Sympathie mit der Schreckschraube: Kate Winslet in der sechsteiligen Serie
Sympathie mit der Schreckschraube: Kate Winslet in der sechsteiligen Serie "The Regime", ab Montag auf Sky.
AP/HBO

Bei Karl Markovics kommt Kate Winslet ins Schwärmen – und das ist stark untertrieben. "Brillant!", "Perfekt!", "Spektakuläre Nummer!": Ausschließlich mit Superlativen beschreibt die britische Schauspielerin die Zusammenarbeit mit dem Österreicher, der in der neuen HBO-Serie The Regime einen Gastauftritt hat. Winslet hofft auf viele weitere Gelegenheiten: "Er ist eine spektakuläre Nummer – und so ein netter Mann."

Tatsächlich lassen Winslet und Markovics es ordentlich tuschen. Eine Fluchtszene, der den vorangehenden Wahnsinn dieser komplett wahnsinnigen Politgroteske noch einmal auf die Spitze treibt. Teile der HBO-Serie wurden im vergangenen Jahr in Wien gedreht. The Regime startet am Montag auf Sky.

Worum geht's in der Serie "The Regime"?

The Regime versetzt uns in ein fiktives Land der Gegenwart, genannt "Mitteleuropa". An der Spitze steht die Staatschefin Elena Vernham, eine Art Mischung aus Kaiser Nero, Eva Perón* und Wladimir Putin. Sie regiert ihr Volk mit Fehlbiss, Willkür, Unterdrückung, Gewalt und schamloser Selbstinszenierung. Dazu kommt eine ausgeprägte Paranoia, was die Sache nicht einfacher macht. Elena ist fest davon überzeugt, dass der Palast mit tödlichen Sporen kontaminiert ist, weshalb im gesamten Haus eine hohe Luftfeuchtigkeit herrschen muss.

Um Elena sind jede Menge Speichellecker versammelt, die mithelfen, diesen irren Hofstaat am Leben zu erhalten. Wer Widerstand leistet, hat Schlimmes zu befürchten, so wie Elenas Vorgänger, dargestellt von Hugh Grant, der in einem Verlies dahinvegetiert. Sie betreibt einen Personenkult mit dem verstorbenen Vater, vertraut ihrem Ehemann Nicholas (Guillaume Gallienne), duldet ihre Beraterin Agnes (Andrea Riseorough) und vergöttert deren Sohn (Louie Mynett).

Als durch Zufall der Elitesoldat Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts) zum Leib- und Luftfeuchtigkeitswächter aufsteigt, ändert sich zwar nicht alles, aber doch viel. Über den Zeitraum eines Jahres folgen wir den Geschehnissen innerhalb des Palastes, während das Regime um Elena herum langsam zerbricht.

Elena Vernham und
Elena Vernham und "ihr" Herbert (Kate Winslet, Matthias Schoenaerts).
HBO

Wer hat's gemacht?

Ryszard Kapuścińskis Beschreibung des äthiopischen Diktators Haille Selassie habe ihn zu The Regime inspiriert, erzählt Showrunner Will Tracy, der sein Talent für grotesken Humor als Autor der Hollywood-Komödie The Menu und der HBO-Serie Succession unter Beweis gestellt hat.Regie führten Stephen Frears, zuletzt im Kino mit The Lost King, und Jessica Hobbs, die etwa Folgen von The Crown inszenierte.

The Regime hält sich mit realen Personen und Regimen zurück. Das fiktive "Mitteleuropa" verfügt über wertvolle Mineralvorkommen, was das Land in eine wichtige Schlüsselposition zwischen Washington und Beijing bringt.

Eine Macht, die Elena genüsslich ausspielt, indem sie etwa die US-amerikanische Senatorin am anderen Ende eines Putin-Tischs empfängt. Winslet selbst betont, bei der Figur nicht an größenwahnsinnige Vorbilder aus Geschichte oder Gegenwart gedacht zu haben, sondern nur daran, was hinter der Maske von Elena stecken könnte. Eine schwere Kindheit gehört dazu und – daraus resultierend – eine ganz große Ohnmacht und Hilflosigkeit. Und irgendwann im Lauf der sechsteiligen Serie stellt sich der erwünschte verstörende Effekt ein: Man beginnt diese Schreckschraube zu mögen.

The Regime | Official Teaser | Max
HBO Max

DER STANDARD war beim Round-Table-Interview mit der Britin zu The Regime.

Über ihre Rolle, die paranoide Diktatorin:

Winslet: Elena Vernham zu kreieren war wirklich eine Teamleistung. Die Autorinnen und Autoren haben viel recherchiert, um ein imaginäres Land – das sogenannte Mitteleuropa – zu erschaffen. Das gab uns als Schauspielerinnen und Schauspieler enorme Freiheiten. Meine Aufgabe war es, zu versuchen, eine Person hinter der Maske zu schaffen. Elena sollte perfekt wirken – fast zu perfekt, sodass man sich bei ihrem Anblick zunächst unwohl fühlt. Es sollte der Eindruck entstehen, dass man ihr nicht trauen kann. Gleichzeitig gibt es Hinweise, die verraten, wie sie so geworden ist. Zum Beispiel in den Szenen im Mausoleum, wo sie mit ihrem toten Vater spricht. Darin wird deutlich, welches Trauma sie in sich trägt. Sie musste sich extrem verletzlich und zerbrechlich fühlen, gleichzeitig furchtlos und aggressiv sein. Für mich bedeutete das, einfach mutig genug zu sein, all das auszuprobieren.

Meiner Definition eines klassischen Filmstars entspreche ich definitiv nicht. Ein Filmstar ist für mich eine Erfindung.

Über Starruhm:

Winslet: Um das klarzustellen: Meiner Definition eines klassischen Filmstars entspreche ich definitiv nicht. Ein Filmstar ist für mich eine Erfindung. Was mich betrifft, so versuche ich einfach, meine Arbeit zu machen. Ich versuche, sie gut zu machen, bescheiden zu bleiben, freundlich und dankbar zu sein. Ich bin dankbar für alles, was ich habe, und, was am wichtigsten ist, ich bin mir bewusst, dass es gut ist, eine Frau zu sein und älter zu werden. Das sind Qualitäten, die jede und jeder in dieser Branche beachten sollte.

Zu Anspielungen auf reale Verhältnisse:

Winslet: Ich habe an dem Drehbuch geschätzt, dass es völlig unabhängig von Darstellungen des wirklichen Lebens ist, und ich möchte daran erinnern, dass es sich um ein imaginäres Universum handelt. Es ist ein fiktives Land, das sogenannte Mitteleuropa, und es ist kein Teil der Geschichte. Es handelt sich nicht um eine Dokumentation. Mir hat gefallen, dass es eine Frau ist, die dieses kleine Land führt und tut, was ihr möglich ist.

Zum Leben in einer Bubble:

Winslet: Ich habe das große Glück, dass ich in einer sehr liebevollen Familie aufgewachsen bin, ich habe drei Geschwister, und ich hatte sehr liebevolle, gute Eltern. Ich war immer sehr stark in der realen Welt und in der Realität verwurzelt. Mein Job ist ein Job. Ich bin eine Person auf diesem riesigen Set. Meine Arbeit ist nicht wichtiger als die der Person hinter der Kamera oder der Person, die den Schauspielern Kaffee bringt. Wir haben alle einen Platz, und wir müssen aufeinander aufpassen. Der Dreh dauerte sechs Monate. Das ist eine lange Zeit. Wir mussten wirklich gut miteinander auskommen. Wir hatten das Glück, dass sich das alles ganz natürlich ergab.

Über die Gratwanderung zwischen Komik und Ernst:

Winslet: Wir wollten nicht nur Spaß, Spaß, Spaß. Ich war mir sehr bewusst, dass ich nicht wie John Cleese in Fawlty Towers sein möchte. Ich liebe die Serie, weil man weiß, dass in der nächsten Szene bestimmt etwas schiefgehen wird und es beängstigend komisch ist, dabei zuzusehen. Ich wusste, dass ich mit Elena an diesen Punkt kommen will, aber nicht in der ersten Folge. Dieses Gefühl sollte sich entwickeln, sodass man in der sechsten Folge hoffentlich von Elenas Geschichte, ihrer Verletzlichkeit, ihrem Charme und ihrer Verwirrung mit der Welt gefesselt ist. Es war mir wichtig zu ergründen, warum sie so paranoid ist und was ihren Charakter ausmacht.

Übers Drehen mit Markovics:

Winslet: Er ist so brillant! Ich hoffe, ich werde wieder und wieder und wieder mit ihm drehen! Karl war so perfekt für diese Rolle. Wir haben in dieser Sequenz viel improvisiert, hinzugefügt und hatten wirklich Spaß. Es gibt eine Menge Outtakes, alles, was du siehst, sind sehr schlecht erzogene Schauspieler. Er ist wie ein Elf oder ein Kobold, eine spektakuläre Nummer und dabei so ein netter Mann. (Doris Priesching, 3.3.2024)

*Eva Perón hatte in der ursprünglichen Fassung ein "r" zu viel.