Die Ausrede, dass der Weg ins Fitnessstudio zu weit ist, gilt im Pfeilheim nicht: In dem altehrwürdigen Wiener Studierendenheim in der Pfeilgasse im achten Bezirk, in dem schon unzählige Generationen an Studierenden vorübergehend eine Heimat fanden, muss man auf der Suche nach Gewichtsbank, Laufband und Beinpresse nur die Stiegen hinuntergehen.

Im Wiener Pfeilheim herrscht zwischen 17 und 21 Uhr immer der größte Andrang an den Maschinen.
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Im Fitnessraum trifft man Menschen, die das Training ähnlich strukturiert angehen wie ein Studium. Hannah macht gerade ihr erstes Set Hip-Thrusts, für das sie eine Langhantel mit ordentlich Gewichten beladen hat. Laurenz hängt an der Klimmzugstange. Und Leonard spult Kilometer auf dem Laufband ab.

Früher zählten in Studierendenheimen vor allem die Partyräume. Heute interessiert auch, was die hauseigenen Gyms zu bieten haben. Viele junge Menschen sind während der Corona-Pandemie angesichts abgesagter Partys bei der Fitness gelandet und dabei geblieben.

Früher kein Thema

Hannah ist seit gut einem Jahr regelmäßig an den Maschinen im Pfeilheim anzutreffen. Anfangs habe sie nicht gewusst, wie diese funktionieren. "Aber es war immer jemand da, den ich fragen konnte." Dadurch ist sie nicht nur fitter geworden, sie hat in ihrem Studentenheim auch neue Menschen kennengelernt. Das geht etwa dadurch, dass man andere darum bittet, für einen beim Bankdrücken zu spotten, erklärt Leonard. "Und dann fängt man schon zu reden an."

"Vor 20 Jahren waren Fitnessräume in Studentenheimen kein Thema", sagt Bernhard Tschrepitsch, Generalsekretär der Akademikerhilfe, der das Pfeilheim gehört. Heute hätten alle größeren Häuser des gemeinnützigen Heimbetreibers welche im Angebot. Im Pfeilheim werden die Fitnessräume von einer Gruppe an Bewohnerinnen und Bewohnern selbst verwaltet. Wer trainieren will, muss Mitglied im Verein werden, das kostet 20 Euro pro Semester und ist also – noch ein Argument für viele – deutlich günstiger als ein herkömmliches Fitnessstudio.

Die insgesamt drei Fitnessräume sind nur bei Partys geschlossen – sicher ist sicher.
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Derzeit trudeln mit dem Semesterbeginn wieder die neuen Anmeldungen für den Verein ein, der rund 260 Mitglieder hat. Das ist gut ein Viertel der Bewohner. Mit den Vereinsbeiträgen werden Neuanschaffungen finanziert. Demnächst soll etwa eine Musikanlage gekauft werden, damit nicht alle immer mit ihren Kopfhörern trainieren, erklärt Elias, Kassier des Vereins. Ein zusätzlicher Raum wäre aber noch gut. Das Geld für die Geräte wäre vorhanden, aber der Platz fehlt.

Der Buddha ist schon da

Einen eigenen Fitnessraum gibt es im The Fizz, einem höherpreisigen Studierendenwohnheim in der Brigittenau, nicht. Hier wird gerade ein früherer Study-Room zum Yogaraum umgebaut. Buddha-Statue, Pflanzen und Kerzen stehen schon bereit, nur die Yogamatten fehlen noch. Einige Tiktokkerinnen nutzen den Raum bereits für ihre Videos, erzählt Ramtin Atrchi, der im Haus für das Eventmanagement zuständig ist.

Die einen setzen auf Cardio, die anderen auf Kraft.
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Die Bewohnerinnen und Bewohner des Studentenheims dürfen ein ganzes Fitnessstudio der Marke Cleverfit im gleichen Gebäude, nur ein paar Schritte ums Eck, nutzen. Dort ist eine einmalige Gebühr von 14,9 Euro fällig, danach gibt es das rote Armband, mit dem das Studio betreten werden kann, kostenlos. Das dürfte überzeugen: Drei Viertel der Bewohnerinnen und Bewohner sind Mitglieder.

Im The Fizz wohnen hauptsächlich internationale Studierende, 52 Nationen seien hier im Schnitt vertreten, erklärt Atrchi. Aber auch hier macht sich eine Veränderung des Studentenlebens bemerkbar: "Vor Corona waren wir für unsere Partys bekannt", sagt Atrchi. Doch seit der Pandemie würden sich die jungen Menschen mehr mit Selfcare und Sport beschäftigen.

Andere Events

Partys gebe es zwar weiterhin, "aber ich musste meine Events umplanen. Früher gab es Beerpong-Nights und Karaoke, heute mieten wir ein Fußballfeld oder gehen Kartfahren", erzählt er. Und noch etwas fällt ihm dabei auf: Jene, die sich anmelden, kommen zu diesen sportlichen Events dann auch tatsächlich – im Gegensatz zu den Partys, wo meist die Hälfte nicht auftaucht.

Im Studentenheim im Gasometer in Simmering ist der Fitnessraum derzeit vorübergehend geschlossen. Nach 23 Jahren sei es Zeit für eine Renovierung gewesen, erklärt Peter Schaller, der die Studierendenheime der WBV-GPA leitet. Derzeit ist der Raum bis auf ein paar etwas verloren wirkende Geräte daher bereits ausgeräumt. An seine frühere Nutzung erinnern hauptsächlich die Depscher im Boden, die zeigen, wo in den letzten Jahrzehnten Gewichte auf den Boden knallten.

In den kommenden Wochen geht die Renovierung los. Estrich und Bodenbelag werden erneuert und die Wände neu ausgemalt. Dann kommen die neuen Geräte – darunter Laufband, Gummihanteln und Beinstreckermaschine. "Es ist kein Kraftsportzentrum, aber man kann sich fit halten", sagt Schaller. Nicht alle Wünsche der Nutzerinnen und Nutzer konnten berücksichtigt werden. Langhanteln seien zum Beispiel zu gefährlich – zumindest für den Fußboden.

Viele gehen ihr Training ähnlich strukturiert an wie ihr Studium.
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Und noch eine Neuerung bringt der neue Fitnessraum mit sich: 23 Jahre lang wurde er von den Studierenden selbst verwaltet. "Dafür findet sich leider niemand mehr", sagt Schaller. Das liege daran, dass Studieren stressiger geworden sei. Schaller glaubt aber auch, dass der Individualismus heute eine größere Rolle spiele als früher.

Anfang der 2000er-Jahre, als das Heim eröffnete, seien Bewohnerinnen und Bewohner anders gewesen – "richtige Hippies", sagt Schaller, die sich für die Gemeinschaft engagierten. Mittlerweile sei sogar der Betrieb der hauseigenen Gaso-Bar schwierig geworden, weil die Freiwilligen fehlen. Im Fitnessraum wird nun auf ein Leasing-Modell umgestiegen, eine Firma kommt zur regelmäßigen Wartung und Betreuung der Geräte vorbei. 50 Cent wird das pro Heimplatz und Monat extra kosten.

Bei Partys geschlossen

Im Pfeilheim funktioniert die Selbstverwaltung hingegen noch. Das sei wie eine "orale Tradition", erklärt Laurenz. Jene, die ausziehen, würden ihr Wissen an die Jüngeren weitergeben. Die Fitnessgeräte im Pfeilheim stehen Vereinsmitgliedern 24 Stunden am Tag zur Verfügung.

Dank des Zutrittsystems mit Fingerprint wissen die Verantwortlichen, dass manche auch mitten in der Nacht oder sehr früh am Morgen trainieren. Geschlossen werden die Fitnessräume nur, wenn wieder einmal eine Party ansteht – angeblich, weil sich schon einmal einige angeheiterte Gäste an den Geräten beinahe übernommen haben.

Denn auch wenn sich die Zeiten geändert haben: Das Feiern bleibt ein Teil des Studentenlebens, sagt Bernhard Tschrepitsch von der Akademikerhilfe. Das eine schließe das andere ja nicht aus: "Zuerst geht man trainieren, dann trinkt man ein Bier gemeinsam."

Im Studentenheim sind Fitness und Feiern ja immer nur ein paar Schritte voneinander entfernt. (Franziska Zoidl, 4.3.2024)