Jahrzehntelang gehörte sie zum Studieren dazu: die Altbauwohnung, in der Wohngemeinschaften auf vielen Quadratmetern um wenig Geld wohnten, studierten und feierten. Die Erinnerungen und die daraus entstandenen Freundschaften begleiten viele Menschen ihr Leben lang.

Zum Studieren gehörten jahrzehntelang für viele feuchtfröhliche Abende in der WG dazu. Heute ist die Sache mit dem Wohnen komplizierter.
Zum Studieren gehörten jahrzehntelang für viele feuchtfröhliche Abende in der WG dazu.
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Lisa steht am Anfang dieser Erinnerungen: Vor gut einer Woche ist die 24-Jährige in eine Dreier-WG in Wien eingezogen. Noch nie zuvor hat die Tiroler Studentin, die für ein Praktikum nach Wien gezogen ist, im Altbau gelebt. Die hohen Decken und die schönen Türen haben sie aber schon immer fasziniert: "Ich liebe den Charme der knarrenden Böden", sagt sie.

Die Schattenseite eines unsanierten Altbaus hat sie in den ersten paar Tagen in ihrem neuen Zuhause aber auch bereits kennengelernt: "Es zieht und ist extrem kalt derzeit", sagt sie. Wenn sie ins Bett geht, zieht sie sich ihren dicken Kapuzenpulli über. Und für die Spinnweben, die sich oben am Plafond bilden, muss sie erst noch einen Besen kaufen gehen.

Hohe Preise

600 Euro Gesamtmiete zahlt Lisa für ihr vollmöbliertes 20-Quadratmeter-Zimmer. Und damit zeigt sich schon das erste Problem: So günstig, wie die großen Wohnungen früher waren, sind sie schon lange nicht mehr. Zwar ist die Nettomiete im Altbau gedeckelt, aktuell liegt sie in Wien bei 6,67 Euro pro Quadratmeter und Monat – dazu kommen aber noch teils sehr intransparente Zuschläge, etwa für Lage und Ausstattung.

Auch die Betriebskosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen – eine große, zugige Wohnung muss im Winter nämlich erst einmal beheizt werden. Für die wirklich großen Wohnungen, die über 130 Quadratmeter groß sind, gilt der Richtwertmietzins zudem nicht, es darf also mehr Miete verlangt werden – was den großen Träumen von der WG im Altbau häufig einen Strich durch die Rechnung macht.

Die Suche nach einer wirklich günstigen alten Wohnung gleicht daher heute der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen: "Die 120-Quadratmeter-Wohnung um 700 oder 800 Euro gibt es nur noch im Souterrain oder direkt am Gürtel", sagt der Wiener Immobilienmakler Michael Pfeifer.

Häufig kämen die ganz großen Altbauwohnungen auch gleich gar nicht auf den Markt, erklärt Immobilienmaklerin Karina Schunker von EHL Immobilien. Sie würden oft entweder gleich innerhalb des Hauses oder der Familie des Vermieters weitergegeben oder, wenn sie sanierungsbedürftig sind, als Eigentumswohnungen abverkauft, um die Sanierung nicht allein stemmen zu müssen.

Studierende und Familien

Aber auch die Konkurrenz am Wohnungsmarkt ist größer geworden: Weil die Kreditvergabe-Richtlinien streng und die Zinsen hoch sind, verschieben viele Menschen ihren Traum vom Eigenheim auf später – und machen sich erst einmal lieber auf die Suche nach einer Mietwohnung. Große Altbauwohnungen eignen sich nicht nur für Studierende, sondern ganz besonders auch für Familien – und diesen würde im Zweifel von vielen Vermieterinnen und Vermietern der Vorzug gegeben, weil man laute Partys im Haus und Stress mit den Nachbarn befürchtet. Und auch deshalb, weil Studierenden-WGs für Vermieterinnen und Vermieter mehr Aufwand bedeuten, wie Makler Michael Pfeifer betont – besonders dann, wenn mit allen Bewohnerinnen und Bewohnern ein Mietvertrag abgeschlossen wird und sich diese dann ständig ändern.

In der Regel wird daher eine andere Variante bevorzugt, nämlich dass der Mietvertrag nur mit einer Person abgeschlossen wird – die dann dafür aber im schlimmsten Fall allein haftet, wenn der Mitbewohner die Miete nicht zahlt. Und wer kein regelmäßiges Einkommen hat, braucht heute in der Regel einen Bürgen. Nicht alle Eltern sind bereit, diese Rolle zu übernehmen – auch daran kann die Altbauwohnung scheitern.

Bei der Maklerin Karina Schunker gibt es immer wieder Suchanfragen von Studierenden. Mitunter scheitere die WG dann aber auch an der Raumaufteilung im Altbau. Häufig seien Zimmer nicht getrennt begehbar oder unterschiedlich groß. Eine kompakte Neubauwohnung eigne sich da besser, ist Schunker überzeugt. Der Haken: Auch im Neubau ist das Angebot an größeren Wohnungen mager, weil in den letzten Jahren hauptsächlich kleine Wohnungen gebaut wurden.

Ausweg: Studentenheim

Am Ende würden sich viele junge Menschen dann angesichts der mageren Ausbeute am Wohnungsmarkt für ein Studierendenheim entscheiden – oder eben eine kleine Wohneinheit für sich allein, erzählt Schunker. Das entspreche auch mehr dem Zeitgeist, ist Michael Pfeifer überzeugt. Während der Pandemie seien viele gezwungen gewesen, allein zu leben: "Und jetzt sagen viele: Diesen Komfort möchte ich weiter genießen."

Die erwähnte Lisa ist neu in Wien. Daher freut sie sich, dass sie nicht allein wohnen muss. Gänzlich überzeugt ist sie von der Wohnform aber nach einer Woche noch nicht: Ein gemeinsamer Kochabend, den sie organisieren wollte, hat eher wenig Anklang gefunden. Und den eigentlich versprochenen Putzplan hat sie bis heute nicht zu Gesicht bekommen: "Ich glaube, für eine WG bin ich zu pingelig." (Franziska Zoidl, 13.3.2024)