reportage Werkstatt, Holz-Schlegel für Pauken, manfred kaufmann
Manfred Kaufmann, Solopauker in der Wiener Volksoper und Paukenschlägel-Experte.
Heribert Corn

Bach, Mozart, Beethoven, Bruckner, Ravel wollten nicht ohne sie, Haydn hat ihr sogar die "Symphonie mit dem Paukenschlag" gewidmet: der Pauke, auch Timpano genannt, laut Musiklexikon eine Kesseltrommel aus der Gruppe der Membranophone innerhalb der Schlaginstrumente. Zum Betrieb eines solchen benötigt man, wie der Name schon sagt, einen Schläger – bei der Pauke nennt man diesen Paukenschlägel. Und wenn Sie jetzt glauben, dass das einfach irgendein besserer Schlagzeugstecken ist, dann haben Sie vom Tuten und Pauken keine Ahnung. Ein Profi-Paukenschlägel ist ein Präzisionsinstrument, jeweils genau auf den Zweck und den Klang abgestimmt – es gibt schließlich wesentliche Unterschiede zwischen "Bumm" und "Zack".

Reine Kopfsache

Einer, der sich damit besonders gut auskennt, ist Manfred Kaufmann. Er ist nicht nur von Beruf Solopauker im Orchester der Wiener Volksoper, sondern auch Gründer und Inhaber der Firma Wiener Schlägel. Diese erzeugt seit etwa 40 Jahren Pauken- und andere Schlagwerkschlägel in Handarbeit, zum Großteil von Kaufmann persönlich gefertigt. Im Schauraum in der Wiedner Hauptstraße kann man sich einen groben Überblick über die Produktpalette verschaffen, endgefertigt werden die Schlägelpaare aber in Guntramsdorf, in einem kleinen, spartanisch eingerichteten Raum im ersten Stock eines unauffälligen Häuschens. Hier lagern auch die fertiggestellten Schlägel – und in nüchternen Holzschränken offenbart sich eine unerwartete Vielfalt: Schlägel mit Köpfen aus Leder, Filz, Stoff, Kork oder Holz, in roten, blauen, grünen und schwarzen Varianten, in verschiedenen Größen, Gewichts-und Härteklassen. Insgesamt etwa 150 Modelle vertreibt Kaufmann, darunter sind auch Schlägel für Xylophon, Gong oder Becken, die meisten aber sind Paukenschlägel.

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Schlägelpaare müssen exakt abgewogen werden, sogar kleinste Gewichtsunterschiede würde man beim Spielen merken.
Heribert Corn

Der Ton der Pauke ist nämlich viel varia­bler, als man glaubt. "Mit dem Schwung kommt der Schlägel aufs Fell", erklärt Kaufmann, "und in dem Moment gibt er den Ton an. Je nach Härte ist dieser dann prägnanter oder weicher." Das wird auf das Stück, das ­gerade gespielt wird, natürlich genau abgestimmt. "Bei einer lieblichen Stelle nehme ich einen Schlägel mit einem weicheren Kopf, aber wenn jetzt in einer Verdi-Oper das Schafott herunterkommt, dann natürlich einen härteren." Die jeweils verwendeten Schlägel werden während der Vorbereitung zur Aufführung ausgewählt, "das schaut man sich mit der Partitur an. Bei der Aufführung hat man dann einen Schlägelständer neben sich stehen, mit etwa acht bis zehn Schlägelpaaren drin, es können auch mehr oder weniger sein." Und dann kommt es darauf an, bei jedem Paukeneinsatz den richtigen zu verwenden? "Ja genau, heute Abend bei West Side ­Story wechsle ich an die 50-mal."

Mit Flanell und Schleifpapier

Kaufmann erklärt auch, wie die verschiedenen Schlägel ihre Köpfe verpasst bekommen – eine Fitzelarbeit, bei der höchste Genauigkeit gefragt ist. Besonders spannend ist die Herstellungsweise der sogenannten Wiener-Flanell-Schlägel: Dafür werden aus ungefärbtem Flanellstoff aus reiner Baumwolle – man kennt ihn von der Winterbettwäsche – erst Scheiben mit Löchern ausgeschnitten, diese dann dicht an dicht auf die Spitze eines Schlägelgriffs aufgefädelt und fixiert, das Ganze wird dann mit einer kleinen, sehr scharfen Handarbeitsschere und Schleifpapier in Kugelform gebracht. Was, wie, Schleifpapier? "Ja, damit kann man sehr gut auch Stoff behandeln, wenn er so fest zusammengedrückt ist wie hier. Ich schneide, schleife, schneide und schleife, bis die Form perfekt ist." Die Materialien für die Schlägel kommen, wo immer es geht, aus Österreich – "den Flanell kaufe ich beim Komolka!", klar, auch eine Wiener Institution.

Der Filz für die mit Filz "bekopften" Schlägel, ebenfalls aus reiner Schurwolle, wird auf eine Korkbasis aufgebracht, für die Leder­köpfe wird feinstes Rehleder auf Holz aufgezogen und dann mit Baumwollschnur fixiert, "das ist besonders heikel, weil das Leder keine Falten machen darf. Das würde den Ton ja verfälschen."

Die Stiele für die Schlägel bestehen meist aus Buchenholz. Das sucht sich Kaufmann ­selber aus. "Das muss man natürlich genau anschauen. Dicht gewachsenes Holz ist viel besser als schnell gewachsenes. Die Jahres­ringe sollten sehr, sehr eng sein – dann ist die Qualität am höchsten." Das Wunschholz wird dann von einer Tischlerei in Himberg in Form gedrechselt. "Ich habe aber auch eine eigene kleine Werkstatt in der Steiermark, mit Sägen, Hobelmaschine und so weiter." Manche Schlägel bestehen auch aus Ahornholz – "weil es leichter ist", und aus Tonkin, einer besonders harten Bambusart, noch leichter und besonders stabil. "Das nimmt man, wenn man ganz besonders heikle Sachen spielt." Nachbehandelt werden sie alle mit Leinöl, damit das Holz geschmeidig bleibt, und es kommt auch noch ein Sticker drauf mit dem Firmenlogo – schlicht, edel und funktional, wie das Produkt. Der Preis hält sich dafür sogar in Grenzen, er bewegt sich zwischen etwa 50 bis etwas über 100 Euro. Und das bei recht langer Haltbarkeit: "So ein Flanellschlägel hält im Profigebrauch sicher seine 15, 16 Jahre bei regelmäßigem Einsatz. Es ist ja nicht so wie bei Schlagzeugern, die mit Holz auf Metall schlagen." Die Pauken sind mit Fellen bespannt – aus Kunststoff oder, von Kaufmann bevorzugt, aus Leder. "Und wenn man den Schlägel richtig hält und ihn beim ersten Schlag etwas auslässt, sodass er zurückschwingen kann, und nicht aufs Fell presst – was natürlich auch die Klangqualität vermindert –, dann hält er dementsprechend lange."

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Bis zu zehn Schlägel hat ein Orchester-Paukenschläger während eines Konzerts neben sich.
Heribert Corn

Pro Jahr erzeugt Kaufmann rund 2.500 Schlägel, die er an Musiker und Orchester in der ganzen Welt verkauft. Ganz besonders wichtig ist es vor dem Verkauf übrigens auch, dass die Schlägelpaare jeweils zusammenpassen. Bei Wiener Schlägel arbeitet man ja nur mit Naturmaterialien, und da gibt es auch naturgemäß Unterschiede in der Dichte und der Struktur. Aber ein Detailfreak wie Manfred Kaufmann weiß sich auch hier zu helfen: Mittels einer elektronischen Briefwaage wird jeder einzelne Schlägel genau abgewogen, damit auch garantiert nur Gleiches zu Gleichem finde. Denn wenn es einen auch nur minimalen Gewichtsunterschied gibt, dann spürt man das beim Spielen, und das geht natürlich gar nicht.

Matchmaking mit Paukenschlag

Genauigkeit ist für Kaufmann eben ganz wichtig, als Berufsmusiker hört er auch die feinen Unterschiede beim Klang der Schlägel. So kam es auch zum Modellreichtum seiner Firma. "Die meisten habe ich selber entwickelt, ich habe da sehr viel herumprobiert." Aber wie kommt man überhaupt dazu, sich für ein Leben unter Paukenschlägeln zu entscheiden? "Mein Vater ist Hobbymusiker, er hat in der Musikkapelle gespielt, auf Hochzeiten und Kirtagen. Und dann hat er mich einmal mitgenommen, und dort war ein Posaunist, der auch in der Wiener Staatsoper bei der Bühnenmusik gespielt hat. Und der hat gesehen, dass ich, wenn ich das so ausdrücken darf, vor allem rhythmisch relativ talentiert bin." So kam Kaufmann schon mit zwölf in die Wiener Musikakademie, und schon mit 16 paukte er ebenfalls in der Wiener Staatsoper.

Seit 2001 ist er nun Solopauker in der ­Volksoper und seit kurzem auch Professor: "Die Verleihung war im Künstlerhaus, das war wirklich schön und sehr feierlich – den Professorentitel kriegt man ja nicht so schnell. Das hat mich schon sehr gefreut, dass man mit den eigenen zehn Fingern etwas in die Welt setzen kann, das dann so gut ankommt." (Gini Brenner, 19.2.2024)