Die ersten großen Reden zur Positionierung für den Wahlkampf zur Nationalratswahl sind gehalten. Da ist vieles sehr groß geraten, um Lebenswirklichkeiten einer Wählerschaft anzusprechen und abzudecken, vom Autofahren über Arbeitslosigkeit bis zu Leitkultur und Migration. Außen vor bleiben die jungen Generationen.

Die haben ja eh so viel, so viel, wie wir nie hatten, sind Ältere gelegentlich versucht zu sagen. Sie werden in ihren Bedürfnissen beforscht, können reisen, gestalten die Welt auf Social Media, wollen dauernd anerkannt sein und bringen sowieso genug durcheinander mit ihren Wünschen für ein neu gedachtes (Arbeits-)Leben. Ah ja, und viele erben, und bitte schön, nicht jeder kann sich eben mit Anfang 20 ein Haus kaufen.

Stammtischgerede im Alltag

Das ist im Alltag eher Stammtischgerede, Generationenbashing, das nicht ganz ernst genommen werden kann und muss. In der Politik ist es aber ein Problem. Eine Repräsentationskrise. 40.000 Junge zwischen 16 und 25 Jahren wurden im Vorjahr in der Ö3-Jugendstudie dazu befragt. Das erschütternde Ergebnis: Nur 17 Prozent fühlen sich von der (amtierenden) Politik vertreten.

Viel Alarm hat das im Parlament nicht ausgelöst. Vielleicht, weil das Durchschnittsalter der Abgeordneten im Nationalrat auf unter 50 Jahre gesunken ist? Dennoch sind die Jungen in der Politik kaum sichtbar, lediglich die Grünen schicken eine junge Frau zur Europawahl.

Konsequentes Nichtansprechen

Es ist ein merkwürdiges Ignorieren, ein konsequentes Nichtansprechen jener Hunderttausenden, die "die Zukunft" sind. Dass Junge den politischen Institutionen, auf denen die Demokratie fußt, wenig Vertrauen entgegenbringen, ist nicht ganz neu. Allerdings, konstatiert auch Jugendwerteforscherin Beate Großegger in ihrem Blog: "Das spitzt sich zu." Die Gruppe der politikdistanzierten Jungen wachse. Und weiter: "Junge Menschen erleben Politik als Karussell, das sich mit enormer Geschwindigkeit um das eigene Zentrum dreht."

Klimakatastrophen, Angst vor falschen Entscheidungen und irrer Druck: Für junge Menschen geht es gerade jetzt um das Wie eines guten Lebens.
Klimakatastrophen, Angst vor falschen Entscheidungen und irrer Druck: Für junge Menschen geht es gerade jetzt um das Wie eines guten Lebens.
Imago / Thomas Eisenhuth

Es werden Jugenddebatten wenn überhaupt, dann über die Köpfe der Jungen hinweg geführt, gerne mit dem Aufhänger, ob sie nun faul seien oder nicht.

Junge werden nicht gefragt, was ihre Themen, ihre Ängste, Sorgen sind. Eigentlich sind die ja bekannt, und man könnte sie übersetzt thematisieren: irrer Druck, zu entsprechen, große Angst vor falschen Entscheidungen und davor, keinen Platz zu finden, Furcht vor Abstieg, das Erwarten von Klimakatastrophen inmitten immer näher rückender Kriege. Gerade jetzt geht es für Junge um das Wie eines guten Lebens.

Ursehnsucht nach Sinn

Das ist vorwärtsgewandt, es ist die Frage nach dem Wofür. "Purpose", wie Unternehmen das gerne in ihrer Arbeitgeberwerbung nennen. Damit wird, wenngleich in unternehmerischer Absicht, dennoch sehr schlau die Ursehnsucht nach Sinn angesprochen. Die öffentliche Debatte erschöpft sich allerdings weitgehend im Wogegen.

Die Jugend muss sich wappnen – gegen vielfältige Gefahren. Wofür sie sich aufstellen soll, das erschließt sich kaum. Da fehlt der Entwurf, auch wenn das Schlagwort "enkelfit" populär geworden ist. Wer sagt jungen Menschen in großen Wahlkampfreden, wie schön es ist, dass sie verbessern wollen, was ist. Wer lädt sie ein, über ihre Fragen, ihr Leben zu sprechen, und hört zu, ohne gleich anzufügen, dass man da aber schon ein bisserl erwachsen werden müsse? (Karin Bauer, 19.2.2024)