Fotocollage mit Celebrities, die über Menopause reden
Sie haben keine Lust mehr zu schweigen und machen die weibliche Gesundheit zum Thema. Im Uhrzeigersinn: Gwyneth Paltrow, Oprah Winfrey, Salma Hayek, Michelle Obama, Drew Barrymore und Emma Thompson.
Collage: STANDARD / Monika Köstinger; Fotos: AFP, AP, Getty Images, Imago, Reuters

Gwyneth Paltrow polarisiert. Als Oscar-prämierte Schauspielerin wurde sie gefeiert. Als Verfechterin zweifelhafter Ernährungstipps, seltsamer Wellnesspraktiken und Betreiberin der Lifestylebrand Goop macht man sich vielfach über sie lustig – oder wirft ihr Geschäftemacherei auf Kosten gutgläubiger Menschen vor. Immerhin verdient sie ihr Geld nicht mehr mit Filmen, sondern mit oft überteuerten Lifestyle-Erzeugnissen. Der Promi-Status ist dabei das Erfolgstriebmittel.

Dabei leistet Paltrow wesentlich mehr, als einfach nur teils fragwürdige Produkte zu verkaufen. Sie spricht Themen an, über die andere nicht sprechen, sogar die Nase rümpfen. Sie bricht Tabus. Oft betreffen diese Tabus Frauengesundheit, zum Beispiel die Menopause. "Der Wechsel hat eine wirklich schlechte Reputation in unserer Gesellschaft. Wir haben keine erstrebenswerten Vorbilder von Frauen in dieser Lebensphase. Sie braucht dringend ein neues Branding", hat sie bereits 2018 auf ihrer Plattform geschrieben.

Diesen direkten Zugang hat sie gemeinsam mit einer ganzen Reihe prominenter Frauen, die offen über diese Phase der Veränderung sprechen. Michelle Obama zählt dazu, die Schauspielerinnen Emma Thompson, Drew Barrymore, Salma Hayek oder Naomi Watts ebenso wie Talkmasterin Oprah Winfrey. Sie alle haben genug vom Schweigen.

Als Wechsel bezeichnet man jene Lebensphase, in der die Fruchtbarkeit zu Ende geht und die Regelblutung schließlich ganz aufhört. Das kann mehrere Jahre dauern, der Fachbegriff lautet Perimenopause. In der Menopause, die diese Phase abschließt, ist man per medizinische Definition dann, wenn die Regelblutung ein Jahr lang ausgeblieben ist.

Mehr als eine Million Frauen

Das Thema betrifft alle Frauen, trotzdem wissen viele erstaunlich wenig über diese Veränderung. Das ist unter anderem deshalb ein Problem, weil das auch Folgen für Gesundheit und Lebensqualität haben kann.

Ungefähr ein Drittel aller Frauen geht durch diese Phase recht gut, ohne besondere Beschwerden. Ein weiteres Drittel hat mittlere Symptome wie Hitzewallungen, leichte Schlafstörungen und mehr. Das dritte Drittel trifft es massiv. Schwere Schlafstörungen, Depressionen, Konzentrationsschwierigkeiten, aber auch Herzprobleme oder schlechteres Hören und mehr können durch die hormonelle Veränderung ausgelöst werden.

"Menopausen-Beschwerden sind keine
Modediagnose, auch wenn das
manchmal so dargestellt wird."

Miriam Stein

"Es war, wie wenn sich ein grauer Schleier über mein Leben gelegt hätte. Und der ist einfach nicht mehr weggegangen", erzählt etwa Veronika Pelikan. Dass dieser Schleier mit der hormonellen Umstellung zu tun haben könnte, ist der heute 63-Jährigen vor mehr als zehn Jahren nicht in den Sinn gekommen. Dabei ist alles, was die Frau betrifft, eigentlich ihr Kernthema, sie war jahrelang Chefredakteurin eines Frauenmagazins. "Aber darüber ist einfach nicht gesprochen worden."

Das ändert sich langsam, auch in Österreich, nicht zuletzt wegen Pelikans Initiative. Sie hat eine Therapie mit bioidenten Hormonen gemacht, heute ist der Schleier weg. "Es bleibt nicht alles grau ab dem Wechsel", lacht sie. Und sie hat die Plattform "Wechselweise" gegründet, ein Onlineportal mit medizinischen Infos, aber auch Erfahrungsberichten, Lebensstil- und Stylingtipps – einfach alles, was Frauen in dieser Lebensphase beschäftigt. "Ich hatte eigentlich gedacht, ich brauche mich beruflich nicht mehr um die spezifisch weiblichen Bedürfnisse kümmern", sagt Pelikan. "Aber es gab praktisch nichts zu dem Thema. Das musste ich ändern."

Angst um die Gesundheit

Damit hat sie eine große Lücke gefüllt. Denn es gibt wirklich viele Frauen, die sich gerade in dieser Phase befinden. Bei den allermeisten kommt der Wechsel im Alter zwischen 45 und 60, fast 1,1 Millionen Frauen in Österreich sind in dieser Altersgruppe. Und viele von ihnen haben keine Ahnung, dass plötzlich auftretende Schlafstörungen, depressive Verstimmungen, Herzrasen und mehr auch von der Perimenopause kommen können. Suchen sie Hilfe, bekommen sie diese oft nicht. Frauen berichten, ihr Arzt oder ihre Ärztin habe gesagt, das gehöre dazu, man müsse sich damit abfinden. Und immer noch wird manchen gesagt, sie seien kerngesund, aber hysterisch. Das liegt auch daran, dass das Thema in der medizinischen Ausbildung wenig bis nicht vorkommt.

Dabei kann man Wechselprobleme mit Hormonen gut behandeln. Nur: Diese Therapie ist massiv in Misskredit geraten. Anfang der Nullerjahre offenbarte sich, dass die damals eingesetzten Hormone, anstatt Frauen zu helfen, zu mehr Brustkrebs, Thrombosen und Schlaganfällen führten. "Das hat natürlich Ängste geschürt, die bis heute anhalten", sagt die Gynäkologin Bibiana Kalmar.

Mittlerweile wurde die Hormontherapie neu bewertet, und man hat erkannt, dass sie falsch angewendet wurde. Frauen wurden zu lange und in zu hohem Alter behandelt. Außerdem wurde das eingesetzte Östrogen aus Stutenurin gewonnen, es war biochemisch nicht ident mit jenem, das die Eierstöcke selbst produzieren.

Blühender Markt

Inzwischen gibt es sogenannte bioidente Hormone. Deren biochemischer Bauplan ist ident mit dem vom Körper produzierten. Sie werden früher und insgesamt weniger lang eingesetzt. "Und sie helfen wirklich gut", betont Kalmar. Studien zeigen mittlerweile auch, dass diese Hormone sogar die Gesundheit fördern. Trotzdem wollen immer noch viele Frauen, die in Kalmars Praxis kommen, auf keinen Fall so eine Therapie, zu tief sitzt die Angst. "Aber nach einem ausführlichen Gespräch schwenken die meisten um."

Die Suche nach Alternativen zur Behandlung mit den gefürchteten Hormonen hat dabei einem blühenden Markt für nichtmedizinische Produkte den Weg geebnet. Nahrungsergänzungsmittel, Pflanzenpräparate, aber auch spezielle Vibrationsstühle, die den Beckenboden stärken, versprechen Abhilfe bei Hitzewallungen, Schlafstörungen, Haarausfall oder auch Inkontinenz.

Buchcover
Das Buch "Die gereizte Frau " von Miriam Stein ist bei Goldmann erschienen. Stein klärt darin, ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen über der Perimenopause auf – und nimmt auch die Gesellschaft in die Pflicht.
Goldmann

Manches hilft durchaus, aber "es gibt eine derartige Fülle an Produkten, da ist es schwer zu beurteilen, was genau bei welcher Frau wirkt", sagt Kalmar. Man müsse es einfach ausprobieren. "Manche sind für pflanzliche Präparate empfänglich, andere weniger. Geht es nur darum, Beschwerden zu lindern, ist es durchaus einen Versuch wert." Einen gesundheitlichen Benefit, wie bei der neu aufgestellten Hormontherapie, hat man aber nicht. "Da würde man absurd hohe Dosierungen brauchen. Und dann hätten natürlich auch die pflanzlichen Mittel Nebenwirkungen."

Berufliches Tabu

Bleibt die Tatsache, dass über den Wechsel nicht gesprochen wird, vor allem im beruflichen Umfeld. Dabei ist das auch ein wirtschaftlicher Faktor. Wenn Frauen aufgrund von massiven Beschwerden Arbeitszeit reduzieren oder womöglich sogar ganz aus dem Berufsleben ausscheiden, erhöht das einerseits das Risiko für Altersarmut. Andererseits gehen den Unternehmen wertvolle Ressourcen verloren. Die seien deshalb gefordert, neue Arbeitszeitmodelle anzubieten. Nicht nur für Frauen, davon sollen alle profitieren, sagt Manuela Vollmann, Geschäftsführerin der Social-Profit-Organisation ABZ Austria.

Aber: "Österreich ist sehr wertkonservativ. Solche Tabus aufzubrechen dauert", weiß Vollmann. Dabei könnte man sich als Unternehmen in einer Zeit, in der Fachkräfte rar sind, mit attraktiven Angeboten sogar einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Ganz ähnlich sieht das Miriam Stein. "Niemand kann sagen, das geht mich nichts an, damit will ich nichts zu tun haben", sagt die Journalistin und Autorin. "Durch den Wechsel gehen ja alle Frauen, deshalb betrifft er auch die Männer und die gesamte Gesellschaft." Stein hat 2022 das Buch Die gereizte Frau publiziert, in dem sie, ausgehend von ihren eigenen Erfahrungen mit der Perimenopause, über das Thema aufklärt und ein breiteres Bewusstsein fordert. "Menopausen-Beschwerden sind keine Modediagnose, auch wenn das manchmal so dargestellt wird. Unsere Mütter und Großmütter hatten genau die gleichen Symptome, nur haben sie nicht darüber gesprochen", betont sie.

Kritik an "Menowashing"

Genau das wird nämlich unterstellt, wenn nun immer öfter kritisiert wird, dass Produkte für Wechselbeschwerden eine vermeintliche oder tatsächliche Abzocke von Frauen auf der Suche nach Hilfe seien. Im Englischen gibt es sogar schon einen Ausdruck dafür: "Menowashing", in Anlehnung an den Ausdruck "Greenwashing".

Natürlich müsse man genau hinschauen, ob ein Produkt realistisch helfen könne oder nur Wohlbefinden vermittelte – eine Duftkerze werde keine Wechselbeschwerden lindern, sagt Stein. Aber: "Jahrzehnte wurde über die Menopause nicht gesprochen, es gab viel zu wenig evidenzbasierte Forschung. Dann haben die Frauen selbst nach Lösungen gesucht, und nun wirft man den oft weiblichen Anbietern Geldmacherei vor." Frauen seien aufgeklärt und mündig, sie können kritisch entscheiden, ob sie etwas gut finden. "Bevor man also Frauen kritisiert, weil sie nach Produkten greifen, die ihnen Besserung bieten, sollte man lieber die Evidenz nachreichen, die die Forschung bisher vernachlässigt hat." (Pia Kruckenhauser, 10.2.2024)