Patrick Macnee und Diana Rigg in der Kultserie
Patrick Macnee und Diana Rigg in der Kultserie "Mit Schirm, Charme und Melone".
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An Mit Schirm, Charme und Melone hege ich liebevolle Erinnerungen an meine Kindheit. Es war in den 1980ern, als John Steed und Emma Peel sich in die Wohnzimmer der Familien wagten, natürlich abends. Um welche Uhrzeit genau, weiß ich nicht mehr, jedenfalls so spät, dass ich es nicht mehr sehen durfte.

Nicht alle Kinder im Dorf waren einem solch strengen Schlafensregiment ausgesetzt. Es gab auch solche, die länger aufbleiben und die Serie schauen durften. Sie hielten sich für etwas Besonderes und schmückten ihren visuellen Vorsprung aufs Blumigste aus. Mein Neid war grenzenlos. Der Jugendschutz fing bei uns daheim zwar nicht beim Seniorenclub an, viel später war es aber nicht.

Was mich an den Erzählungen von Mit Schirm, Charme und Melone faszinierte, war die Hauptdarstellerin, die als aktive Spezialagentin mit gezielten Karatehieben ihre Gegner k. o. schlug und unmittelbar danach aus dem von ihrem Kumpel Steed servierten Champagnerglas schlürfte, dazu irgendeinen coolen Spruch. Ich wollte, nein, musste das sehen.

Fernsehen war damals unfassbar. Man konnte Sendungen tatsächlich nur zu einer bestimmten Zeit sehen – aus heutiger Sicht unglaublich! Eine erste Befreiung vom Programmdiktat brachte der Videorekorder. Man nahm Filme auf ziegelsteingroßen Kassetten auf und gewöhnte sich daran, den Schluss von Filmen nicht zu sehen, weil man sich beim Geheimcode VPS wieder einmal bei der Aufnahmezeit geirrt hatte.

Wir hatten natürlich so ein Wundergerät nicht. Im Dorf gab es aber eine wohlhabende Familie, samt Kind und Videorekorder. Der bis dato relativ unauffällige Spielkamerad war augenblicklich der Star unserer kleinen Gang. Das gefiel ihm, und so durften wir zu ihm und schauen.

Wir versammelten uns in seinem Wohnzimmer. Er erklärte uns das System, das wir sowieso nicht verstanden, aber so kam ich erstmals in Kontakt mit John Steed und Emma Peel und Mit Schirm, Charme und Melone. Worum es ging, weiß ich nicht mehr genau. Ich erinnere mich dunkel an Bälle, die Menschen in den Wahnsinn trieben. Oder so. Emma Peel – und das weiß ich ganz genau – war toll.

Interessanterweise sahen wir nur diese eine einzige Folge. Die dafür wieder und immer wieder. Später, als ich selbst über einen Videorekorder verfügte, sah ich Mit Schirm, Charme und Melone weiter. Ich war und bin Fangirl.

Was es war: Die Serie

Emma Peel war nicht die erste Frau an John Steeds Seite. Ganz zu Beginn der BBC-Serie The Avengers im Jahr 1961 hatte der Galant mit Hut sogar einen Partner an seiner Seite: Dr. David Keel trug wie Steed Trenchcoat. Modisch weitaus extravaganter war Cathy Gale, ab 1962 gespielt von Honor Blackman, die im Lederkostüm zurückschlug und seither als erste Feministin in einer Fernsehserie gilt. 1965 wurde sie von Diana Rigg abgelöst. Sie und Patrick Macnee wurden das Traumpaar der Swinging Sixties.

Ihre berufliche Beziehung war rein privater Natur, Mrs. Peel war verheiratet, der Ehemann totgeglaubt. Natürlich turtelten sie und Steed unentwegt, und erfolgreich abgeschlossene Fälle wurden stets mit Champagner begossen, aber zu mehr kam es nie.

Ein dynamisches Duo waren Macnee und Rigg auch hinter der Kamera: Ihre flotten Dialoge schrieben sich die beiden großteils selbst. Legendär wurden die unglaublichen Kostüme von Mrs. Peel. 1966 kam es mit der erotischen Folge Die Nacht der Sünder sogar zu einem Skandal. Nach Riggs Abgang 1967 wurde die Serie nie mehr zu dem, was sie war. Ihre Nachfolgerinnen Tara King und Purdey waren farblos. Die Fälle 08/15.

Wiedergesehen: "The Living Dead"

Wiedergesehen habe ich Folge 111, The Living Dead. Aus einem Grab entsteigt in dunkler Nacht eine weißgekleidete Gestalt. "Es ist der Duke!", schreit ein Beobachter. Cut.

"We’re needed", ruft die rote Ampel Emma Peel zu. Das ist der berühmte Satz, der in jeder Folge den Agenteneinsatz startet. Peel drückt auf die Tube, was mit ihrem Lotus Elan kein Problem ist. In irgendeinem Kaff soll der vor fünf Jahren verstorbene 15. Duke of Benedict sein Unwesen treiben. An Geister glauben Peel und Steed nicht, aber einiges stimmt hier gröber nicht: Warum baumelt der Geisterjäger mit einem Schwert im Rücken am Glockenseil?

Es ist aber noch viel verrückter: Emma Peel schließt sich in der Folge den Geisterjägerorganisationen SMOG und FOG an. Die Begegnung mit dem angeblichen Geist fällt vielversprechend aus, denn dieser nimmt Mrs. Peel mit zu seiner letzten Ruhestätte in eine eingestürzte Mine, in der er selbst ums Leben kam. Dort hält er sie aber gefangen, weshalb Steed selbst hinabmuss, um Peel zu retten. Er stößt auf eine geheime unterirdische Stadt, in der nichts Geringeres als eine Invasion Englands ausgeheckt wird. Der Duke ist kein Geist. Das Minenunglück war ein Vorwand.

Zeit für Peel, in Aktion zu treten: Mit gezielten Karateschlägen und Maschinengewehrsalven schaltet sie zehn Mann und eine Frau aus. Dafür gibt’s von Steed zwei Küsschen. Den größenwahnsinnigen Plan verhindern beide, indem sie den Aufzug nach oben kappen. Zum Schluss gibt’s: Champagner.

Gut gealtert?

Fazit: Kann man die Serie noch sehen? Man muss! Mrs. Peel sieht atemberaubend gut aus, Steed ist galant wie immer, die Folge ist voll absurder Komik und psychedelischem Charme. Bestes Stück: eine Solariumlampe der ersten Generation mit hundertprozentiger Hautkrebsgarantie.

Es gab übrigens noch eine Serie, die uns der Freund per Videorekorder vorspielte: Drei Engel für Charlie. In der Serie "Wiedergesehen" wird darüber ebenfalls zu berichten sein. (Doris Priesching, 11.2.2024)