Für das Interview im Geschäft in der Lange Gasse in Wien nehmen sich Bernd und Karin Doll Zeit. Sie sind im Stress. Sohn Emil hat die Ausschreibung für die Ausstattung des Opernballs gewonnen. Wie viel so ein Arrangement kostet, gibt man nicht preis. Ein Jahr lang haben die Dolls darauf hingearbeitet.

STANDARD: Ich habe keine Blumen mitgebracht. Welche schenkt man, wenn man rein gar nichts durch die Blume sagen will?

Bernd Doll: Das geht ja fast nicht. Ich will immer etwas durch die Blume sagen. Das ist ja das Schöne. Wenn es eine kleine Aufmerksamkeit ist, schenke ich, was mir selbst gefällt. Dann gebe ich etwas von mir preis.

Karin Doll: Ich würde eine bunte Mischung machen. Unsere New-Style-Sträuße zum Beispiel. Da hat man von allem etwas. Etwas Exotisches, jetzt etwas Frühlingsmäßiges, eine Rose. Bedeutet alles und nix.

STANDARD: Sie lieferten den Blumenschmuck für den Opernball – tausende Rosen. Wann haben Sie mit den Vorbereitungen begonnen?

Bernd und Karin Doll.
Bernd Doll kommt aus einer traditionsreichen Salzburger Gärtnerfamilie. Der Vater hat das Festspielhaus zur Nachkriegseröffnung mit Blumen geschmückt. Karin Doll hat sich das meiste selbst beigebracht.
Credits: Heribert Corn

Karin Doll: Vor einem Jahr. Da kommen die ersten Vorstellungen, Dinge, die man besser machen kann. Neue Ideen und Konzepte purzeln dann.

STANDARD: Worum geht es zum Schluss?

Bernd Doll: Jede Blume hat ihren eigenen Charakter. Ich kann sie nicht einfach hineinstecken, klassisch zack, zack, zack. Da sind wirkliche Künstler gefragt. Unser Sohn Emil macht das mit seinem Team. Man macht auch viel bei der Haltbarkeit. Die Rose war ja schon vier-, fünfmal in der Hand. Dann werden die Blüten händisch geöffnet. Es war Emils Idee, da muss man Mumm haben.

Karin Doll: Wir sind zwei Tage lang mit 15 Mitarbeitern nur gestanden und haben diese Rosen Blatt für Blatt aufgefaltet. Es ist eine irre Arbeit.

STANDARD: Im Mittelpunkt stand Pink Floyd, die pinkste Rose, die es gibt?

Bernd Doll: Ich war auch dabei beim Öffnen der Rosen. Es kam vor, dass einer pro Stunde sagte: Jetzt schau dir die an. Die ist noch pinker. Das ist ja das Besondere an der Natur. Es ist dieselbe Rosensorte aus dem Glashaus. Aber wenn die im Süden aufwächst, ist sie anders als im Norden. Dann hat sie einen stärkeren Rosenstock. Dann gibt es welche mit einem unglaublichen Farbenspiel.

STANDARD: Wo bekommen Sie auf die Schnelle so viele Rosen her?

Bernd Doll: Auf die Schnelle nicht, da wird seit einem halben Jahr verhandelt. Die kommen aus Südamerika. Wir kriegen aus Europa nicht die Qualität. Diese Menge von einer Sorte zur richtigen Blühzeit, das ist nicht so leicht – auch nicht, dass man einen fixen Preis bekommt, die werden ja täglich versteigert. Jetzt ist auch noch Valentinstag.

Karin Doll: Letztes Jahr haben wir speziell beim Opernball auch viel von den Wiener Gärtnern verwendet. Aber generell gibt es ja auf der Welt riesige, riesige Feste. Die Blumen kommen alle über Holland. Der Opernball ist bei uns was Großes, aber in der Welt jetzt nicht.

STANDARD: Was passiert mit den tausenden Blumen nach dem Fest?

Bernd Doll: Da bleiben so gut wie keine übrig, weil sich fast jeder Gast etwas mitnimmt. Das ist das berühmte Blumenzupfen am Opernball.

Bernd und Karin Doll.
Die Dolls verkaufen gerne ihre Blumen aus der eigenen Gärtnerei. Die Kundschaft schätze die Herkunft aus lokaler Produktion, sagen sie.
Credits: Heribert Corn

Karin Doll: Wir haben einen Film im Kopf, was sie dann noch erlebt. Wir haben angeboten, dass wir die übrig gebliebenen vor der Oper drapieren, aber daraus ist nichts geworden. Emil machte immer wieder einmal Blumeninstallationen in Mistkübeln. In zwei Stunden war das weg.

Bernd Doll: Nach einem Kongress oder einem Galadinner, vor allem bei amerikanischen Firmen, war es verpflichtend, dass wir die in Seniorenheime bringen. Das ging jetzt aber nicht mehr, weil sie nicht die Pflegekräfte haben, um die Blumen zu versorgen. Wir haben eigene Biotonnen, dann wird Wiener Erde daraus.

STANDARD: Kommen wir vom Ende zum Anfang. Ein Salzburger aus der Branche und eine Wienerin als Quereinsteigerin übernahmen ein Geschäft in der Josefstadt, in dem Sie, Frau Doll, schon als Kind Blumen gekauft haben. Ist Ihnen das Wissen zugeflogen, oder haben Sie viel Lehrgeld bezahlt?

Karin Doll: Am Anfang hatte ich keine Ahnung. Begonnen hat es im Advent. Meine Hände haben ausgeschaut – mit Brandblasen, zerstochen, zerschnitten. Ich hab mir gedacht: Super, was hab ich mir da eingehandelt. Es war damals ein klassischer Wiener Blumenladen, mit Asparagus, Nelken, Rosen. Dann hab ich einen Blumenkurs gemacht. Sträuße binden für Anfänger, das war’s. Den Rest lernt man beim Machen. Stil und Farbgefühl hat man oder nicht.

STANDARD: Was mir zum Blumengeschäft einfällt: frühe Tagwacht, zum Großgrünmarkt fahren. Wer musste das machen?

Bernd Doll: Das habe ich lange gemacht – ab drei, vier in der Früh. Wir haben aber immer mehr gebraucht und mit Direktimport begonnen. Aus Italien, direkt aus Holland, weil die Qualität besser ist, und zu einem günstigeren Preis, weil ich keinen Zwischenhändler habe. Wir haben auch bei den Wiener Gärtnern eingekauft, aber da haben wir teilweise auch zu viel gebraucht.

STANDARD: Oft werden bei der Produktion Mensch und Natur ausgebeutet. Mittlerweile hat Ihr Sohn eine eigene Gärtnerei. Ist lokale Produktion für Kunden ein Kaufargument?

Karin Doll: Ja, sie schätzen es total. Wir haben die Gärtnerei während Corona gekauft, die war total verwildert. Emil hat sie auf Vordermann gebracht. Jetzt ist es ein Paradies dort. Wir haben selbst eine Freude, die Blumen zu verkaufen. Viele kommen und sagen: Gibt es etwas Neues aus der Gärtnerei? Aber es gibt Anlässe, wo man langstielige weiße Rosen braucht, die haben wir nicht.

Bernd Doll: Bei uns werden die lokalen Gärtnereien auch beim Namen genannt. So viele gibt es ja nicht mehr. Es rentiert sich jetzt wieder, zu produzieren, in den Nullerjahren hat sich das oft nicht mehr ausgezahlt.

STANDARD: Hofer, Lidl, Billa und Co, alle verkaufen Blumen. Sind Sie eine ernstzunehmende Konkurrenz?

Bernd Doll: Ich hab überhaupt kein Problem damit, dass der Hofer Blumen verkauft. Blumen müssen auch leistbar sein. Sie haben einen Aufschlag und gute Qualität. Ich hab eine Zeitlang probiert, mit Rewe zusammenzuarbeiten. Aber man kann sich nicht aufteilen. Blumen sind teilweise ein Luxusprodukt geworden. Drum finde ich es sehr sympathisch, dass es wirklich sehr preiswerte Blumen gibt, wo wir unmöglich mitkommen.

STANDARD: Da sind wir bei den Kunden. Muss man manchen schlechten Geschmack ausreden?

Karin Doll: So einen schiarchen Geschmack gibt es eigentlich bei den Kunden gar nicht. Aber es ist auch ein Modetrend: Man kann alles zusammenmischen. Schiarch gibt es nicht bei einer guten Qualität.

Bernd Doll: Na ja, das kriegst du schon zusammen. Man muss das mit der Küche vergleichen. Du kannst super Grundelemente haben, wenn du’s falsch mischt, kommt nix Gescheites heraus. Aber ich glaube, es geht da mehr um Farben. Da sagt einer: Ich will bitte kein Rot. Oder der Austrianer-Fan will kein Grün. Haben wir alles schon gehabt. Rapidler, bitte, wenn ich da mit Lila daherkomme? Es gibt nichts, was es nicht gibt.

STANDARD: Gutes Stichwort. Im Webshop kann ich einen Strauß um 350 Euro ordern. Wer gibt so viel Geld für Blumen aus?

Bernd und Karin Doll
Ein Zweigerl pflücken, das darf man sagen die beiden.
Credits: Heribert Corn

Bernd Doll: Einen Riesenstrauß mit Rosen, da bin ich gleich einmal bei 350 Euro. Der Käufer möchte jemandem imponieren. So viel ist fix.

STANDARD: Die Rose ist ein Klassiker. Beeinflussen soziale Medien die Moden?

Bernd Doll: Mit dem Internet hat sich die Welt eröffnet. Auf einmal wollten die Leute die Chuppa auf der Hochzeit haben. Sag ich: Haben wir eine jüdische Hochzeit? Antwort: Nein, warum? Der Rekord war, dass wir eine Chuppa, eine buddistische Zeremonie, eine katholische Taufe und eine evangelische Hochzeit an einem Tag gehabt haben. Das war schon sehr spannend. Ich kann mit Blumen alles ausdrücken, und Blumen haben keine Religion.

STANDARD: Die Rose gilt als die Königin der Blumen. Was ist die unterschätzteste Blume?

Bernd Doll: Die unterschätzteste war jahrelang die Ranunkel. Aber jetzt wird sie eigentlich schon geschätzt. In den 1990er-Jahren waren es die Orchideen, dann die Rosen, dann die Hortensien. Jetzt ist sie wieder Standard, nicht wegzudenken, weil sie auch die Pariser hernehmen und die Amerikaner, weil sie draufkommen, was du mit ihr erreichst.

Karin Doll: Ich hätte gesagt, das Gänseblümchen. Ist total süß, aber hält halt nicht wirklich.

STANDARD: Das darf man auch pflücken. Darf man ein Blümchen aus einem öffentlichen Garten stibitzen?

Bernd Doll: Aus einer blühenden Rabatte nicht. Aber wenn ich einen blühenden Strauch habe, bücke ich mich und nehme einen Zweig auf der Seite. Ein Zweigerl pflücken geht, es muss ja nicht ein halber Meter sein.

Karin Doll: In Wien nur den Flieder. Für die Wiener gehört Fliederfladern dazu. Flieder stibitzen darf man, finde ich. Aber sonst? Nein, das ist ein No-Go. (Regina Bruckner, 11.2.2024)