Grafik Kunststudierende
Das Angebot der österreichischen Kunstunis ist vielfältig – von öffentlich bis privat, von Fotografie bis Musik.
Standard/ Fatih Aydogdu

Abgehoben, arrogant, elitär: Das Image von Kunststudierenden ist nicht unbefleckt. Vorurteile gegenüber Kunst-Unis basieren oft auf der Annahme, dass der kreative Nachwuchs in einer realitätsfernen, privilegierten Blase lebt. Denn für die Selbstverwirklichung im Kunststudium braucht es finanzielle Sicherheit.

Die Statistik unterfüttert dieses Klischee – zumindest teilweise. Laut einer Erhebung des Bildungsministeriums aus dem Jahr 2019 stammen vier Fünftel der Kunststudierenden aus einer sozial gehobenen beziehungsweise oberen Schicht. Bilden Kunstuniversitäten also nur eine kleine Elite aus?

Zeit muss man haben

In Österreich gibt es eine Vielzahl an Kunsthochschulen mit verschiedenen Schwerpunkten. Die größte staatliche Hochschule ist die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, die verschiedene Institute für Musik, Theater und Film beinhaltet. Zu den klassischen Kunstuniversitäten zählen die Akademie der bildenden Künste oder die Universität für angewandte Kunst. Beide stehen in Wien und gelten von jeher als Aushängeschilder der Szene.

Ein künstlerisches Studium ist auch an einer Privatuniversität möglich, etwa an der Gustav-Mahler-Privatuniversität für Musik und der Anton-Bruckner-Privatuniversität. Dort ist das Studium typischerweise teurer, doch auch der Weg über die staatlichen Kunst-Unis ist mit Kosten gepflastert. Das beginnt schon in der Bewerbungsphase. So müssen die Anwärterinnen in der Malerei und der Fotografie Arbeitsmappen einschicken, um ihre künstlerische Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Geld für Werkzeuge

"Natürlich kommen viele Leute aus wohlhabenden Verhältnissen", sagt Rea Djurović, Studentin der Fotografie an der Universität für angewandte Kunst Wien. "Das ergibt sich aber daraus, dass man in eine Richtung studiert, die kaum Geld verspricht, aber viel Geld kostet." Oft fallen hohe Materialkosten an, vor allem für Bereiche wie Fotografie oder Modedesign. "Die meisten in meinem Studiengang benutzen ihre eigene Kamera und Ausstattung, ich habe mehr als tausend Euro dafür ausgegeben", erzählt Rea.

Außerdem unerlässlich sei der Faktor Zeit: Davon brauche man als Kunststudentin nämlich viel, um Projekte zu finalisieren oder sich auf Events in der Branche zu vernetzen. Dadurch bleibt den Studierenden oft wenig Zeit für Erwerbsarbeit. "Man braucht Energie, Fokus und Selbstbewusstsein für ein künstlerisches Studium", sagt Sara (Name von der Redaktion geändert). Nebenbei zu arbeiten sei für die Malereistudentin an der Angewandten zwar möglich, erweise sich ihr aber zeitlich als schwierig. Zahlen des Bildungsministeriums belegen Saras Diagnose – demnach sind künstlerische Fächer überdurchschnittlich zeitintensiv, die Studierenden investieren im Schnitt 37 Stunden pro Woche.

Wenig Studierende, gute Betreuung

Rea studiert mit finanzieller Unterstützung ihrer Eltern. "Wir vergessen manchmal, wie privilegiert wir sind", sagt die 22-Jährige. "Wir haben hier das Glück, unser Hobby zum Beruf zu machen". Der Diskurs über diese Privilegien komme an der Uni aber zu kurz, findet die angehende Fotografin.

Brigitte Felderer, Vizerektorin der Angewandten, nimmt keine großen ökonomischen Unterschiede unter den Studierenden wahr. "Man merkt, dass die Studierenden aus Familien kommen, in denen Bildung als bedeutsam wahrgenommen wird. Das ist aber nicht zwingend mit mehr Geld gleichzusetzen", sagt die Dozentin zum STANDARD.

Sara stellt allerdings fest: "Ich habe manchmal das Gefühl, ich studiere auf einer Privat-Uni." Sie meint damit auch die kleinen Unterrichtsgruppen in den universitären Ateliers und Studios. An der Angewandten wurden im Wintersemester 2023 insgesamt 393 Studienanfängerinnen zugelassen, in Saras Studienfach Malerei waren es bloß sieben. Schon durch die geringe Aufnahmequote kann eine elitäre Atmosphäre entstehen.

Warum lassen die Kunst-Unis nur so wenige Personen zu? Im Wesentlichen argumentieren sie mit den guten Betreuungsverhältnissen, die bei größeren Studierendenzahlen angesichts begrenzter Kapazitäten nicht mehr zu gewährleisten wären: "Die Studierenden wissen zu schätzen, wie gut sie von den Lehrenden betreut werden. Trotzdem sind wir eine öffentliche Hochschule, es geht also nicht um Elitenbildung", sagt Vizerektorin Felderer.

Überheblich auftreten

Um sich in der Kunstszene zu etablieren, sind die richtigen Kontakte unabdingbar. "Die Uni fühlt sich manchmal eher wie ein Networking-System an als wie eine Ausbildungsstätte", bemerkt Rea. Sobald man "Teil der Bubble" sei, werde der Einstieg ins spätere Berufsleben erleichtert.

Denn Kontakte entwickeln sich oft im außeruniversitären Rahmen, etwa auf abendlichen Vernissagen bei einem Glas Wein. "Die Wiener Kunstszene ist überschaubar", bestätigt Sara. Auf Veranstaltungen treffe sie immer wieder dieselben Personen. Das Kunststudium kann den Eintritt in die Branchenzirkel vereinfachen, doch eine Garantie gibt es nicht: "Man muss schon der Typ dafür sein und sehr selbstbewusst auftreten." Das Klischees der arroganten Kunststudierenden sei nicht ganz falsch, zumal das Verhalten vom System der Kunstwelt befördert werde: Nur mit forscher Art und dicker Haut könne man sich in der Szene zu behaupten. (Alara Yilmaz, 7.3.2024)