Der barocke Eindruck kann täuschen: Die Stadt Salzburg ist traditionell sozialdemokratisch gefärbt, bei der Wahl am Sonntag könnte auch die KPÖ ein Wörtchen mitreden.
DER STANDARD/Stefanie Ruep

Wenn am Sonntag in allen 119 Salzburger Gemeinden Bürgermeister und Gemeindevertretungen neu gewählt werden, sind rund 440.000 Menschen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben – eine Rekordanzahl von Wahlberechtigten. Etwa 50.000 davon sind EU-Bürger und -Bürgerinnen. Der relativ hohe Anteil an stimmberechtigen EU-Staatsangehörigen ist ein Grund für die niedrige Wahlbeteiligung. Negativer Spitzenreiter 2019 war die Landeshauptstadt, hier gingen nur mehr etwas über 48 Prozent wählen.

Im Fokus des Interesses am Sonntag stehen die Wahlen in der Stadt Salzburg: Neben den österreichischen Medien haben sich auch zahlreiche Medienvertreter aus Deutschland und der Schweiz angesagt. Die für eine Kommunalwahl ungewöhnliche Aufmerksamkeit gilt in erster Linie der KPÖ. Nach Graz könnte es auch an der Salzach künftig ein kommunistisches Stadtoberhaupt geben. Bei der Landtagswahl im Frühjahr vergangenen Jahres kam die KPÖ in der Stadt auf über 21 Prozent und damit hinter der ÖVP auf Platz zwei.

Kay-Michael Dankl
Dem KPÖ-Plus-Kandidaten Kay-Michael Dankl gilt am Sonntag das mediale Hauptinteresse.
Foto: APA/Barbara Gindl

Politische Beobachter sehen jedenfalls die Möglichkeit, dass Spitzen- und Bürgermeisterkandidat Kay-Michael Dankl, der bisher als einziger Gemeinderat der Dunkelroten in der Stadt vertreten war, es in die Bürgermeister-Stichwahl schafft. Allfällige Stichwahlen in der Bürgermeister-Direktwahl finden 14 Tage nach dem ersten Wahlgang statt, diesmal also am 24. März, das ist der Palmsonntag. Der in der Stadt als Liste KPÖ Plus antretenden KPÖ werden neben dem Rennen um das Bürgermeisteramt auch sehr gute Chancen auf ein zweistelliges Ergebnis und damit auf zumindest einen der fünf Regierungssitze eingeräumt.

Die rote Gefahr

Dass die KPÖ in der Stadt reüssieren könnte, liegt in erster Linie an der Popularität des 35-jährigen Dankl. Der ehemalige Bundesvorsitzende der Jungen Grünen ist medial omnipräsent und hat mit der Wohnungspolitik ein zugkräftiges Thema besetzt. Dazu kommt noch, dass Bürgermeister Harald Preuner von der ÖVP nicht mehr antritt. Sein Nachfolger an der Spitze der Türkisen, Rechtsanwalt und Hotelier Florian Kreibich, hat keinen Amtsbonus; zudem lässt sein Bekanntheitsgrad zu wünschen übrig. Im Wahlkampf setzte die ÖVP dann vor allem auf die Abgrenzung von den Kommunisten, die mit dem Slogan "Kreibich oder Kommunismus" zur roten Gefahr hochstilisiert wurden. Damit verschaffte die ÖVP der KPÖ eine zusätzliche Bühne.

Florian Kreibich Wahlplakat
Der ÖVP-Wahlkampf in Salzburg-Stadt war ganz auf die "rote Gefahr" zugeschnitten.
Foto: APA/Barbara Gindl

Mit im Rennen um den Bürgermeistersessel ist auch die SPÖ. Für Vizebürgermeister Bernhard Auinger ist es inzwischen der dritte Anlauf, die seit 1945 fast ausschließlich sozialdemokratisch verwaltete Landeshauptstadt für die SPÖ zurückzuerobern. So wie die KPÖ das Thema Wohnen als zentrales Element ihres Wahlkampfs hat, hat die SPÖ den S-Link – die geplante unterirdische Verlängerung der Lokalbahn durch das Stadtgebiet von Nord nach Süd – quasi als Alleinstellungsmerkmal. Sie tritt als einzige Partei konsequent gegen das Milliardenprojekt auf.

Hoffnung Stimmensplitting

Alle anderen wahlwerbenden Listen haben bestenfalls Außenseiterchancen, mit ihren Spitzenkandidaten auch in die Bürgermeisterstichwahl zu kommen. Die grüne Bürgerliste tritt mit Anna Schiester als einzige Partei mit einer Frau an der Spitze an. Und obschon die Bürgerliste seit 1992 durchgehend in der Stadtregierung vertreten ist, bangen die Stadtgrünen diesmal um ihren Stadtratsposten. Ihre Hoffnung liegt auf dem nach dem Salzburger Wahlrecht möglichen Stimmensplitting; also darauf, dass viele Wähler und Wählerinnen zwar Dankl, Auinger oder Kreibich bei der Bürgermeister-Direktwahl unterstützen, aber für den Gemeinderat die Bürgerliste ankreuzen, damit diese in der Regierung bleibt.

Dabei ist rechnerisch für die Bürgerliste die FPÖ die Hauptgegnerin: Da im Proporzsystem die Regierungssitze nach der Anzahl der Gemeinderatsmandate errechnet werden, muss die Bürgerliste für einen Sitz in der Stadtregierung mehr Mandate als die FPÖ erreichen. Die Chancen stehen für die Stadtgrünen dabei nicht schlecht: FPÖ-Kandidat Paul Dürnberger ist ein weitgehend unbekannter Newcomer und aufgrund seiner Nähe zu den Identitären heftiger Kritik ausgesetzt. In einem Interview mit dem ORF Salzburg schloss er nicht aus, dass er auch als Stadtrat bei einer Identitären-Demonstration mitgehen würde.

Fraglich ist, ob die Neos, die bei der Landtagswahl im Vorjahr aus dem Landesparlament geflogen sind, den Wiedereinzug in den Gemeinderat schaffen. Auch der konservative Gemeinderat Christoph Ferch von der Liste Salz muss um den Einzug in den Gemeinderat bangen. Die Splittergruppe MFG tritt an, ist aber in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar.

ÖVP-Dominanz auf dem Land

So sehr auch die Aufmerksamkeit am Wahlsonntag auf die mehr oder weniger "rote" Landeshauptstadt gerichtet sein mag, auf das gesamte Bundesland ausgerollt sehen die Kräfteverhältnisse ganz anders aus. Die Stadt ist zwar immer noch das Kultur- und Verwaltungszentrum, wirtschaftlich, aber auch in der Bevölkerungsstatistik haben sich die Gewichte in den vergangenen Jahren jedoch verschoben: Im Flachgau sind am Sonntag 125.000 Menschen wahlberechtigt, in der Stadt 113.000.

Politisch ist das Land auf Gemeindeebene ohnehin tiefschwarz: Vor fünf Jahren holte die Volkspartei mit 1.153 Gemeindevertretungssitzen (47,5 Prozent) mehr als alle anderen Parteien und Listen zusammen, die auf 981 Mandate kamen. 98 Ortsoberhäupter in Salzburg sind aktuell von der ÖVP, in 17 Gemeinden stellt die SPÖ die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister und in vier diverse Namenslisten. Wobei diesmal in 31 Gemeinden die Bürgermeisterdirektwahl de facto schon entschieden ist: Es gibt nur einen Kandidaten, die Wählerinnen und Wähler können also nur Ja oder Nein ankreuzen.

Am politischen Kräfteverhältnis in den Gemeindestuben dürfte sich landesweit gesehen am Sonntag wenig ändern, auch wenn sich die SPÖ Hoffnungen macht, einige Gemeinden umzufärben. Etwa Neumarkt am Wallersee, wo SPÖ-Landesparteivorsitzender David Egger Bürgermeister Adolf Rieger (ÖVP) herausfordert, oder die Pongauer Bezirkshauptstadt St. Johann, wo Langzeitbürgermeister Günther Mitterer (ÖVP) nicht mehr antritt. Der Sozialdemokrat Egger in Neumarkt ist übrigens nicht der einzige Landesparteichef, der sich um einen Bürgermeistersessel bemüht: Im Flachgauer Großgmain möchte Landeshauptmannstellvertreterin Marlene Svazek für die FPÖ Bürgermeisterin werden.

Landespolitisch bedeutend ist auch Hallein, die zweitgrößten Stadt in Salzburg. Jahrzehntelang war die einzige Industriestadt im Land eine sozialdemokratische Hochburg, ehe sie nach einigen SPÖ-Skandalen von ÖVP-Bürgermeistern geleitet wurde. Erst 2019 gelang der SPÖ in Hallein wieder ein Wahlerfolg. Nun hat Bürgermeister Alexander Stangassinger allerdings viel Konkurrenz. Acht Listen bewerben sich um den Einzug in die Gemeindevertretung und vier Männer und drei Frauen um das Bürgermeisteramt. (Thomas Neuhold, Stefanie Ruep, 10.3.2024)