Es ist eine Beschreibung, die vor wenigen Monaten kaum nötig gewesen wäre: Das Stelleninserat auf der Jobplattform einer Personalberatung verspricht eine "langfristige Karriereoption" in einem "stabilen Immobilienunternehmen". Eine Sache, die heute wohl nicht mehr selbstverständlich ist – wie etwa die Pleite der Signa uns anschaulich vor Augen geführt hat.

Bei größeren Unternehmen, etwa Projektentwicklern, ist derzeit Kreativität gefragt. Sie suchen nach neuen Aufgabenfeldern und bemühen sich, ihr Personal zu halten.
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Vor zwei Jahren war das alles noch ganz anders, die Welt aus Sicht der Immobilienunternehmen noch in Ordnung. Die Zinsen waren niedrig, die Baukosten vergleichsweise auch. Es wurde eifrig geplant, entwickelt und errichtet. Die Branche war eine, der eine rosige Zukunft prophezeit wurde.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Mit den gestiegenen Grundstücks- und Baukosten durch die hohe Inflation, die gestiegenen Zinsen und zuletzt die Insolvenzen renommierter Unternehmen hat sich der Wind gedreht. Nach und nach trifft das auch jene, die in der Branche arbeiten.

Viele, vor allem Manager oder leitende Angestellte, seien verunsichert und überlegten sich, etwas komplett anderes zu machen, schreibt etwa die deutsche Wirtschaftswoche. Vor allem Projektentwickler müssten sich nun umorientieren, da Aufträge fehlten, heißt es weiter. Die Signa-Pleite habe eine regelrechte Fluchtwelle ausgelöst.

Geübt durch Corona

Doch ist dem tatsächlich so? Und sind die Auswirkungen auch in Österreich so stark zu spüren?

Ganz so dramatisch sei die Situation nicht, sagt Linda Zelenka von der Personalberatung Eblinger & Partner. Die Anzahl der Aufträge aus der Immobilienbranche an die Personalvermittler sei zuletzt zwar nicht mehr so konstant hoch gewesen wie zuvor. Gute Unternehmen würden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber auch in Krisenzeiten halten und steuern rechtzeitig gegen, "das haben viele auch durch die Pandemie gelernt". Es sei beachtlich, wie vorsorglich viele in der Branche agieren würden, weiß die Expertin.

Daher sei für die meisten die aktuelle Entwicklung auch nicht total plötzlich gekommen. Einen Fall wie jenen der Signa habe es freilich zuvor noch nie gegeben, sagt Zelenka, man müsse aber auch bedenken, dass es der Immobilienbranche zuvor über viele Jahrzehnte exorbitant gut gegangen sei. Die Expertin würde nicht so weit gehen, von einem sinkenden Schiff sprechen.

Subunternehmen leiden

Die für großvolumige Wohnbauten zuständigen Bauunternehmen, meist als Generalunternehmer tätig, könnten Konjunkturschwankungen eher ausgleichen als ihre Subunternehmer, sagt auch Klaus Wolfinger, Bauträgersprecher des Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI). Schwieriger dürfte die Situation daher für einzelne Gewerke sein, etwa für Elektriker, Installateure, Trockenbauer, Fliesenleger, Schlosser oder Spengler. "Wenn es diesen Unternehmen auch nur für ein paar Monate an Aufträgen mangelt, sind sie gezwungen, Mitarbeiter abzubauen." Seien diese oft nur angelernten Arbeitskräfte einmal woanders untergekommen, werde es für die Unternehmen schwer, wieder geeignetes Personal zu akquirieren, sagt Wolfinger.

Die meisten Expertinnen und Experten sind sich einig, dass sich durch die aktuelle Lage die Schwerpunkte in den Unternehmen verändern und dadurch auch neue Jobs geschaffen werden. Alle Bereiche rund um Nachhaltigkeit würden auch in der Immobilienbranche stark wachsen. "Da werden wir noch darum ringen, gute Leute zu finden", sagt Personalberaterin Zelenka.

Große Unternehmen, etwa Projektentwickler, federn also ab, indem sie umstrukturieren. Die Buwog, die als Bauträger und Komplettanbieter am Markt unterwegs ist, hat nun schon das zweite Jahr in Folge verkündet, dass Bauprojekte, die in der Pipeline stecken, aus Kostengründen vorerst nicht verwirklicht werden. All jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für ihre Umsetzung zuständig sind, müssen sich anderweitig beschäftigen. Viele Unternehmen schichten und schulen daher Arbeitskräfte um, suchen nach neuen Möglichkeiten und Betätigungsfeldern. Auch die Buwog. Sie hat unlängst angekündigt, ihr Geschäftsfeld zu erweitern. Man wolle neuen Kundengruppen das eigene Know-how anbieten, etwa wenn es um die Verwaltung, Vertrieb und Reparaturen geht.

Vor allem die Verwaltung ist ein Segment, das weiter wächst. Denn trotz geringer Neubauleistung gibt es weiterhin Fertigstellungen, und der Verwaltungsbedarf steigt somit nach und nach weiter an.

Zukunftsfeld Verwaltung

Ist das also die Alternative? Eine Umorientierung auf Immobilienverwaltung sei eine Option, aber nicht immer einfach, sagt Personalberaterin Zelenka: "Man kann nicht so schnell aus einem Entwickler einen Verwalter machen." Dennoch sei der Bereich der Verwaltung bis heute einer, der sehr schwer zu besetzen ist. Das bestätigt auch Matthias Schulmeister vom gleichnamigen Personalvermittlungsunternehmen: Fast jede Hausverwaltung habe riesige Probleme, Objektbuchhalter zu finden, das sei eine der am schwierigsten zu besetzenden Positionen. Das zeige, dass es selbst in dieser Branche noch Mangelberufe gebe, klar sei aber auch: "Nicht jeder aus dem Controlling oder dem Assetmanagement kann nun schnell Objektbuchhalter werden."

Die aktuelle Situation bringt laut Schulmeister vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sehr spezialisierten Qualifikationen in Bedrängnis, die teilweise schon lange in ihren Unternehmen tätig sind. Sie könnten nicht so schnell die Branche wechseln; anders etwa als Buchhalter oder Junior Controller, die weniger einschlägige Erfahrungen haben.

Neben der Signa dürften auch noch andere, kleinere Entwickler die aktuelle Krise nicht überleben, weil sie ein zu großes Risiko eingegangen sind, sagt Schulmeister. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen nun jedenfalls in den sauren Apfel beißen und sich einen neuen Job suchen. Dennoch hält Schulmeister es für unangebracht, ein Schreckgespenst an die Wand zu malen und gar von einer Fluchtwelle aus der Branche zu sprechen.

Rund 16.000 Jobs sind heuer auf dem Bau gefährdet.
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Gute Leute würden immer einen Platz finden, sagt auch Zelenka. Das gilt nicht nur für leitende Angestellte und das Management, sondern auch auf dem Bau. Aktuell stehen nicht nur Großbaustellen still, auch Einfamilienhäuser werden weit weniger gebaut, da Kredite schwerer zu bekommen sind. Dazu kommen hohe Lohnkosten am Bau. Zuletzt sind sie im Mai 2023 um 9,5 Prozent gestiegen. Laut dem Marktforschungsinstitut Branchenradar.com sind heuer 16.000 Jobs am Bau gefährdet, nächstes Jahr werden es 12.000 sein, 2023 waren es bereits 10.000.

Doch nicht in allen Segmenten geht es bergab. Vor allem gut ausgebildete Fachkräfte sind weiterhin gefragt. Und Sanierungen sind ein Zukunftsfeld. Das Problem: Viele Handwerker sind dafür heute nicht mehr ausgebildet und auf industrielles Bauen eingestellt, heißt es etwa von der Kammer für Ziviltechnikerinnen und Architekten. Es bräuchte neue Lehrplätze und ein gesteigertes Ansehen dieser Berufe.

Apropos: Die Rückgänge der privaten Aufträge spüren freilich auch Architektinnen und Ziviltechniker in ihrem Metier. Eine Umfrage unter mehreren Büros hat laut der zuständigen Kammer vergangenen Herbst jedoch ergeben, dass die meisten keine personellen Veränderungen planen, sagt der Kammer-Präsident von Wien, Bernhard Sommer. In den vergangenen Jahren seien viele Büros allerdings auch "heiß gelaufen" und hätten Schwierigkeiten gehabt, überhaupt qualifizierte Personen zu finden. Nun habe sich die Lage etwas abgekühlt. Aus der Umfrage wisse man aber auch, dass aktuell etwas weniger der befragten Büros bereit sind, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen als in den Jahren davor.

"Baustopp keine Lösung"

Dass derzeit wenig neu gebaut wird, führt langfristig zu einer schlechteren Versorgung des Marktes mit Wohnungen. Würden Immobilienunternehmen nun im großen Stil Personal abbauen, könnte das die Situation weiter verschärfen. Das scheint jedoch – zumindest in Österreich – derzeit ohnehin nicht zu passieren. Dass aber eine Umorientierung innerhalb der Branche stattfindet, etwa vom Neubau auf Sanierungen, hält Sommer für eine gute Entwicklung: "Ein Baustopp ist überhaupt keine Lösung, wir müssen immerhin weiter Wohnraum schaffen."

Die Frage sei nur, ob der Fokus aufs Sanieren wirklich gelinge. Denn Sanierungen seien einerseits planungsintensiv, andererseits mit weniger Umsatz verbunden.

Insofern ist die Krise womöglich auch eine Chance für die Branche und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich umzuorientieren – und nicht nur so zu bauen, wie es am meisten Profit bringt, sondern so, wie es am nachhaltigsten ist. (Bernadette Redl, 28.2.2024)