Israel soll von der Kunstbiennale in Venedig ausgeschlossen werden.
Israel soll von der Kunstbiennale in Venedig ausgeschlossen werden.
AP/Antonio Calanni

Nach der Aufregung um israelkritische Äußerungen von Künstlerinnen und Künstlern am Abschlussabend der Berlinale hat nun auch die Kunstbiennale von Venedig ihren Eklat – und das bereits zwei Monate bevor die 60. Ausgabe der größten und ältesten internationalen Kunstausstellung der Welt ihre Tore öffnet. In einer über weite Strecken drastisch formulierten und extrem einseitigen Petition fordern mehrere Künstlerinnen und Künstler, dass Israel auf der Biennale 2024 keinen Pavillon bekommen soll. Inzwischen ist die Online-Petition von rund 15.000 Personen unterzeichnet worden.

Hinter der Petition steckt eine Gruppe, die sich "Art Not Genocide Alliance" (Anga) nennt. Große Namen der internationalen Kunstszene fehlen, der bekannteste Anga-Vertreter ist wohl der in Berlin lebende britische Bildhauer und Installationskünstler Jesse Darling, der 2023 den Turner Prize erhalten hat. Die Art Not Genocide Alliance wirft den Veranstaltern der Biennale "Doppelmoral" vor, weil sie "zu den Gräueltaten Israels an den Palästinensern geschwiegen haben". Jede Beteiligung Israels an der Kunstausstellung käme einer "Gutheißung des Genozids in Gaza gleich", heißt es in der Petition. Die Biennale würde auf diese Weise "zu einer Plattform eines völkermordenden Apartheidstaats".

Keine Erwähnung des 7. Oktober

Der Vorwurf der Doppelmoral fällt freilich auf die Initiatoren zurück: Die Autorinnen und Autoren des Pamphlets bringen das Kunststück fertig, das Massaker der palästinensischen Terrororganisation Hamas an israelischen Zivilisten vom 7. Oktober 2023 mit keinem einzigen Wort zu erwähnen. Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano will von einem Ausschluss Israels denn auch nichts wissen und bezeichnet die Petition als "inakzeptabel und schändlich". Die Biennale werde immer ein Ort der Freiheit, der Begegnung und des Dialogs bleiben, an dem es keinen Platz für Zensur und Intoleranz gebe.

Die Kunstbiennale unter der Leitung des brasilianischen Kurators Adriano Perosa bezog zur Forderung nach einem Ausschluss Israels mit einem knappen Statement Stellung. Darin wird klargestellt, dass alle von der italienischen Republik anerkannten Länder eigenständig eine Teilnahme an der Kunstbiennale beantragen können und demnach keiner Petition, die den Wunsch eines Ausschlusses fordere, nachgekommen werde. Dies treffe auf Israel sowie Iran zu, heißt es weiter. Auch die Menschenrechtsorganisationen "Woman Life Freedom Europe" und "Woman Life Freedom Italy" hatten den Ausschluss des Irans von der Kunstbiennale Venedig verlangt, wie die Woche bekannt wurde.

Der Nahost-Konflikt bestimmt auch in Italien seit Monaten den öffentlichen Diskurs. Vor allem linke Gruppierungen verurteilen die israelische Offensive im Gazastreifen, der schon über 30.000 Palästinenser zum Opfer fielen, zum Teil scharf. Auch der Vatikan hatte vor zehn Tagen das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza als "unverhältnismäßig" bezeichnet und damit eine mittlere diplomatische Krise zwischen dem Kirchenstaat und Israel ausgelöst. In Italien und im Vatikan wird aber unterschieden zwischen dem Staat Israel einerseits und der ultrarechten Regierung von Benjamin Netanjahu andererseits. Die Kritik am Vorgehen der Regierung im Gazastreifen wird in der Regel nicht automatisch gleichgesetzt mit Israelfeindlichkeit oder gar Antisemitismus.

Auch ohne Russland

Es ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass internationale Krisen ihren Widerhall an der Kunstbiennale finden. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hatte sich die angegriffene Ukraine von der Biennale zurückgezogen, während der russische Aggressor verurteilt wurde und sein Pavillon geschlossen blieb. Auch in diesem Jahr wird Russland bei der Biennale fehlen, wobei es sich dabei nicht um die Entscheidung der Biennale, sondern des russischen Kulturministeriums handle. Südafrika war während des Apartheid-Regimes ebenfalls für viele Jahre von der Biennale ausgeschlossen worden und wurde erst 1993 wieder zugelassen, als die Rassentrennung beseitigt war. Die diesjährige Kunstbiennale von Venedig wird am 20. April eröffnet und steht unter dem Motto "Stranieri Ovunque / Foreigners everywhere", im Mittelpunkt steht also das Thema Migration. (Dominik Straub aus Rom, 28.2.2024)