Rapids Allianz-Stadion
Im Wiener Fußball sind immer wieder homophobe Töne zu hören. Nicht selten von den Tribünen. Zuletzt auch von Spielern des Rekordmeisters Rapid.
APA/TOBIAS STEINMAURER

"Judenschweine, Judenschweine, Judenschweine!" Ein "Schlachtgesang" von Fußballfans, Fans des österreichischen Rekordmeisters SK Rapid, gewidmet haben sie ihn den Erzrivalen, also den Fans der Wiener Austria. Kein aktueller Gesang wohlgemerkt, aber einer, den man früher, noch in den 1980er- und 1990er-Jahren, sehr wohl sehr regelmäßig vernommen hat. Viele, die damals ins Stadion gingen, mussten solche Gesänge ob ihrer Regelmäßigkeit fast als "normal" empfinden.

Das ist heute nicht mehr zu hören. Antisemitische Töne auf den Tribünen sind verpönt. Auch dem Rassismus haben die Vereine und die Verbände, nationale wie internationale, erfolgreich den Kampf angesagt. Bei rassistischen Ausfällen von Fans wurden schon Spiele unter- oder abgebrochen und Vereine bestraft. Rassistische Entgleisungen von Spielern zogen Geldstrafen und manchmal auch Sperren nach sich. Österreichs Stürmerstar Marko Arnautovic musste bei der EM 2016 ein Spiel pausieren, nachdem er einen nordmazedonischen Gegenspieler beleidigt hatte.

Profikicker outen sich nicht

Antisemitismus und Rassismus wurden weitgehend aus den Stadien verbannt. Homophobie hält sich hartnäckiger. Oliver Egger ist der erste österreichische Fußballer, der sich geoutet hat. Profifußball spielt er nicht, sondern beim FC Gratkorn in der steirischen Oberliga. Egger ist Lehrer, und er leitet im Fußballbund (ÖFB) die Ombudsstelle "Fußball für alle" gegen sexuelle Diskriminierung und Homophobie. Oft wird er gefragt, wieso sich nicht auch Profikicker outen. Jetzt kann er auf das Video verweisen, in dem Rapid-Spieler nach dem jüngsten Derby in einen homophoben Gesang einstimmen, den der Co-Trainer mit einem Megaphon intoniert hat.

Solche Videos, sagt Egger, seien "die perfekte Antwort" auf diese Frage. Natürlich gibt es schwule Fußballer in den zwei obersten Klassen, die 28 Teams mit je circa 25 Spielern umfassen. Doch sollte einer kürzlich darüber nachgedacht haben, seine Homosexualität öffentlich zu machen, wird er es sich, als die grün-weißen Sängerknaben viral gingen, eher wieder anders überlegt haben.

Grün-weißes Phrasen-Bingo

Das "Die haben es nicht so gemeint" der Rapid-Spitze erinnert ans "Der will doch nur spielen" von Hundebesitzern. Der Schaden ist angerichtet, und er ist groß. Mit der Stellungnahme von Rapid-Präsident Alexander Wrabetz und (teils gleichlautenden) Entschuldigungen der Spieler ließe sich Phrasen-Bingo spielen. Rapid hat die Lage völlig verkannt. Sich ausschließlich bei der Austria zu entschuldigen, unterstreicht noch, dass "schwul" als Beleidigung angesehen wird. Das Sorry sollte rausgehen an alle Homosexuellen, eben weil "schwul" beleidigend verwendet wurde.

Jetzt gilt es abzuwarten, welche Schritte die Bundesliga setzt. Freilich müsste sie gleich auch ihr eigenes Tun überdenken. Denn der Gesang vom "schwulen, schwulen" Gegner hallt seit Jahren in so gut wie jedem Derby über den Platz. Auch homophobe Transparente oder Spruchbänder sind alles, nur keine Einzelfälle. Manchmal hieß es, die Liga würde "prüfen", doch stets gingen alle wieder zur Tagesordnung über. Kein Schiedsrichter, der ein Spiel unterbrochen, keine Bundesliga-Instanz, die eine Sanktion verhängt hätte.

Es muss erst etwas passieren, damit etwas passieren kann. Bingo. Auch so eine Phrase, die jetzt bemüht wird. Als wäre nicht schon viel zu viel passiert. (Fritz Neumann, 1.3.2024)