Österreich ist mit einer rückläufigen Inflationsrate ins Jahr 2024 gestartet. Im Jänner kosteten Waren und Dienstleistungen laut Statistik Austria um 4,5 Prozent mehr als vor einem Jahr, das ist der tiefste Wert seit Ende 2021. Im Dezember war der Preisauftrieb noch bei 5,6 Prozent gelegen. Der Rückgang beruht zu einem großen Teil auf den Haushaltsenergiepreisen – insbesondere auf den Strompreisen, die vor einem Jahr aufgrund der stark gestiegenen Netzkosten deutlich höher waren. "Deutliche Preissteigerungen gab es weiterhin bei Restaurants und Hotels“, sagt Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.

Eine Mutter mit Tochter steht vor einem Kühlregal im Supermarkt.
Österreichs Haushalte bleiben wegen der hohen Inflation auf erheblichen Kaufkraftverlusten sitzen.
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Auch wenn die Teuerung sich derzeit auf dem Rückzug befindet, die Bilanz der vergangenen beiden Jahre fällt für die Bevölkerung bitter aus. Denn für unselbstständig Beschäftigte belaufen sich die Kaufkraftverluste seit 2022 einer Erhebung des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts zufolge auf 6,5 Milliarden Euro. Dazu kommen weitere 3,9 Milliarden Euro, die Pensionsbeziehenden für den Kauf von Waren und Dienstleistungen fehlen. Zusammengerechnet bedeutet dies: Für die Bevölkerung sind in diesem Zeitraum 10,4 Milliarden an Kaufkraft flöten gegangen.

Verspätet abgegolten

"Der Grund ist, dass die Unternehmen die Preise wesentlich schneller erhöht haben, als die Löhne nachziehen konnten", sagt Momentum-Chefökonom Oliver Picek. "Es kann sein, dass die Preiserhöhungen, die die Unternehmen vorgenommen haben, erst eineinhalb Jahre später als Lohn oder Pensionszahlung abgegolten werden."

Dabei kommen folgende Effekte zu tragen: Unselbstständige und Pensionsbeziehende müssen die Inflation jeweils bis zur nächsten Lohn- oder Pensionserhöhung vorfinanzieren. Das ist immer so, fällt nur bei einer Jahresteuerung von 7,8 Prozent wie im Vorjahr wesentlich stärker ins Gewicht als bei einer von der Europäischen Zentralbank angestrebten zweiprozentigen Inflation. Die dadurch entstandenen Kaufkraftverluste müssen die Haushalte dauerhaft tragen.

Überdurchschnittliche Verluste

Dazu kommt: Bei steigenden Inflationsraten wird die Teuerung nur teilweise durch höhere Einkommen abgedeckt, da die aktuelle Inflation höher ist als die für die Erhöhung jeweils maßgebliche rollierende Inflation. Auch dadurch entstehen zwischenzeitliche Einbußen der Kaufkraft. Bei fallenden Inflationsraten entsteht ein umgekehrter Effekt, wodurch das Minus wieder aufgeholt wird – allerdings mit sehr starker zeitlicher Verzögerung.

Für unselbstständig Beschäftigte bedeutet das im Durchschnitt einen Verlust von 1.406 Euro pro Person, für Pensionsbeziehende beträgt das Minus im Mittel 1.768 Euro. Picek weist darauf hin, dass die Kaufkraftverluste deshalb so hoch ausfallen, weil auch die Teuerung in Österreich seit langem deutlich über dem Mittel der Eurozone liegt, wo die Inflation im Jänner bei 2,8 Prozent errechnet wurde.

Verluste beim Vermögen

Wobei sich diese Einbußen nur auf die laufenden Einkommen der Personen beziehen. Da die Sparzinsen in Österreich bei weitem nicht an die hohe Inflation heranreichen, verliert auch das Vermögen mit den in Österreich sehr beliebten Sparprodukten an Wert. Im Vorjahr büßten Haushalte laut Berechnungen des Neos Lab auf diese Weise weitere 19 Milliarden Euro an Kaufkraft ein, heuer kommen voraussichtlich etwa fünf Milliarden hinzu.

Dabei haben die Einlagenzinsen in Österreich zuletzt wieder zu sinken begonnen. Der Grund: Es zeichnet sich immer klarer ab, dass die EZB bereits den Zinsgipfel erreicht hat und der nächste Zinsschritt nach unten gesetzt werden dürfte – die offene Frage ist bloß, wann dies der Fall sein wird. Jedenfalls beträgt das Minus bei Taggeld laut einer Erhebung des Vergleichsportals Durchblicker 0,15 Prozentpunkte, bei dreijährigen Festgeldangeboten sind die Zinsangebote demnach bereits um bis zu 0,4 Prozentpunkte tiefer als noch vor drei Monaten.

Sprudelnde Gewinne

Dabei zählen Österreich Finanzinstitute ohnedies bereits zu den großen Gewinnern der Teuerungswelle. Im Vergleich zu den Jahren 2018 bis 2021 erhöhten Österreichs Banken ab 2022 die Kaufkraft ihrer Nachsteuergewinne um insgesamt 2,8 Milliarden Euro. Noch kräftiger sahnen demzufolge und trotz der Übergewinnsteuer die heimischen Energieversorger ab. Ihre Kaufkraftgewinne beziffert Picek mit fünf Milliarden Euro. Er bemängelt die schlechte Ausgestaltung der Übergewinnsteuer, weshalb diese zu einer "Bagatellsteuer" verkommen sei. "Es hätte das Potenzial gegeben, mehr Gewinne abzuschöpfen", sagt der Momentum-Ökonom.

Zudem spricht sich Picek für ein Konjunkturpaket für die Bauwirtschaft aus, denn: "Die österreichische Wirtschaft schwächelt." Konkret werde das Land gemäß einer Prognose von 2023 bis 2025 mit insgesamt 1,3 Prozent das drittschwächste Wachstum in der Eurozone erzielen, wo die Wirtschaftsleistung währenddessen um 2,8 Prozent steigen soll. Setze die Regierung auf sozialen Wohnbau, sorge dies in einigen Jahren auch für niedrigere Mieten, sagt Picek. Denn auch bei der Inflation steht Österreich schlecht da und werde von 2023 bis 2025 mit insgesamt 15,4 Prozent den zweihöchsten Preisauftrieb in der Währungsunion aufweisen. (Alexander Hahn, 22.2.2024)