Den größten Applaus bekam bei der Begrüßung der Gäste Baumeister Richard Lugner.
APA/CHRISTIAN HABERHAUER

Die Hofburgfassade war Freitagabend in blaues Licht getaucht, die Wiener Innenstadt hingegen leuchtete zeitweise feuerrot: Beim Protestzug gegen den von der FPÖ Wien veranstalteten Akademikerball wurden nämlich auch "vereinzelt ein paar pyrotechnische Gegenstände gezündet, ansonsten ist die Demo jedoch ruhig verlaufen", teilte die Polizei gegen 19.30 Uhr mit. Da war die Abschlusskundgebung am Stephansplatz schon friedlich zu Ende gegangen – und ein paar hundert Meter weiter fuhren die ersten Ballgäste zum blauen Stelldichein am Heldenplatz vor.

Als einer der Ersten entstieg der freiheitliche Landtagsabgeordnete Udo Guggenbichler, seines Zeichens Ballorganisator, einem Taxi. Auch Burgenlands Ex-FPÖ-Chef Johann Tschürtz und der Wiener Parteiobmann Dominik Nepp tauchten früh im weiträumig abgesperrten Eingangsbereich auf. Um 20 Uhr fuhr schließlich der höchstrangige Blaue vor: Norbert Hofer, Ehrenmitglied der deutschnationalen Marko-Germania zu Pinkafeld.

Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer half Richard Lugner aus dem Auto.
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Der Dritte Nationalratspräsident sagte: "Ich bin seit vielen Jahren dabei, es ist ein wunderbarer Ball." Er hatte, wie schon im Vorjahr, einen prominenten Begleiter: Baumeister Richard Lugner.

Sellner ist gerne rechts

Kurze Zeit später tauchte eine der Personen auf, die ein zentraler Grund für die – laut Eigenschätzung der Organisatoren – rund 2000 Teilnehmenden bei der Demo war, auf die Straße zu gehen: Martin Sellner, Chef der vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "Identitären Bewegung" – eine, wie er am Ballabend sagte, "patriotische NGO". Dementsprechend beschrieb er das umstrittene Event als Treffen der "patriotischen Familie", die "in zwangloser Atmosphäre ins Gespräch" kommen könne. Angesichts der von der "Offensive gegen Rechts" organisierten Demo, für die 900 Polizeibeamte abgestellt waren, meinte Sellner, er sei gerne rechts und auch stolz darauf – aber nicht rechtsextrem.

Vereinzelt wurden bei der Demo pyrotechnische Gegenstände gezündet, ansonsten verlief die Kundgebung friedlich.
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Nur wer eine Eintrittskarte vorweisen konnte, durfte die Platzsperre bei der Hofburg passieren. Es gab kein Durchkommen für die Gegner der Veranstaltung. Diese waren zuvor unter dem Motto "Kein Platz für Faschos" vom Schottentor über den Ring zum Stephansplatz gezogen. Auf Transparenten stand "Klimaschutz statt Nazischmutz" oder "Menschenrechte statt rechte Menschen". Skandiert wurde auch"Hoch die internationale Solidarität!". Zum Schluss sagte eine Aktivistin von den "Omas gegen rechts" zu den Protestierenden: "Wir sind hier, weil die da drüben die Demokratie gefährden. Wir sind die Mehrheit."

Mit ein aktueller Anlass für die Proteste waren Äußerungen Sellners zur Abschiebung unzähliger Menschen mit Migrationshintergrund bei einem Treffen in Deutschland. Die FPÖ findet übrigens Gefallen daran, Bundesparteichef Herbert Kickl forderte am Freitag einen "Geh-heim-Plan", gegen "Remigration" gebe es nichts einzuwenden.

Kickl blieb Ball fern

Mittanzen wollte Kickl allerdings auch heuer wieder nicht. Er ist kein Korporierter und hat den Ball bisher auch noch nie besucht. Auch der Spitzenkandidat der FPÖ für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, hatte dem STANDARD bereits am Donnerstag gesagt, er möge keine Bälle und bleibe deshalb auch diesem fern. Er war zumindest am Donnerstagabend mit dem Spitzenkandidaten der AfD für die EU-Wahl, Maximilian Krah, in Wien unterwegs – einem erklärten Verfechter von Massenvertreibungen, die "Remigration" genannt werden.

Nicht alle Ballgäste wollten erkannt werden.
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Zwei ehemalige FPÖ-Politiker, die auf Ibiza nicht nur eine Regierung gesprengt haben, sondern auch ihre Freundschaft, erschienen am Freitag ebenfalls, wenngleich in zeitlichem Sicherheitsabstand: Wiens früherer Vizebürgermeister Johann Gudenus und Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Letzterer meinte auf die Frage, was er dazu sage, dass auch Rechtsextreme beim Ball seien: "Das sagen Antidemokraten."

Wer wen nicht treffen will

Noch zwei Freiheitliche mit dem Funktionszusatz "Ex" erschienen beim Akademikerball, um dort auch einer Festrede zu lauschen: Andreas Mölzer, ehemaliger EU-Abgeordneter, und Johannes Hübner, ehemaliger Nationalratsmandatar. Sie hatten unlängst für Aufregung gesorgt mit einem etwas exotischen Reiseziel in diesen Zeiten, statteten sie doch ausgerechnet den Taliban in Afghanistan einen Besuch ab. Mölzer ließ wissen, dass er sich "einen schönen Ballabend, viel Wein, viel Tanz, viel Musik, was sonst?" erwarte. Einschränkung, Martin Sellner betreffend: "Den will ich nicht treffen", hatte Mölzer schon im Vorfeld zum STANDARD gemeint.

Die Demo zog vom Schottentor bis zum Stephansplatz. Laut Organisatoren nahmen 2.000 Personen teil, von der Polizei gab es keine Zahlen.
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Die Festrede hielt Walter Rosenkranz, langjähriger Volksanwalt und "Alter Herr" der Libertas Wien. Er reimte: "Gibt’s auf Straßen linken Krawall, ist wieder Akademikerball." Er sah es als FPÖ-Erfolg, "dass es Kundgebungen politisch Andersdenkender geben darf und auch gibt". Und richtete den Demonstranten aus: "Hier ist kein internationales Vernetzungstreffen, das, was Sie draußen präsentieren, ist ein linkes Verhetzungstreffen." Ein gutes Glas zu trinken, sei keine Vernetzung, sondern "normales, kultiviertes, gesellschaftliches miteinander Umgehen." Sprach’s und wünschte gegen 22.15 Uhr allen einen schönen Ballabend "mit viel Tanz und Glanz". (David Krutzler, Sandra Schieder, Lisa Nimmervoll, 16.2.2024)