Klimaschutzaktivistin Lena Schilling ist die designierte Spitzenkandidatin der Grünen für die EU-Wahl im Juni. Sie kämpfte gegen den Bau des Lobautunnels und besetzte mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern Baustellen für die Wiener Stadtstraße.
Heribert Corn

Natürlich ist es auch eine Inszenierung – aber eine, die sich an diesem Tag doch von der anderer Parteien abhebt: Statt den politischen Aschermittwoch wortgewaltig in Hallen zu verbringen, lud Lena Schilling zu einem "politischen Spaziergang" in die Lobau. Auf diesem Terrain fühlt sich die politische Quereinsteigerin sichtlich wohl.

Immerhin ist die Klimaschutzaktivistin das Gesicht von "Lobau bleibt", einer Initiative, die sich gegen den Bau einer Schnellstraße samt Untertunnelung des Naturschutzgebiets einsetzt. Schilling hat an vorderster Front auch gegen die aktuell in Bau befindliche Wiener Stadtstraße gekämpft: Baustellen blieben monatelang besetzt, ehe sie auf Drängen der Stadt Wien geräumt wurden.

Beim Spaziergang gingen neben Judith Pühringer und Peter Kraus, der grünen Parteispitze in Wien, auch Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Klimaschutzbewegung mit. Schilling wollte sie dabeihaben. "Sie sind es, die mir besonders genau auf die Finger schauen werden", sagt die 23-jährige Studentin. Dieses Korrektiv sei ihr wichtig, falls sie bei gewissen Themen einmal zu sehr Politikerin und zu wenig Aktivistin werden sollte. "Sie werden mir das dann auch sagen." Trotz ihres Quereinstiegs in die Politik will Schilling "auch Aktivistin bleiben". Wie sie das alles unter einen Hut bringen will, weiß sie noch nicht genau. Schließlich könnte sie bei weiteren Protestaktionen gegen den Lobautunnel von ihren Mitstreiterinnen gebraucht werden.

Denn heuer wird nicht nur in der EU gewählt, sondern auch der Nationalrat in Österreich. Ob die Grünen einer kommenden Bundesregierung angehören werden, ist ungewiss. Noch unsicherer ist, dass die Grünen das Verkehrsressort behalten. Damit ist aber direkt die Causa Lobautunnel verknüpft: Schließlich hat Verkehrsministerin Leonore Gewessler das Milliardenprojekt gegen massive Widerstände des Koalitionspartners ÖVP auf Eis gelegt.

Lena Schilling wird beim Spaziergang durch die Lobau von Judith Pühringer und Peter Kraus flankiert, den Parteichefs der Grünen in Wien.
Heribert Corn

Gewesslers Entscheidung als "Schlüsselmoment"

Die Absage des Tunnelbaus durch Gewessler sei "extrem mutig" gewesen, sagt Schilling. Für sie war es auch ein "Schlüsselmoment", der den Ausschlag dafür gab, in die Politik zu wechseln. Ohne ein grünes Verkehrsressort zeichnet sich aber ab, dass das temporär auf Eis gelegte Projekt Lobautunnel wieder aufgetaut wird: So sprechen sich neben der ÖVP auch die SPÖ und die Freiheitlichen vehement für das Straßenbauvorhaben aus.

Diese Möglichkeit ist Schilling bewusst. Gleichzeitig sagt sie: "Wenn der Lobautunnel tatsächlich gebaut werden sollte, wird es Proteste geben." Ob mit oder ohne Schilling vor Ort, das lässt die Neopolitikerin offen. Es sei "schon mein Plan", sagt sie. "Aber es kommt darauf an." Denn ihr künftiger Arbeitsplatz ist eben Brüssel.

Der Bau des Lobautunnels könnte nach der Nationalratswahl wieder zum Thema werden.
Heribert Corn

Dort würden viele Entscheidungen getroffen, die unmittelbare Auswirkungen auf Österreich haben, sagt sie. Neben dem Klimaschutz – im Speziellen auch im Verkehrssektor – will sich Schilling auch den Themen Bodenversiegelung und Biodiversitätskrise widmen, also dem schnellen Verlust vieler Tier- und Pflanzenarten. Der "Kampf gegen rechts" ist ihr ebenfalls ein großes Anliegen.

Noch muss sie aber innerhalb der Grünen um Sympathien werben – auch wenn sie beim Bundeskongress der Grünen am 24. Februar wohl ohne Konkurrenz um den ersten Listenplatz antritt. Für ein gutes Ergebnis bleibt Schilling eine Tour durch die Landesorganisationen nicht erspart. Nach den westlichen Bundesländern sowie dem Burgenland folgen noch Termine in Niederösterreich, der Steiermark und Kärnten. Schilling spricht von einem wichtigen "Kennenlernen" und "Austausch". Trotz ihres Antritts wird sie aber kein grünes Parteimitglied. "Das habe ich erst mal nicht vor."

Wird sie gewählt, will Schilling mit ihren beiden Katzen großteils mit der Bahn nach Brüssel pendeln. "Das habe ich mir jedenfalls vorgenommen." Montagfrüh hin und Freitagabend zurück wird es damit nicht spielen. Sollten Flüge notwendig werden, will sie aber auch fliegen – vielleicht auch wegen einer Protestaktion in der Lobau. (David Krutzler, 15.2.2024)