Junges Paar steht vorm Spiegel, beide schmieren sich das Gesicht ein
Hautpflege sorgt für ein angenehmes Gefühl – und sie verlangsamt die Zeichen des Älterwerdens. Dabei ist weniger oft mehr.
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Öffnet man das Badezimmerkastl, findet sich dort oft eine Vielzahl an Produkten. Tagescreme, Nachtcreme, getönte Tagescreme, Pflege mit Sonnenschutz, Augencreme, Hyalurongel, spezielle Seren, besondere Wirkstoffe gegen Pigmentflecken und mehr sind nebeneinander aufgereiht. Hautpflegewillige tragen morgens und abends oft mehrere Schichten übereinander auf, damit die Haut wirklich mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt ist.

Das tun übrigens nicht nur Frauen, immer mehr Männer springen auf den Pflegezug auf und cremen ihr Gesicht ganz selbstverständlich zweimal täglich mit der Spezialcreme für ihn ein. Sie lassen sich auch regelmäßig im Kosmetiksalon die Unreinheiten ausdrücken.

Doch sind all diese Produkte wirklich nötig? Braucht die Haut unterschiedlichste Nährstoffe, um so jung und so geschmeidig wie möglich zu bleiben? Jein, sagt Kerstin Ortlechner, Dermatologin mit Beauty-Schwerpunkt.

UV fürs Altern

Die Haut altert, das ist unausweichlich. Das beginnt bereits ab dem 24. oder 25. Lebensjahr. Aber nicht nur die Haut verändert sich, der gesamte Organismus altert, erklärt Ortlechner: "Ab Mitte 20 lässt die Kollagenbildung nach, das Elastin in der Haut beginnt zu verklumpen und ist nicht mehr so elastisch. Natürliche Hyaluronsäuredepots und Fettgewebskörper im Gesicht beginnen sich abzubauen, die Fettdepots im Gesicht werden also kleiner und rutschen nach unten."

Aber damit nicht genug, auch die Knochenstruktur, über die die Haut gespannt ist, baut sich ab: "Das sieht man zum Beispiel daran, dass die Oberlippe länger wird beziehungsweise sich mehr nach innen dreht. Oder auch beim Jochbogen, wenn diese Linie einfach nicht mehr so prall ist", erklärt Ortlechner.

Doch bleiben wir bei der Haut selbst. Deren Alterung wird von zwei Seiten befeuert. Zur natürlichen, oben beschrieben Alterung kommen nämlich exogene und endogene Faktoren. Der relevanteste exogene Faktor ist die Sonneneinstrahlung: "UV-Exposition ist der Hautalterungsfaktor Nummer eins", betont Ortlechner. Dazu kommen Umweltverschmutzung und blaues Licht, das von den zahlreichen Bildschirmen emittiert wird, aber auch Stress, Alkohol und Tabak- beziehungsweise Nikotinabusus. Vor allem Letzterer lässt die Haut extrem altern.

Aber die Hautalterung wird auch von innen angetrieben, durch Krankheiten, Schwäche des Immunsystems, Hormone. Ortlechner weiß: "In der Prämenopause und der Menopause bricht die Kollagenproduktion so richtig ein."

Nur wenig Genetik

All das passiert bei manchen schneller, bei anderen weniger schnell. Dafür ist die Genetik mitverantwortlich – doch die "schlechten Gene" kann man nur bedingt für ein faltigeres Hautbild bemühen. Ortlechner betont: "Der Einfluss der Genetik auf die Hautalterung liegt bei rund 20 Prozent. Die restlichen 80 Prozent hat man wirklich selbst in der Hand, mit dem eigenen Lifestyle, aber natürlich auch mit der Pflege."

Doch wie findet man nun die richtige Pflege für den eigenen Hauttyp? Gibt es da gesicherte Parameter, an denen man sich orientieren kann? Nicht wirklich, sagt Ortlechner, man müsse einfach ausprobieren. "Die klassische Einteilung in Hauttypen wie trocken, fettig oder Mischhaut ist im Grunde ein grober Raster, nach dem man sich richten kann, wenn man eine Creme sucht. Spannt die Haut schnell, ist sie wahrscheinlich eher trocken. Glänzt immer das Gesicht, dürfte sie viel Talg produzieren, also fettig sein. Aber das sind nur Anhaltspunkte. Nicht einmal Spezialistinnen und Spezialisten können immer ganz klar sagen, welchen Hauttyp eine Person hat und was sie ganz genau braucht."

Viel Lärm um Wirkstoffe

Natürlich ist eine professionelle Einschätzung hilfreich, aber man muss sich immer herantasten an das, was wirklich hilft: "Das Gefühl dafür, was die eigene Haut braucht, ist uns richtiggehend verlorengegangen. Gerade in dem Bereich gibt es einfach so viel Einfluss, dem man sich nur ganz schwer entziehen kann", weiß Ortlechner.

Denn nur weil ein Wirkstoff, sei es Retinol, Vitamin C oder auch Hyaluronsäure, als das Nonplusultra in der Hautpflege vermarktet wird, heißt das noch lange nicht, dass er auch bei allen gut wirkt. "Ich hatte erst vor kurzem eine Patientin, die eine Weile gezielt mit Retinol gepflegt hat, und dann zu mir gekommen ist, weil ihre Haut völlig verrückt gespielt hat", erzählt Ortlechner aus ihrer Praxis.

Und natürlich gibt es auch Pflegefehler. Die gehen von zu wenig Produkt bis zu viel. Zu wenig kann zum Beispiel bedeuten, dass man etwa nur ein Hyaluronserum aufträgt in dem Glauben, dass das ausreicht. "Das bindet Feuchtigkeit in der Haut, indem es das Wasser von der Oberfläche in die Tiefe zieht. Klingt gut, ist es an sich auch. Aber dann ist die Feuchtigkeit an der Oberfläche weg, die Haut spannt. Das bedeutet nicht zwingend, dass man trockene Haut hat, man muss einfach eine Pflegecreme darüber auftragen."

Burnout der Haut

Umgekehrt kann man es, im Glauben, der Haut Gutes zu tun, auch übertreiben: "Cremt man zu viel, wird die Haut übersättigt. Sie kann dann ein regelrechtes Burnout entwickeln." Das kann so weit gehen, dass die hauteigene Schutzschicht aus Talg und Mikroflora zerstört wird. Die Folge ist trockene oder sogar rissige Haut, sie spannt trotz Pflege. Oder sie entwickelt plötzlich massive Unreinheiten oder periorale Dermatitis. "Statt dann immer noch mehr und noch Besseres anzuwenden, muss man der Haut eine regelrechte Fastenkur gönnen und die Pflege auf das Wesentliche reduzieren, damit sie beginnt, wieder selbst zu arbeiten", betont Ortlechner.

Wie schaut dann eine gute Hautpflege aus? Die Haut im Gesicht braucht Schutz und Pflege, so weit, so klar. Doch da ist weniger oft mehr. Essenziell ist eine Pflege mit Antioxidantien wie Vitamin C, E, Ferualsäure oder Ähnlichem. "Und darüber kommt Sonnenschutz. Der ist wirklich Pflicht, und zwar jeden Tag!", stellt Ortlechner klar.

Das bedeutet bei unkomplizierter Haut in der Früh drei Schritte: die Haut gründlich reinigen, Pflege auftragen und Sonnenschutz. Am Abend reichen zwei Schritte: Reinigung und regenerative Pflege.

Preis kein Indikator

Natürlich kann man mehr auftragen, ausgiebige Hautpflege hat ja auch viel mit Wohlbefinden zu tun, für manche ist das fast schon ein täglicher kleiner Wellnessmoment. Dann wird geschichtet. Ortlechner empfiehlt, sich vom dünnflüssigsten zum nährendsten Produkt vorzuarbeiten und eben immer darauf zu achten, was der Haut auf Dauer wirklich guttut. "Man kann zum Beispiel Seren oder spezielle Cremen rund um die Augenpartie auftragen. Aber das ist kein Muss, auch wenn das oft so vermittelt wird."

Der Hintergrund: Die Haut um die Augenpartie ist die dünnste und damit empfindlichste am gesamten Körper, ein bisschen Extrapflege kann ihr tatsächlich guttun. Die Fältchen, Augenringe oder Schwellungen, die in dem Bereich oft entstehen, kann aber keine Creme der Welt bessern.

Beim Eincremen darf man außerdem Hals und Dekolletee nicht vergessen. Und Unreinheiten sollte man keinesfalls selbst ausdrücken.

Und welche Pflege soll man nun verwenden? Ist der Preis ein Indikator für die Qualität? Nein, stellt Ortlechner klar: "Natürlich kann ein Produkt um zwei Euro nicht hochwertig sein, die Rohstoffe für die Herstellung haben ja auch ihren Preis. Aber es muss auch nicht 200 Euro kosten, da zahlt man dann vor allem das Marketing. Es gibt schon um 15 oder 20 Euro wirklich gute Cremen."

Wunder darf man sich aber ohnehin von keinem Produkt erwarten. Das bleibt immer eine oberflächliche Pflege, um die Hautbarriere geschmeidig zu halten. Soll etwas in tiefere Hautschichten eindringen, ist die ärztliche Expertise nötig und auch vorgeschrieben. Denn egal ob medizinisches Fruchtsäurepeeling oder minimalinvasive Methoden wie Needling, Ultraschall und mehr: Damit kann man bei unprofessioneller Anwendung wirklich Schaden anrichten. Deshalb gehören solche Treatments in ärztliche Hände. (Pia Kruckenhauser, 3.3.2024)