Peter Westenthaler ist – ab Mittwoch formell – zurück auf dem Küniglberg, als FPÖ-Vertreter im ORF-Stiftungsrat. Schon 2000 hat er als ORF-Aufsichtsrat und FPÖ-Medienpolitiker zusammen mit der ÖVP einen ORF-General mit einem neuen Gesetz vorzeitig aus dem Amt befördert und versucht, ORF-Journalistinnen und -Journalisten mit einem Interventionsbombardement mürbe zu machen. Binnen 15 Monaten rechnet Westenthaler nun im STANDARD-Interview mit einer Neubestellung der ORF-Führung, "wie wir es 2001 gemacht haben". ORF-Anchor Armin Wolf wirft er im Gespräch "politische Agitation" vor.

Peter Westenthaler im STANDARD-Interview
"Es wird eine Neuwahl im ORF geben, spätestens in 15 Monaten": Peter Westenthaler rechnet mit verkürzter Amtszeit für die ORF-Führung, "wie wir es 2001 gemacht haben".
Lea Sonderegger

ORF-Generalsmacher Westenthaler

Peter Westenthaler war langjähriger Mitarbeiter von FPÖ-Chef Jörg Haider, in der ersten Koalition von ÖVP und FPÖ ab 2000 war er Klubobmann der FPÖ und bis zum neuen ORF-Gesetz 2001 auch Mitglied des damaligen ORF-Aufsichtsrats. Das ORF-Gesetz von 2001 untersagte aktiven Politikern und Parteiangestellten bis zu vier Jahre nach ihrem Mandat die Mitgliedschaft im neuen ORF-Aufsichtsorgan Stiftungsrat.

Dieses neue ORF-Gesetz von 2001 sah auch eine um ein Jahr vorgezogene Neubestellung des ORF-Stiftungsrats vor, mit der ORF-Generalintendant Gerhard Weis durch die damalige ÖVP-Vertrauensfrau Monika Lindner abgelöst wurde.

Fünf Jahre später gab wiederum Westenthalers Fraktion – nun die FPÖ-Abspaltung BZÖ in Koalition mit der ÖVP – den Ausschlag für die Ablöse Lindners durch Alexander Wrabetz. Westenthaler sagt, entscheidend für das Votum gegen Regierungspartner ÖVP war damals, dass die ÖVP auf Werner Mück als ORF-Chefredakteur beharrte; Mück habe die ORF-Information nach Westenthalers Wahrnehmung alleine ÖVP-fokussiert und feindlich geführt. Fakt ist: Sozialdemokrat Wrabetz sicherte den Freiheitlichen in seiner ersten ORF-Direktion ab 2007 drei Vertrauensleute in Infodirektion, Onlinedirektion und Radiodirektion zu.

"Herbert Kickl ist kein Rechtsextremist"

STANDARD: Wie kann man sich die Szene vorstellen? Herbert Kickl ruft Sie an, sagt: Geh, vergessen wir das mit dem "Politchamäleon ohne Rückgrat und Charakter" von 2006 …

Westenthaler: Ich hatte das gar nicht mehr auf dem Schirm, mich hat erst Armin Wolf daran erinnert. Ich bin zwar nicht auf Twitter, also X, aber man schickt mir zu, was er auf seinem Lieblingsspielzeug über mich postet. Posten ist ja offenbar seine Hauptbeschäftigung, er arbeitet ja offenbar nur zwei Stunden am Tag und twittert den Rest.

STANDARD: Kickls Zitat über Sie als "Politchamäleon" stammt aus einer Aussendung von 2006.

Westenthaler: Herbert Kickl war damals Generalsekretär der FPÖ und ich war damals Spitzenkandidat der Konkurrenzpartei BZÖ, das ist doch ganz normal in einem Wahlkampf. Ich habe mit Herbert Kickl immer ein gutes Einvernehmen gehabt. Wir kennen uns über 30 Jahre, wir waren gemeinsam im Büro von Jörg Haider. Der Kontakt war immer aufrecht, und er hat sich in den letzten Jahren intensiviert.

STANDARD: Kickl wollte Sie schon länger im ORF-Stiftungsrat.

Westenthaler: Anfang 2022 gab es die Diskussion, aber ich war damals beruflich intensiv eingesetzt mit Auslandsprojekten. Jetzt hat es gepasst für mich. Ich bin ja von den Linken sehr warm empfangen worden als "maximaler Rottweiler" und "Rambo" und zuletzt als "Stinkbombe".

STANDARD: Ist das nicht auch die Idee der FPÖ hinter dem Engagement, wird von Ihnen nicht mehr Punch im obersten ORF-Gremium erwartet?

Westenthaler: Die FPÖ erkennt meine Expertise, ich war ja schon drei Jahre in dem Gremium, und meine Leidenschaft war immer die Medienpolitik. Das war wahrscheinlich der ausschlaggebende Grund.

"Ich will nichts zerstören, nichts aus den Angeln heben."

STANDARD: Und warum machen Sie das?

Westenthaler: Ich will da oben wirklich etwas bewirken, auch wenn ich im Stiftungsrat heute ein Einzelkämpfer bin. Ich will nichts zerstören, nichts aus den Angeln heben. Ich will einen ORF, der künftig wieder einen guten Ruf hat.

STANDARD: Wenn Sie etwas bewirken wollen: Wie sieht für Sie ein idealer ORF aus?

Westenthaler: Erstens: Der ORF-Beitrag, diese Zwangssteuer, wird binnen eines Jahres wieder abgeschafft. Der Stiftungsrat könnte das empfehlen, ich werde das ständig beantragen, sobald ich ab kommender Woche formell Stiftungsrat bin.

STANDARD: Warum sind Sie für die Abschaffung?

Westenthaler: Eine solche Zwangsgebühr ist ein Anachronismus, den es in vielen Ländern gar nicht mehr gibt.

STANDARD: In Deutschland gibt es eine solche Haushaltsabgabe seit 2013, in der Schweiz seit 2019.

Westenthaler: Auch eine Budgetfinanzierung gibt es bereits in vielen Ländern. Ich kann nicht in einer Zeit, wo es den Menschen schlecht geht, 700 Millionen über eine Zwangsgebühr einkassieren. Warum tut man sich das an, was reitet eine Regierung, in Zeiten der Hochinflation noch eine Gebühr aufzuerlegen? Es ist doch das Einfachste, ich finanziere das aus dem Budget.

STANDARD: Das birgt die Gefahr höherer politischer Abhängigkeit. Wenn der ORF jedes Jahr warten muss, wie viel Geld die Regierung budgetiert …

Budgetfinanzierung für ORF und andere Medien

Westenthaler: Dann muss man es klug machen: Am Beginn einer Legislaturperiode wird ein jährlicher Fixbetrag bis Ende der Legislaturperiode vereinbart, mit einem Anpassungsfaktor an die Inflation. Da brauche ich nicht jedes Jahr verhandeln gehen. Aber so ein Modell kann es nicht alleine für den ORF geben.

STANDARD: Sondern?

Westenthaler: Für alle, also auch für private Medienunternehmen. Dann entscheiden wir uns für eine umfassende Medienförderung. Soll’s eine Milliarde sein oder 1,5 Milliarden Euro.

STANDARD: Die wie vergeben werden?

Westenthaler: Vergeben nach einem Kriterienkatalog, der nichts mit Politik zu tun hat, sondern rein mit Infrastruktur – Redaktionsförderung, Ausbildungsförderung, Technikförderung…

STANDARD: Budgetfinanzierung des ORF war ein Teil der medienpolitischen Ankündigungen der FPÖ, Teil zwei war Budgetreduzierung für den ORF auf einen "Grundfunk". Was ist ein Grundfunk noch, was gibt es dann nicht mehr?

Westenthaler: Der ORF hat grundsätzlich die Aufgabe, öffentlich-rechtliches Fernsehen zu machen. Das macht er nur teilweise. Es kann mir niemand erzählen, dass ORF 1 öffentlich-rechtlich ist. Dann mache ich doch aus ORF 1 einen privaten Sender …

STANDARD: … den wer betreibt?

Westenthaler: Der ORF, finanziert mit Werbung. Oder ich mache aus ORF 1 einen klar öffentlich-rechtlichen Sender, der nicht von neun bis drei Uhr früh mit alten Serien zugepflastert ist.

STANDARD: Das ist nicht mehr ganz so, untertags gibt es sie noch.

Gehaltsdebatte

Westenthaler: Ich spitze zu. Wir sollten das offen diskutieren. Wir wollen den ORF nicht zerschlagen. Österreich braucht einen öffentlich-rechtlichen ORF. Aber keinen öffentlich finanzierten ORF, der mit Zwangssteuern solche Spitzengehälter von 400.000 oder 500.000 Euro auszahlt.

STANDARD: Spitzengehälter über 400.000 dürften schon ein Einzelfall sein.

Westenthaler: Es ist so! Wir werden das bald sehen, bis Ende März muss der ORF seine Gehälter veröffentlichen. Das sind Gebührengelder. Dazu kommen noch Nebeneinkünfte.

STANDARD: Was wäre ein angemessenes Gehalt für ORF-Spitzenfunktionen?

Westenthaler: Das habe ich nicht festzustellen.

STANDARD: Wenn Ihnen die bestehenden unangemessen erscheinen, muss es ja einen Maßstab geben.

Westenthaler: Man muss sich internationale Vergleiche anschauen. Der ORF ist da im Spitzenfeld.

"Es soll niemand ein Armutsgelübde ablegen müssen, man soll schon ordentlich zahlen, vor allem, wenn es Stars sind."

STANDARD: In Deutschland dürfte der ORF-Chef im oberen Bereich der öffentlich-rechtlichen Intendantengehälter liegen, aber unter Schweizer Dimensionen.

Westenthaler: Es soll niemand ein Armutsgelübde ablegen müssen, man soll schon ordentlich zahlen, vor allem, wenn es Stars sind. Aber es müssen Kriterien festgelegt werden. Im Moment ist es jedenfalls zu hoch, wenn man gleichzeitig öffentliches Geld kassiert.

STANDARD: Wir brauchen noch ein Zweitens für Ihre ORF-Vorstellungen, Erstens waren ORF-Beiträge und Gehälter.

Westenthaler: Das ist die Information: Ist der ORF tatsächlich ein objektiver Rundfunk, wie es das Gesetz verlangt?

STANDARD: Was ist Ihr Eindruck?

Westenthaler: Der ORF pflegt die von ihm verlangte Äquidistanz zu allen Parteien derzeit nur zu einer Partei, der FPÖ. So arg war es noch nie. Das ist eine reine Propagandamaschinerie.

STANDARD: Ich teile diesen Eindruck nicht, mir scheint der ORF eher ziemlich bemüht, FPÖ-Stimmen zu Wort kommen zu lassen.

Westenthaler: Ich werde meinen Eindruck in meiner ersten Sitzung des ORF-Stiftungsrats am 7. März mit einer langen Liste von ganz konkreten Beispielen aus den letzten drei vier Monaten untermauern. Das wird eine lange Sitzung.

"Ich will wissen, was der Generaldirektor dazu sagt."

STANDARD: Ein Beispiel?

Westenthaler: Es ist eine perfide Unsitte eingerissen, unter dem Deckmantel der Wissenschaft Experten einzuladen. Es vergeht keine Woche ohne einen Rechtsextremismusforscher. Wenn man die dann googelt, waren sie zum Beispiel wie eine Expertin früher Spitzenkandidatin der KPÖ in Kärnten und arbeitet in der Grünen Bildungswerkstätte.

STANDARD: Die Frau darf deshalb nicht eingeladen werden?

Westenthaler: Die kann jeden Tag eingeladen werden, die kann eine eigene Sendung kriegen, aber dann muss darunter stehen: ehemalige KPÖ-Spitzenkandidatin oder Mitarbeiterin der Grünen. Ich nenne das parteipolitische Klarnamenpflicht.

STANDARD: Wenn jemand vor 20 Jahren …

Westenthaler: Da geht es nicht um 20 Jahre. Zuletzt war ein deutscher Experte bei Armin Wolf, der war vor vielen, vielen Jahren bei der SPD und kam aus der Jungsozialisten-Bewegung. Das meine ich nicht.

STANDARD: Aber natürlich gibt es immer wieder Schnittpunkte der FPÖ und des Rechtsextremismus. Mandatare, die schon stolz mit Hitlergruß posiert haben, Liederbücher, NS-Anspielungen …

Westenthaler: Herbert Kickl ist kein Rechtsextremist, und die FPÖ ist keine rechtsextreme Partei, das würde jeder wirklich objektive Rechtsextremismusforscher so bestätigen. Die Frage der Experten ist nur ein Aspekt auf meiner Liste. Auch Diskussionsendungen werden als Propagandawerkzeug missbraucht. Wenn eine Moderatorin, wie zuletzt am Sonntag, dem sie duzenden grünen Diskussionsteilnehmer zuzwinkert und ihm das wesentliche Schlusswort erteilt.

STANDARD: Wie viele Stunden wird der Stiftungsrat mit ihrer Liste brauchen?

Westenthaler: Das wird in die Abendstunden gehen. Ich will wissen, was der Generaldirektor dazu sagt.

Interventionsbombardement

STANDARD: Sie waren schon vor gut 20 Jahren im ORF-Aufsichtsgremium und haben, als Klubobmann der FPÖ in der ersten Koalition mit der ÖVP den ORF und die ORF-Information massiv angegriffen. Damit kann man gut erklären, warum man nun erwartet, dass Sie als "Rottweiler" oder Kampfansage in den ORF-Stiftungsrat gehen. Laut ORF-Redaktionsrat haben Sie damals täglich vielfach in den Redaktionen angerufen und massiv interveniert. Sie haben wutentbrannt bei der Sonntagabenddiskussion, sie hieß damals "Betrifft", angerufen, bis sie in die Sendung live geschaltet wurden.

Westenthaler: Das war anders. Ich habe die Sendung noch zu Hause, schaue sie mir gelegentlich an. Johannes Fischer war der Sendungsverantwortliche, er hat eine Diskussionsrunde über die FPÖ zusammengestellt, ohne einen Vertreter der FPÖ. Ich habe ihn im Vorfeld angerufen und habe ihn gewarnt: Wenn das ein reines FPÖ-Bashing wird, ist das nicht objektiv. Er hat mir versichert, das wird eine hochstehende intellektuelle Diskussion. Sollte das abdriften, soll ich ihn anrufen. Das hat gut angefangen, ist aber dann plötzlich in eine Suada gegen die FPÖ abgeglitten. Ich rufe also an, er sagt: Okay, das war so vereinbart und schaltet mich auf Sendung. Man merkt beim Zuschauen, ich war anfangs selbst überrascht, dass ich auf Sendung bin. Und dann ist der Generalsekretär durchgekommen und ich habe das Forum genutzt und nicht mehr aufgehört zu reden. Manche meinen, das war zu lang oder vielleicht unfair. Ich habe nur eine Chance genutzt, um vieles richtigzustellen.

"Ja, ich gebe zu, ich habe angerufen, vielleicht sogar oft angerufen. Aber ich habe niemanden bedroht, das ist absoluter Schwachsinn, das wird man mir nicht nachweisen können."

STANDARD: Und das, laut Redaktionsrat, Interventionsbombardement?

Westenthaler: Ja, ich gebe zu, ich habe angerufen, vielleicht sogar oft angerufen. Aber ich habe niemanden bedroht, das ist absoluter Schwachsinn, das wird man mir nicht nachweisen können. Ich habe auf falsche Berichte verwiesen. Vielleicht bin ich da falsch verstanden worden. Mir ist es immer um Fairness gegangen. Darum geht es heute auch. Ich habe mit Herbert Kickl recht ausführlich gesprochen, wie man das anlegt.

STANDARD: Und, wie sollen Sie es anlegen?

Westenthaler: Er hat das gesagt, was ich vor 20 Jahren gesagt habe: Ich will keine Bevorzugung, ich will kein blaues Fernsehen, er hat eh FPÖ-TV, wo mehr zuschauen als bei mancher ORF-Sendung. Er will Fairness und Objektivität im Sinne des Gesetzes.

STANDARD: Mehr Zuschauer bei FPÖ-TV als bei ORF-Sendungen, das passiert doch eher selten.

"Propagandaorgel"

Westenthaler: Die freiheitlichen Ansprüche an den ORF sind nicht überzogen. Wir wollen Fairness, Äquidistanz zu allen. Der ORF hätte die Chance, sich in einem Superwahljahr als Informationsorgel zu profilieren, nicht als Propagandaorgel.

STANDARD: Ich teile den Eindruck einer Propagandaorgel nicht, aber wir reden hier beide über Eindrücke.

Westenthaler: Der ORF hat in einer "ZiB" die FPÖ als "blaue Regierungsbande" beschimpft und wurde dafür rechtskräftig verurteilt. Ich vermute, dass in einer Umfrage zwei Drittel sagen würden, der ORF informiert nicht objektiv.

STANDARD: Die Formulierung fiel in einem "ZiB Magazin". In einer Market-Umfrage für den STANDARD im Herbst 2022 vergaben 27 Prozent eine Schulnote fünf auf die Frage, ob die ORF-Information völlig objektiv ist, 15 Prozent einen Vierer, 33 ein "Befriedigend", 19 Prozent ein "Gut" und sechs Prozent ein "Sehr gut".

Westenthaler: Das ist eine Bestätigung. Immerhin 43 Prozent sagen über die ORF-Information: nicht völlig objektiv. Nur 25 Prozent sehen völlige Objektivität. Und warum müssen ORF-Journalisten auf Social Media politische Kommentare abgeben? Das ist bei der BBC verboten.

STANDARD: Tun sie das? Tut das etwa, um den Bekanntesten zu nennen, Armin Wolf? Politische Kommentare?

Westenthaler: Agitation würde ich sagen, nicht politische Kommentare. Wer sich als ORF-Chefredakteur oder -Anchorman auf Social Media parteipolitisch äußert, schadet sich doch selbst. Ich verstehe nicht, dass Armin Wolf das nicht kapiert.

STANDARD: Haben Sie den Eindruck, dass Armin Wolf parteipolitische Agitation betreibt auf Twitter?

Westenthaler: Ja, und damit bin ich nicht alleine. Ich will Armin Wolf sein Kinderspielzeug nicht wegnehmen. Ich glaube, dass X für ihn wichtiger ist als die "ZiB 2". Ich finde Armin Wolf fachlich und journalistisch nicht schlecht. Er macht grundsätzlich auch gute Interviews, wenn er nicht einen Freiheitlichen dort sitzen hat. Dann muss er besonders moralisierend sein. Das hat er nicht notwendig.

STANDARD: Aber geht nicht jeder Politiker und jede Politikerin gleich irritiert und grantig aus dem "ZiB 2"-Studio?

Westenthaler: Ich kenne von ihm kaum unkritischen Politikerinterviews. Aber ein Freiheitlicher wird besonders kritisch und manchmal verhöhnend behandelt. Ich persönlich habe mich da nie beschwert, ein Match ist immer besser spannend als fad.

STANDARD: Hat Armin Wolf den Neo-Stiftungsrat Westenthaler schon eingeladen ins Studio?

Westenthaler: Nein, warum soll er mich einladen? Ich bin ja nur einer aus 35. Da hat er schon wieder recht. Außerdem hat er bei Interviews mit mir meist den Kürzeren gezogen.

STANDARD: Rufen Sie jetzt wieder direkt in den ORF-Redaktionen an wie in den 2000er Jahren oder heben Sie sich die Listen für den Stiftungsrat auf?

Westenthaler: Ich bin noch nicht im Amt. Und ich habe nicht vor, Journalisten anzurufen. Mein Ansprechpartner ist der Stiftungsrat und der ORF-Generaldirektor. Aber meine Tür steht umgekehrt für jeden ORF-Mitarbeiter offen.

STANDARD: Sie sagten vorher, Sie hätten 2000/2001 im ORF niemanden bedroht: Dem damaligen ORF-Generaldirektor Gerhard Weis drohten Sie Ende Juni 2001 mit einer Millionenklage – strafrechtlich, zivilrechtlich, wettbewerbsrechtlich, arbeitsrechtlich – wegen angeblicher "Untreue", da ging es um eine Vereinbarung mit privaten Medien über Werbebeschränkungen.

Westenthaler: Wirklich? Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern.

"Es wird eine Neuwahl im ORF geben, spätestens in 15 Monaten."

STANDARD: Das Verfahren verlief im Sand, ÖVP und FPÖ haben Weis dann ohnehin Ende 2001 mit einem neuen ORF-Gesetz vorzeitig abgelöst. Das könnte sich nun, in einer neuen Koalition von FPÖ und ÖVP, wiederholen. Nach meinem Eindruck ist die ÖVP enttäuscht, dass der dank ihrer Mehrheit im Stiftungsrat bestellte Roland Weißmann keinen ÖVP-freundlicheren ORF zuwege brachte. Sie haben schon viel Erfahrung, ORF-Chefs abzuservieren.

Westenthaler: Sagen wir lieber: demokratisch zu wählen.

STANDARD: Sie haben schon einmal ein neues ORF-Gesetz gemacht, um die Amtszeit eines ORF-Generals zu verkürzen.

Westenthaler: Das könnte wieder sein. Innerhalb der nächsten 15 Monate muss es nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die ORF-Gremien ein neues ORF-Gesetz mit neuen Regelungen für die Gremien geben. Und wenn es neue Gremien gibt, muss auch das von diesen Gremien bestellte ORF-Management neu gewählt werden.

STANDARD: Renommierte Rundfunkrechtler sagen: Das ist bei einer Änderung der Regelungen für die Gremien nicht zwingend.

Westenthaler: Ich gehe davon aus. Die nächste Regierung, egal wer sie ist, muss ein neues ORF-Gesetz machen, mit so vielen Änderungen, dass auch das Management neu gewählt wird. Es wird eine Neuwahl im ORF geben, spätestens in 15 Monaten. Ich bin fest davon überzeugt. Das ist das Gleiche, wie wir es 2001 gemacht haben.

STANDARD: Können Sie sich bei so einer Neubestellung vorstellen, als Stiftungsrat den amtierenden General Roland Weißmann zu unterstützen?

Westenthaler: Das kann ich ihnen beim besten Willen jetzt nicht sagen. Ich bin noch nicht einmal Stiftungsrat, muss ihn erst kennenlernen. Das kann ich Ihnen vielleicht in einem halben Jahr sagen. Warum soll der amtierende Generaldirektor aber nicht das Zeug dazu haben?

STANDARD: Wir haben 2000 ein Interview gemacht, damals sagten Sie, sie könnten sich "selbstverständlich" vorstellen, Gerhard Weis als ORF-General wiederzubestellen, den sie dann 2001 vorzeitig verabschiedeten. Was muss ein ORF-General denn können?

Westenthaler: Er muss führen und darf nicht zuschauen, was in seinem Unternehmen passiert. Das war der Fehler seiner Vorgänger. Ein Generaldirektor kann sich nicht zurücklehnen und sagen: Ich mische mich redaktionell nicht ein. Er muss schon sagen, wenn etwas falsch läuft und dem Unternehmen schadet. Ich habe nie behauptet, dass das ein einfacher Job ist. Ich möchte das nicht sein.

STANDARD: Wie würde ein Stiftungsrat oder Aufsichtsrat des ORF nach den Vorstellungen von Peter Westenthaler aussehen?

Westenthaler: Vier, fünf Personen, echte Wirtschaftskapazunder, die das Unternehmen wirtschaftlich beraten und kontrollieren.

STANDARD: Gibt es in Österreich politisch unabhängige Wirtschaftskapazunder, und wer bestellt die dann in den ORF?

Westenthaler: Ich denke schon. Wenn ich mir die Wirtschaftsflaggschiffe anschaue, würde ich selbst bei teilverstaatlichten Unternehmen in den Vorstandsetagen keine ungeeigneten Kandidaten sehen.

STANDARD: Manager wie der Unternehmer Siegfried Wolf zum Beispiel?

Westenthaler: Er ist ein erfolgreicher Manager. Es wird ohnehin darüber diskutiert werden. Bis in einem Jahr muss es laut Verfassungsgerichtshof neue Regelungen für den Stiftungsrat geben, und eine neue Regierung wird es da auch geben. Diskutieren wir das, machen wir einen neuen ORF.

STANDARD: Das hätten Sie schon 2001 mit der ÖVP machen können, als sie gemeinsam ein neues ORF-Gesetz gemacht haben. Sie haben an der Zusammensetzung des obersten ORF-Gremiums praktisch nichts geändert.

Westenthaler: Wir haben die Politiker wegrationalisiert. Mehr wollte die ÖVP nicht. Mit der ÖVP war eine weitergehende Reform nicht möglich. Wir wollten schon damals ein privatwirtschaftlich geführtes ORF 1 versuchen.

STANDARD: Das jüngste, geltende ORF-Gesetz sorgte für heftige Kritik privater Medienunternehmen, es ermögliche dem ORF online zu viel und lasse privaten Angebote keine wirtschaftliche Chance.

Westenthaler: Ich bin der Meinung, dass so ein Unternehmen alle Möglichkeiten haben muss, auch Social Media zu bedienen. Ich verstehe die Aufregung überhaupt nicht. Das ist nicht meine Baustelle. Wir leben in einer digitalen Welt. Mir ist es fast zu wenig, der ORF soll im Online-Auftritt größtmögliche Freiheit haben. Das ist für mich nicht so relevant. (Harald Fidler, 25.2.2024)