Eine pro-palästinensische Kundgebung vor dem deutschen Konsulat in Kapstadt.
Eine propalästinensische Kundgebung vor dem deutschen Konsulat in Kapstadt.
Foto: Christian Putsch

Am vergangenen Freitag standen vier Fahrzeuge der südafrikanischen Polizei vor dem deutschen Konsulat in Kapstadt. Grund waren rund 60 Aktivisten und Gewerkschaftsrepräsentanten, die zu einer propalästinensischen Kundgebung aufgerufen hatten. Ähnliche Demonstrationen wegen der politischen Unterstützung Berlins für Israel im Gazakrieg waren auch vor anderen deutschen Institutionen im Land sowie in Namibia in Windhoek angemeldet worden.

Die Polizei musste nicht eingreifen, die Kundgebungen blieben friedlich. Die Forderung der Protestierenden vor dem Konsulat in Kapstadt war jedoch eindeutig. Die Parteinahme für Israel als Drittpartei bei dem von Südafrika eingebrachten Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) müsse zurückgenommen, die ausgesetzte Finanzierung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) wiederaufgenommen werden.

Solidaritätskampagne mit Ultimatum

Organisator Usuf Chikte von der südafrikanischen Palästina-Solidaritätskampagne (PSC) sagte dem STANDARD, man habe Berlin in einem Memorandum eine Frist bis zum 16. Februar gesetzt. "Sollte Deutschland bis dahin an seiner Politik festhalten, werden wir Forderungen nach Streiks in deutschen Firmen in Südafrika und einer Ausweisung des deutschen Botschafters diskutieren", sagte Chikte.

"Die Bundesregierung steht zu ihrer Position im Konflikt zwischen Israel und der Hamas", betonte ein Sprecher des Auswärtigen Amts auf Anfrage. Man wisse, dass Südafrika da "eine sehr andere Position" einnehme und die deutsche Haltung auch in der südafrikanischen Gesellschaft auf Kritik stoße. "Wir respektieren das", sagte der Sprecher, "Demonstrationen sind in Demokratien wie Südafrika und Deutschland zu Recht eine geschützte Form der Meinungsäußerung." Ein Vertreter der deutschen Botschaft habe deswegen Petitionen entgegengenommen.

Nun könnte man argumentieren, dass die PSC und andere affiliierte Gruppen bereits seit Oktober ohne allzu große Durchschlagskraft zu mobilisieren versuchen. Bei den deutschen Firmen ist bislang jedenfalls nichts von Betriebsstörungen oder konkreten Drohungen bekannt. Fast 600 Unternehmen aus Deutschland sind in Südafrika vertreten, sie beschäftigen rund 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Doch die Proteste ereignen sich in einer Zeit, in der die bilateralen Beziehungen inzwischen chronisch angespannt sind. Im Westen hatte zunächst die russlandfreundliche Haltung der südafrikanischen Regierung seit Beginn des Ukrainekriegs für Irritationen gesorgt. Im vergangenen Sommer hatten sich die Wogen etwas geglättet, als Russlands Machthaber Wladimir Putin widerwillig auf den Besuch des Brics-Gipfels in Südafrika verzichtete – nicht etwa wegen des nervösen Drängens des um seine westlichen Wirtschaftsbeziehungen bangenden Gastgebers, sondern weil Brics-Lenker China seinen Einfluss auf Russland geltend machte. Peking wollte die Brics-Erweiterung im Vordergrund stehen sehen und nicht das leidige Thema Putin.

Südafrikanische Kolumnistin vorgeladen

Damals verbesserte auch ein betont freundlicher Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bei ihrer Amtskollegin Naledi Pandor das Gesprächsklima zwischen Berlin und Pretoria wieder etwas. Doch seit Beginn des Gazakriegs bröckelt auch dieser Kitt mit dem geopolitisch wichtigsten afrikanischen Land wieder.

Das zeigte sich fast zeitgleich mit den Protesten vor den deutschen Auslandsvertretungen: Pandor, die Kontakte zur Hamas-Spitze pflegt, reagierte auf südafrikanische Medienberichte, denen zufolge die südafrikanische Kolumnistin Malaika Mahlatsi wegen der angeblichen Gutheißung des Hamas-Terroranschlags vom 7. Oktober von einem deutschen Gericht vorgeladen worden sei. Mahlatsi hatte sich während der Veröffentlichung der entsprechenden Beiträge offenbar in Deutschland befunden. Sie publiziert unter anderem in der Zeitung "The Sowetan" und in den sozialen Netzwerken.

"Für eine etablierten Demokratie finde ich das ziemlich schockierend", kommentierte Pandor gegenüber dem Fernsehsender Eyewitness News den Vorgang. Am gleichen Tag teilte ihr Ministerium mit, die genauen Gründe für die Vorladung nicht zu kennen. (Christian Putsch aus Kapstadt, 12.2.2024)