Josef Puschitz

Frau sitzt zuhause und arbeitet.
Die Pandemie machte das Arbeiten von zu Hause aus salonfähig, inzwischen haben sich gerade die remote-affinen IT-Fachkräfte daran gewöhnt.
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In einer Branche scheint das neue Arbeiten besonders oft angeboten zu werden: bei IT-Dienstleistern. Die Firmen locken mit 100 Prozent Homeoffice oder einer Viertagewoche. Am Beispiel zweier IT-Unternehmen zeigen sich aber auch die Nachteile und Lernerfahrungen bei derartigen Maßnahmen. Ob ganz remote zu arbeiten zur Regel wird und warum das Thema gerade in dieser Branche so ein heißes Thema ist, erklärt in einem kurzen Interview die Personalberaterin Bettina Kern.

100 Prozent Homeoffice

Am hart umkämpften Arbeitsmarkt wird Homeoffice zunehmend zum Trumpf der Recruiting-Teams. Das merkt auch der IT-Serviceprovider World4You, der in Linz und Wien Standorte hat. Das Unternehmen, das seit 25 Jahren besteht, musste sich im gegenwärtigen Fachkräftemangel etwas Neues überlegen, um bei Jobsuchenden zu punkten. Die Idee "100 Prozent Homeoffice" war geboren. Das Angebot zieht.

"Homeoffice kommt im Developerbereich sehr gut an", sagt Jasmin Likar, Personalbeauftrage bei World4You. Die 100-Prozent-Regelung ist ernst gemeint. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit von drei Wochen, die für Orientierung bei den Jobneulingen sorgen soll, werden diese vertrauensvoll in die ständige Heimarbeit entlassen. Die Erfahrungen mit diesem Modell sind gut und nähren sich schon aus der Zeit während der Pandemie, als die Arbeit in Präsenz für eine ganze Weile undenkbar war. "Von einem Einbruch der Produktivität war nichts zu spüren. Im Gegenteil, die Homeoffice-Regelung hatte sich so gut entwickelt, dass sie auch nach Corona beibehalten wurde", sagt Likar. Also 100 Prozent Heimarbeit, mit der freiwilligen Möglichkeit, die "Bürotage" Dienstag oder Mittwoch für den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen zu nutzen.

Fordernd für Führungskräfte

Nicht alle 73 Mitarbeitenden von World4You nehmen das Homeoffice-Angebot in Anspruch. Für diejenigen, die eine weite Anfahrt haben und das Berufliche mit dem Privaten gut verbinden können, ist die Regelung aber eine enorme Erleichterung. Es gibt aber auch solche, die jeden Tag ins Büro kommen. "Grundsätzlich ist wichtig, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Gefühl des Vertrauens zu geben, dass sie ihren Job gut machen und bei Fragen jederzeit Kontakt aufnehmen können", sagt Likar. Homeoffice ist daher vor allem für die Führungskräfte eine fordernde Aufgabe. Das Ergebnis der Arbeit sei aber wichtiger als die Anwesenheit im Büro.

In anderen IT-Unternehmen scheint man von diesem Zugang allerdings wieder abzurücken. Google etwa macht keinen Hehl aus dem Wunsch, dass Mitarbeitende die Zeit zu Hause reduzieren sollen. Auch Amazon ruft seine Teammitglieder mit stärkerem Nachdruck an den Büroarbeitsplatz zurück. Nachdem in der Pandemie die Devise "Arbeiten, egal wo" galt, hat das Unternehmen die Belegschaft dazu angehalten, zumindest drei Tage in der Woche den Arbeitsort aufzusuchen.

Mehr Freizeit

In St. Veit an der Glan in Kärnten wiederum geht eine Firma noch einen Schritt weiter. Care Solutions, eine auf Krankenhaussoftware spezialisierte IT-Firma im Eigentum der Barmherzigen Brüder Österreich, hat die Kernarbeitszeit reduziert, eine Viertagewoche angeboten und die Homeoffice-Tage ausgeweitet. Geschäftsführer Michael Wiltschnigg hat die Erfahrung gemacht, dass IT-Leute, gerade wenn sie am Programmieren sind, die Vorteile einer ungestörten Arbeitsumgebung besonders schätzen: "Daheim sind die Ablenkungen nicht so groß wie im Büro, man wird weniger von Zwischenfragen unterbrochen. Vor allem in Zeiten, in denen Projekte fertiggebracht werden müssen, hat sich Homeoffice bewährt."

Dem alten Klischee, dass daheim nichts gearbeitet würde, konnte Wiltschnigg noch nie etwas abgewinnen. In der IT sei es besonders leicht, den Arbeitsfortschritt zu dokumentieren. Der Output ist jederzeit nachvollziehbar. "Wir haben Werkzeuge dafür, um die Produktivität zu erfassen. Und diese ist heute genauso hoch wie vor der Pandemie", sagt Wiltschnigg. Seine IT-Fachkräfte kommen aus einem großen Einzugsgebiet rund um St. Veit, Klagenfurt, Graz und Eisenstadt. Bis zu einer Stunde dauern die Anfahrten zu den einzelnen Standorten. "Wir haben Homeoffice an erster Stelle eingeführt, um unsere Angestellten zu entlasten. Wenn die Fahrt wegfällt, bleiben ihnen pro Tag oft zwei Stunden mehr Freizeit", sagt Wiltschnigg.

Drei Fragen, drei Antworten

Portrait von Bettina Kern
Bettina Kern ist Gründerin und Geschäftsführerin des Personaldienstleisters Kern Engineering Careers.
Kern Engineering Careers

Wie schätzen Expertinnen und Experten die Zukunft des Homeoffice in der IT-Branche ein? Eine, die sich in diesem Bereich auskennt, ist Bettina Kern. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin des Personaldienstleistungsunternehmens Kern Engineering Careers.

STANDARD: Warum ist Homeoffice besonders in IT-Berufen so ein heißes Thema?

Kern: Typologisch gesehen sind IT-Fachkräfte Menschen, die gerne abseits der üblichen Bürozeiten arbeiten und auch vor allem später am Abend produktiv sind. Sie wollen sich ihre Zeit frei einteilen. Daher haben wir auch so viele Freelancer in diesem Bereich und eine starke Affinität zum Homeoffice. Wo kein Homeoffice geboten wird, wollen die Leute nicht hin.

STANDARD: Werden 100 Prozent Homeoffice zur Regel?

Kern: Ich beobachte, dass sich die Unternehmen stark bemühen, damit ihre Mitarbeitenden nicht nur von zu Hause aus arbeiten. Denn sie wollen das Miteinander im Betrieb fördern. Wie soll sich eine loyale Beziehung zum Arbeitgeber und der Belegschaft aufbauen, wenn sich niemand persönlich kennt?

STANDARD: Müssen sich Unternehmen wieder mehr anstrengen, um IT-Leute aus dem Homeoffice rauszulocken?

Kern: Absolut. Gerade junge Leute sind heute viel anspruchsvoller, was die Gegebenheiten im Büro betrifft. Wenn die Räumlichkeiten nicht State of the Art sind, die Arbeitsplätze nicht modern und ergonomisch top ausgestattet wurden oder es keine lässige Kaffeemaschine gibt, hat man einen schweren Stand. Es sind Kleinigkeiten wie diese, die mittlerweile als selbstverständlich gelten. (Josef Puschitz, 22.2.2024)