Die erste strafrechtliche Verurteilung eines früheren Kanzlers seit mehr als dreißig Jahren: Das ist ein schreckliches Zeichen für die österreichische Politik, auch wenn die Entscheidung nicht rechtskräftig ist.

Kurz und Anwalt
Sebastian Kurz mit Anwalt Otto Dietrich nach der Urteilsverkündung.
STANDARD/Corn

Zu einem Großteil hat sich das Sebastian Kurz selbst zuzuschreiben. Es ist menschlich nachvollziehbar, dass er auf seinem Standpunkt beharrt und keine Fehler eingeräumt hat. In diesem Fall führte das, wie so viele türkise Strategien, aber nur zu einer unnötigen Eskalation.

Keine öffentliche Selbstkritik

Kurz hätte drei Chancen gehabt, dieses Desaster zu vermeiden. Hätte er sie genutzt, hätte das für ihn wohl nur geringe politische Auswirkungen gehabt. Zunächst hätte er damals, im U-Ausschuss, seine Involvierung in Personalentscheidungen bei der Öbag offener darstellen können. Er hätte sagen können, dass er natürlich ein Wort mitzureden hatte und Leute, denen er vertraut, im Aufsichtsrat sehen wollte. Als Kanzler, der sich um ein Portfolio an Staatsbeteiligungen im Wert von mehr als zwanzig Milliarden Euro schert.

Das hat er nicht getan, sondern nur formelhaft auf die Zuständigkeit des Finanzministers verwiesen. Offenbar im Glauben, es würde reichen, korrekt, aber unvollständig auszusagen.

Als dann Ermittlungen eingeleitet wurden, hätte Kurz als Staatsmann sagen können: Ich schaue mir das selbstkritisch an. Stattdessen intensivierte seine ÖVP die politischen Angriffe auf die Korruptionsstaatsanwaltschaft, denen parteipolitische Motive unterstellt wurden. Es war Kurz lieber, die Institutionen der Republik zu attackieren, als sich selbst zu hinterfragen.

Angriff als Verteidigung

Die dritte verpasste Chance war vor Gericht. Auch hier hätte Kurz – ähnlich wie Ex-Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner – Verantwortung übernehmen und Fehler einräumen können. Denkt jetzt irgendjemand in dieser Republik schlechter von Glatz-Kremsner, weil sie angab, sie hätte sich besser auf ihre Befragungen vorbereiten können und Dinge sagen sollen, die sie nicht gesagt habe? Das ist zu bezweifeln.

Doch Kurz und seine Verteidigung wollten gleich einmal den Richter austauschen, weil der vor mehr als einem Jahrzehnt im Rahmen von Ermittlungen mit Peter Pilz zu tun hatte; und man zauberte groteske Zeugen aus Russland aus dem Hut, um dem Belastungszeugen Thomas Schmid zu schaden. Und Kurz blieb dabei, dass er heute genauso aussagen würde wie damals im U-Ausschuss.

Jetzt hat Kurz nicht rechtskräftig eine bedingte Haftstrafe kassiert, und seine treuesten Anhänger, darunter auch Abgeordnete, versuchen mit Fehlinterpretationen des Urteils oder mit absurden Theorien über grüne Verschwörung für Stimmung zu sorgen. Offenbar haben manche noch immer nicht verstanden, welchen Schaden sie anrichten – vor allem für die eigene Bewegung. (Fabian Schmid, 25.2.2024)