Für den oberösterreichischen Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) wurde am Donnerstag quasi Geschichte geschrieben, für zahlreiche Beobachterinnen und Beobachter war die von Achleitner kurzfristig einberufene "Raumordnungsgipfel" der Länder und Gemeinden in Linz hingegen eine Farce. Bei der Konferenz wurde "einstimmig", wie Achleitner in einem Pressestatement stolz betonte, "die österreichische Bodenstrategie beschlossen". Und zwar soll es tatsächlich jene gewesen sein, die in den vergangenen zwei Jahren von der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) erarbeitet worden war.

Einfamilienhäuser in Bau, im Vordergrund ein Acker.
Die 2,5-Hektar-Grenze beim Bodenverbrauch schränke die Gemeinden zu sehr ein, wird von den Gegnern argumentiert. Das Ziel steht allerdings schon seit 2002 in der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie.
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Nur: "Eine ÖROK-Konferenz fand am Donnerstag nicht statt", stellte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) klar. Nachsatz: "Und es wurden auch keine Beschlüsse gefasst."

Vertreter des Bundes fehlten

Denn sämtliche Raumordnungslandesräte der neun Bundesländer waren zwar in Linz dabei, ebenso der Städte- und der Gemeindebund – aber keine Vertreterinnen und Vertreter des Bundes. Dieser ist in der ÖROK aber natürlich genauso vertreten wie Länder und Gemeinden.

Woran der Beschluss der Bodenstrategie in der ÖROK bisher scheiterte, ist rasch erklärt: Ein verbindliches Bodenverbrauchsziel von nur noch 2,5 Hektar pro Tag soll in der Strategie verankert werden – darauf hatten die Grünen bis zuletzt gepocht. Kurz vor dem Sommer des Vorjahres war man recht weit in der Beschlussfassung, wegen eines Vetos der grünen Mitglieder der Bundesregierung kam es aber dann doch nicht dazu.

Nun haben die Länder also einen Alleingang unternommen – und eine "Bodenstrategie" beschlossen, die das 2,5-Hektar-Ziel nicht enthält. Argumentiert hat Achleitner den Alleingang damit, dass "die ÖROK ein Verein ist, der keine verfassungsmäßige Kompetenzen besitzt". Diese hätten die Länder, die für die Umsetzung der Raumordnung zuständig seien.

Kogler: "So kann es nicht weitergehen"

Im Ö1-"Morgenjournal" vom Freitag zeigte Kogler kein Verständnis dafür. Der Beschluss zeige "die Unehrlichkeit der Länder, die sich nicht an abgestimmte Vorgaben halten wollen".

Das Argument der Länder, man beraube sich mit dem 2,5-Hektar-Ziel jeglicher Entwicklungsmöglichkeiten und könne unter anderem keine Kindergärten mehr bauen, kann der grüne Vizekanzler nicht nachvollziehen. "Auf den 2,5 Hektar pro Tag könnte man 20.000 Kindergärten schaffen, 20.000 Einfamilienhäuser mit ein bisschen Grund bauen oder 600.000 Wohnungen", sagte Kogler. Es brauche schlicht und ergreifend ein quantitatives Ziel. "So kann es nicht weitergehen."

"Ideologische Luftschlösser"

Für Achleitner ist die nun von einem "breiten Parteienbündnis" aus ÖVP, FPÖ und SPÖ beschlossene Bodenstrategie hingegen "von Vernunft und Pragmatismus und nicht von ideologischen Luftschlössern" geprägt. Denn "eine absolute Zahl schützt noch keinen Hektar Boden", ergänzte Niederösterreichs Landeshauptmannstellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) in der Pressekonferenz nach der Linzer Tagung. Alle Länder würden nun mit der Umsetzung der Strategie beginnen, die dem Motto "Boden schützen und Zukunft ermöglichen" folge. Es müsse also eine Interessenabwägung zwischen dem Schutz von Naturräumen und wirtschaftlicher Entwicklung geben. Achleitner ist in Oberösterreich nicht nur Landesrat für Raumordnung, sondern auch für Wirtschaft.

Die Bodenschutzstrategie enthält vier generelle Ziele: Schutz von Frei- und Grünland, Unterbindung der Zersiedelung, effiziente Innenentwicklung, um geeignete Baulandbestände im Siedlungsgebiet bestmöglich zu nutzen sowie Intensivierung der Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit. In dem für die ÖROK erarbeiteten Fachpapier waren konkrete Zahlen nicht enthalten, das bereits 2002 in der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes festgehaltene 2,5-Hektar-Ziel wurde vergangenes Jahr noch von den Grünen hineinreklamiert, da es auch einen messbaren Indikator geben müsse.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP), der 2023 noch meinte, die Bodenstrategie könne "nur erfolgreich sein, wenn alle beteiligten Akteure, der Bund, die Länder, die Gemeinden, der Städte- und der Gemeindebund, dahinterstehen", kommentierte am Donnerstag den Länderbeschluss so: "Es ist erfreulich, dass jetzt überparteilicher Konsens bei den für die Raumordnung zuständigen Akteuren für die erste Österreichische Bodenstrategie herrscht. Dieser Beschluss, mit einem konkreten Maßnahmenkatalog zur Umsetzung, ist ein wichtiger Meilenstein für den sorgsamen Umgang mit unserem wertvollen Boden."

"Historisch schlechter Tag für Bodenschutz"

Von den Grünen und auch von den Neos sowie von Umweltorganisationen kam aber harsche Kritik am Alleingang der Länder. Achleitner feiere "mit Fake News vor den Medien den Beschluss eines zahnlosen Papiertigers", kritisierte Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer. Die Neos Oberösterreich sprachen von "einem historisch schlechten Tag" für den Bodenschutz. "Die rücksichtslosen Betonierer in den Bundesländern haben sich durchgesetzt", so Klubobmann Felix Eypeltauer. Eine Strategie ohne konkretes Ziel und Grenzen sei nicht effektiv, meinte die stellvertretende Neos-Landessprecherin Nationalratsabgeordnete Karin Doppelbauer.

WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories sagte zu dem Treffen in Linz, dieses habe "einmal mehr gezeigt, warum Österreich den grassierenden Flächenfraß seit Jahren nicht in den Griff bekommt". Ohne ein echtes Bekenntnis der Politik zu konkreten Maßnahmen und einer fixen Obergrenze für den Bodenverbrauch würden Zersiedelung und Naturzerstörung ungebremst weitergehen.

Auch Greenpeace nahm den oberösterreichischen Raumordnungslandesrat in einem Statement in die Kritik. Dieser torpediere Bodenschutzmaßnahmen seit Monaten und blockiere weiterhin einen konkreten Grenzwert beim Bodenverbrauch. Rein rechtlich könne er aber "als Landesrat keinen Beschluss für die Bodenstrategie fällen und dabei das Organ der Österreichischen Raumordnungskonferenz umgehen", sagte Greenpeace-Bodenschutzsprecherin Melanie Ebner. (mapu, APA, 1.3.2024)