Zwei Techniker stellen einen Glasfaseranschluss her. Aktuell herrscht vor allem im städtischen Bereich noch unkontrollierter Wildwuchs mit geschlossenen Netzen.
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Es ist ein Trauerspiel: Deutlich mehr als die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher haben zumindest in der Theorie Zugang zu einem Glasfaseranschluss. Genutzt wird er aber nur von rund 8,3 Prozent, wie aus den Daten der OECD hervorgeht. Zum Vergleich: In Schweden und Spanien sind es deutlich über 80 Prozent. Österreich rangiert damit auf dem drittletzten Platz der OECD-Länder. Das Problem der Take-up-Raten ist leider nicht neu: Warum sollte man auch in einen Glasfaseranschluss investieren, bohren, stemmen und verlegen, wenn der Billigwürfel vom Mobilfunker ohnehin einigermaßen gut funktioniert?

In einzelnen Wohnhäusern ist es aber meist keine große Schwierigkeit, eine Glasfaserleitung zu verlegen: von der Grundstücksgrenze zum Gebäude aufgraben, durchbohren, einblasen – und fertig! Die Verlegung der Leitungen im Haus kriegen die meisten selbst hin. Und dank großzügiger Förderungen sind die Kosten mit einigen hundert Euro vielerorts überschaubar.

In Ballungszentren mit großen Wohnhausanlagen sieht das Problem schon ganz anders aus: Ein Wohnhaus nachträglich mit Fiber to the Home (FTTH) nachzurüsten ist mühsam und bedeutet enormen Aufwand, und die Bewohner sind über die Baustelle meist auch nicht allzu glücklich. Kurz, bei Altgebäuden tut sich oft gar nichts, obwohl der Glasfaseranschluss bereits vor dem Gebäude bereitliegt.

Herbert Flatscher, der mit seinem Unternehmen selbst Glasfasernetze in Wien herstellt, kennt das Problem: "Es ist ja irgendwie schon lustig: Im Waldviertel haben wir das beste Netz, und in der Stadt tut sich nichts." Das Problem: Die Versorgung mit Koaxialleitungen ist in Wien gut ausgebaut, wird aber wohl in Zukunft nicht für die bis 2030 angestrebte Gigabit-Versorgung reichen. "Wien muss deshalb mit einem zweitklassigen Internet leben."

"Glasfaser ähnlich wichtig wie Strom und Wasser"

Dazu kommt mangelndes Problembewusstein. Eine Glasfaserleitung sei ähnlich wichtig wie Strom und Wasser. Nur: Das muss erst einmal in die Köpfe der Bauträger, die oft auf die Planung von FTTH im Wohnbau vergessen. „In den meisten Fällen werden die Leitungen nicht als kritische Infrastruktur mitgeplant, sondern von den großen Telekommunikationsanbietern verlegt. Bei Gebäuden mit vielen Endkunden kommt es sogar zur Situation, dass unterschiedliche Anbieter jeweils eine eigene Glasfaserleitung bauen”, so Flatscher.

So entstehen voneinander getrennte, parallele Netze in einem einzigen Wohnkomplex. Das nutzt den Bewohnerinnen und Bewohnern nichts und macht auch wirtschaftlich für die Netzbetreiber meist wenig Sinn. Endkunden haben keine Wahl, welchen Anbieter sie nehmen, weil diese geschlossene Infrastruktur nicht für andere Anbieter zur Verfügung steht. In kleineren Gebäuden kann es passieren, dass man auf einen einzelnen Anbieter, einen mobilen Anschluss oder gar auf veraltete Kupferleitungen angewiesen ist

Herbert Flatscher: "Bei Gebäuden mit vielen Endkunden kommt es sogar zur Situation, dass unterschiedliche Anbieter jeweils eine eigene Glasfaserleitung bauen."
OAFF

Jedenfalls bleibt die Wahlmöglichkeit für Kunden begrenzt.“ Ein funktionierender Markt ist das natürlich nicht, zum Schaden der Menschen in den größeren Städten. Dabei sollte Kundinnen und Kunden die Wahl haben: "Das ist, wie wenn du dir ein Handy kaufst, da suchst du dir auch deinen Anbieter selbst aus."

Jeder macht, was er will

Dazu kommt, dass es für den Glasfaserausbau in Wohnbauten keine einheitlichen Standards gibt. Zugespitzt formuliert: Jeder Anbieter kann im Grund machen, was er will. Oft fehlt sogar eine Dokumentation, wo welche Leitungen verlegt wurden. Deshalb haben sich Vertreter aus der Branche zum Verband Open Fiber Austria (OFAA) zusammengetan. Das erklärte Ziel: offene demokratische Netze zu schaffen und endlich Standards etablieren, wie eine Glasfaserverlegung in Wohnbauten zu erfolgen hat.

Die Vorstellungen sind schon ziemlich konkret: Glasfasernetze sollen innerhalb von Gebäuden vom Errichter selbst mitgebaut werden, so wie Strom- und Wasseranschlüsse auch. Technisch ist das alles andere als die sprichwörtliche Raketenwissenschaft – oder wie Flatscher es formuliert: "Das ist ein relativ primitives System." Der Vorteil: Das Glasfasernetz gehört der Hausverwaltung, und Provider können darauf ihre Dienste anbieten. Das kommt dann auch den Bewohnerinnen und Bewohnern zugute. Sie können ihren Internetanbieter selbst wählen. Sollte es einmal nicht funktionieren, dann ist die Hausverwaltung zuständig, wie bei einem Rohrbruch auch. "Kein Mensch macht sich Sorgen, dass der Service bei einem Rohrbruch nicht funktioniert", so Flatscher. Nur kommt eben nicht der Installateur, sondern der lokale Elektriker repariert im Auftrag der Hausverwaltung das Netz.

Gemeinden auf dem Land arbeiten schon so

Dass dieses Modell funktioniert, ist erwiesen, schließlich folgt der Glasfaserausbau auf dem Land meist dieser Blaupause. Viele Gemeinden bauen sich ihre Netze selbst und öffnen sie anschließend für die Anbieter. Dass Gemeinden kritische Infrastruktur betreiben können, ist auch nicht neu: Kanal und Wassernetz liegen schon seit jeher in der Verantwortung der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Auch die europäische Union erarbeitet gerade einen Plan, wie solche Netze flächendeckend in den Mitgliedsstaaten errichtet werden können.

Technisch funktioniert das so: Jede Wohnung müsse mit zwei bis vier Fasern ausgestattet werden. An einem zentralen und zugänglichen Ort wie etwa dem Keller wird das hausinterne Netz gebündelt, ähnlich wie beim Schaltkasten der Elektroinstallation. Jede Anschlussleitung bekommt dazu eine Open-Access-ID. Solcherart als "fiber-ready home" gekennzeichnete Wohnungen würden auch deutlich im Wert steigen, argumentiert man bei der OFAA. Zusätzlich zu den Mindeststandards will die Branchenverband auch eine Planvorlage erstellen. Diese dient als eine Art Schummelzettel für die Errichtung und den Betrieb von Inhouse-Netzen.

Ziel ist es natürlich, bis 2030 alle Haushalte im Land mit Gigabit-fähigem Internet zu versorgen. Flatscher nennt hier einmal mehr das Vorbild Schweden: "Dort hat Glasfaser große Bereiche der Bevölkerung erreicht, da sagt jeder: Unter einem Gigabit ist es kein richtiges Internet. In die Richtung wird es gehen." (Peter Zellinger, 23.2.2024)