Rom stimmten am Donnerstag 218 Abgeordnete für einen Erlass, der es der rechten Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni grundsätzlich erlaubt, der Regierung in Kiew weitere militärische Güter und Ausrüstung für den Krieg gegen Russland zu überlassen. 42 stimmten dagegen.

Italien gehört auch unter der seit Oktober 2022 regierenden Dreierkoalition der ultrarechten Regierungschefin Meloni innerhalb von EU und Nato zu den zuverlässigen Unterstützern der Ukraine. Auch die Abgeordneten der mitregierenden rechten Lega von Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini stimmten für den Erlass.

Großbritannien verlängert zollfreien Handel mit Ukraine

Großbritannien wird unterdessen den zollfreien Handel mit der Ukraine für fast alle Waren bis 2029 verlängern. Dies teilt das britische Wirtschafts- und Handelsministerium mit. "Dieses Abkommen stellt eine dringend benötigte langfristige wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine, ihre Unternehmen und ihre Bevölkerung dar, die für die Erholung des Landes von entscheidender Bedeutung ist", sagte der stellvertretende Handelsminister Greg Hands. Großbritannien hatte die Zölle auf seinen gesamten Handel mit der Ukraine nach dem Beginn des Kriegs mit Russland vor zwei Jahren abgeschafft. Die Vereinbarung sollte ursprünglich im März 2024 auslaufen.

Taiwanesische Hightech-Technologie trotz Sanktionen nach Russland gelangt

Nach Berichten über Lieferungen taiwanesischer Spitzentechnologie an Russland trotz bestehender Sanktionen wegen des Ukrainekriegs hat die Regierung in Taipeh weitere Produkte auf eine Verbotsliste gesetzt. 77 weitere Güter seien dem Katalog der für Russland und Belarus verbotenen Werkzeugmaschinen beigefügt worden, teilte das Außenministerium am Donnerstag mit. Zahlreiche Staaten haben gegen Moskau Exportbeschränkungen wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängt.

2023 ordnete Taiwan bereits Beschränkungen für eine Vielzahl anderer Maschinen an. Die Fräs-, Dreh- und Schleifmaschinen, die Präzisionsarbeiten an unterschiedlichen Materialien durchführen können, hätten Nutzen für militärische und kommerzielle Zwecke, sagte Wirtschaftsministerin Wang Mei-hua. Wichtig für die Exportkontrollen, die am 8. März in Kraft treten sollen, sei gewesen, dass man gesehen habe, dass die Geräte nach Russland geliefert worden seien.

Zuvor hatten mehrere Medien berichtet, dass taiwanesische Werkzeugmaschinen die Produkte deutscher, japanischer und schweizerischer Hersteller nach deren Verlassen des russischen Markts mit Kriegsbeginn ersetzt hätten. Taiwan lieferte die Waren demnach nicht direkt nach Russland. Diese gelangten stattdessen über Händler in der Türkei oder in China, Moskaus wichtigstem Verbündeten, dorthin. (APA, red, 8.2.2024)