Babyelefant
Afrikanische Elefanten können sogar Lkw-Geräusche nachmachen.
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Dass wir Menschen Meister der Sprache sind, ist unbestritten: Kein anderes Lebewesen fügt seine Lautäußerungen zu so komplexen Strukturen zusammen wie wir. Dabei ist uns nur die Gabe zu sprechen angeboren, der Rest muss im Laufe des Lebens erlernt werden. Im Tierreich hingegen ist die Fähigkeit, Laute von anderen nachzuahmen oder bekannte Laute entsprechend abzuändern, äußerst selten. Denn die meisten Tiere kommen mit einem fixen Repertoire von Lauten auf die Welt, die sich im Laufe ihres Lebens so gut wie nicht mehr ändern.

Während vokales Lernen und sogar ein korrekter Satzbau bei Vögeln gut dokumentiert sind, sind es bei den Säugern außer dem Menschen nur wenige Gruppen, die nachweislich dazu in der Lage sind. Erstaunlicherweise gehören Affen nicht dazu, obwohl sie, wie man heute weiß, anatomisch dazu in der Lage wären. Viele Wale hingegen produzieren nicht nur komplexe eigene Gesänge, sondern übernehmen auch die von anderen Individuen. Delfine, die ebenfalls zu den Walen gehören, entwickeln ein individuelles Pfeifsignal, das praktisch einem Namen entspricht und von Artgenossen auch so benutzt wird.

Der sprechende Seehund

Eher überraschend ist die Lernfähigkeit bei Fledermäusen: Bei der in Zentral- und Südamerika beheimateten Großen Sackflügelfledermaus (Saccopteryx bilineata) lernen Jungtiere beiderlei Geschlechts den sehr variablen Territorialgesang der Männchen durch Nachahmung. Dabei brabbeln sie am Anfang ähnlich wie Menschenkinder, die sprechen lernen. Apropos Menschen: Seehunde sind bei entsprechendem Training imstande, unter anderem menschliche Laute nachzuahmen. Berühmt wurde in diesem Zusammenhang der handaufgezogene Bostoner Seehund Hoover (1971–1985), der sogar ganze Sätze, noch dazu im neuenglischen Akzent seines Betreuers, von sich gab, wie auch das folgende Video zeigt:

Hoover, The Worlds First Talking Seal (1984)

Schlagzeilen machte vor etwa zehn Jahren auch der Asiatische Elefant Koshik, der in einem südkoreanischen Zoo aufwuchs und imstande war, fünf koreanische Worte so genau zu imitieren, dass sie verständlich waren. Calimero, ein Afrikanischer Elefant, der unter Asiatischen Elefanten aufwuchs, imitierte deren hochfrequente Rufe, die nicht zu seinem arteigenen Lautinventar gehören, und die Afrikanische Elefantin Mlaika machte das Geräusch von Lastwagen nach, die an ihrem Gehege in Kenia vorbeifuhren.

Diese Beispiele belegen zwar deutlich, dass Elefanten prinzipiell imstande sind, artfremde Geräusche zu imitieren, stammen aber alle von Tieren in menschlicher Obhut. Welche Rolle die sprachlichen Fähigkeiten der Elefanten in freier Natur spielen, erforscht Angela Stöger-Horwath vom Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften seit rund zwanzig Jahren. Wie sich dabei herausgestellt hat, geben die Tiere eine Vielzahl von Lauten von sich. Unter anderem verständigen sie sich durch sogenannte Rumbles, also Rufe im Infraschallbereich, die kilometerweit zu hören sind und Informationen zur Identität des Senders transportieren.

Elephant Speaks Korean
LiveScience

Elefantensprache mit KI entschlüsseln

Nun will Stöger-Horwath die Elefantensprache mit künstlicher Intelligenz weiter entschlüsseln: In einem vom Wiener Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt sollen neben allen bisherigen Erkenntnissen zum Thema auch die mehr als 10.000 Laute der Dickhäuter, die die Biologen bisher gesammelt haben, von einer KI durchforstet werden. Die Idee ist, Muster zu finden, auf Basis derer Modelle erstellt werden können, die es im Idealfall ermöglichen könnten, mit den Elefanten zu kommunizieren.

"Das klingt noch ein bisschen Doctor-Dolittle-artig", gibt Stöger-Horwath zu, aber wenn es klappt, könnten Elefanten in Zukunft zum Beispiel vor Gebieten gewarnt werden, in denen sie mit Menschen in Konflikt geraten könnten. Auch die oft schwierige Integration neuer Tiere in bestehende Gruppen in Zoos oder Reservaten könnte mithilfe der KI-Ergebnisse einfacher werden. Bis es so weit ist, kann man sich schon Stöger-Horwaths Buch "Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten" zu Gemüte führen, das 2022 als Wissenschaftsbuch des Jahres ausgezeichnet wurde. Die von einer Fachjury getroffene Wahl wird alljährlich vom Wissenschaftsministerium initiiert.

Was die bereits angesprochene Gruppe der Vögel betrifft, mag es verwundern, dass das Erlernen von Lautkombinationen bei ihnen weit weniger verbreitet ist, als man vermuten könnte. Dass Papageien hervorragende Imitatoren von Geräuschen und eben auch menschlicher Sprache sind, ist bekannt. Neben der Gruppe der Papageien ist die unter dem Fachbegriff Vocal Production Learning (VPL) bekannte Fähigkeit sonst aber nur bei Kolibris und Singvögeln nachgewiesen. Letztere können ihren arteigenen Gesang dafür aber nicht nur durch Nachahmung lernen, sondern können dabei sogar von ihren Eltern unterrichtet werden.

Sprachunterricht bei Vögeln

So konnte ein internationales Team um Sonia Kleindorfer vom Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien zuletzt zeigen, dass Vogelmütter bereits ihren Embryonen in den Eiern Laute vormachen, die diese nach dem Schlupf als Bettelruf imitieren. Bei der in Australien lebenden Singvogelfamilie der Staffelschwänze geben die Weibchen ab dem zehnten Tag der 15-tägigen Bebrütung im Nest immer wieder bestimmte Lautfolgen von sich, die neben einer Einleitung auch einen individuellen Signalton, den sogenannten B-Ton, enthalten.

Prachtstaffelschwanz
Der Prachtstaffelschwanz ist besonders versiert beim Sprachenlernen, er unterrichtet den Nachwuchs sogar.
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Wie die Forschenden um Kleindorfer herausfanden, glich der Bettelruf der Jungen nach dem Schlupf dem B-Ton des Weibchens, das ihnen während der Brut vorgesungen hatte – und zwar auch dann, wenn die Forschenden die Eier umgelagert hatten und es sich demnach nicht um die genetische Mutter handelte. Außerdem stellten sie fest, dass die Jungen von Weibchen, die den B-Teil langsamer vortrugen, besser imstande waren, ihn zu reproduzieren, als die eiligerer Mütter.

Für die Jungen zahlt sich das Lernen aus: Je ähnlicher ihr Ruf denen der Eltern ist, desto eher werden sie gefüttert. Das Rufen im Nest stellt aber auch eine Gefahr dar, weil es Fressfeinde auf die Brut aufmerksam machen kann. Möglicherweise hat es sich entwickelt, um artfremde Junge kaltzustellen: Wie Kleindorfer schon früher zeigen konnte, singen Mütter den Embryos eher vor, wenn es viele Kuckucke in ihrer Umgebung gibt, die bekanntlich ihre Eier gerne fremden Eltern unterschieben. (Susanne Strnadl, 9.2.2024)