Infusion im Krankenhaus, im Hintergrund verschwommen ein Arzt oder eine Ärztin 
Das Medikament BC 007 wird per Infusion verabreicht und aktuell an der Klinik Floridsdorf getestet.
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Fatigue, Kurzatmigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Herzrasen, kognitive Störungen: Ein erheblicher Teil jener Menschen, die eine Covid-Erkrankung durchgemacht haben, leidet noch Monate nach der Infektion an unterschiedlichen Beschwerden – zwischen fünf und sieben Prozent, schätzen Fachleute. Wie viele genau von Long Covid betroffen sind, lässt sich nicht so konkret sagen. Das liegt auch daran, dass es nicht nur eine Form von Long Covid gibt, das Krankheitsbild ist vielschichtig.

"Die langfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie mit vielen Long-Covid-Betroffenen werden das Gesundheitssystem noch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten beschäftigen", ist sich Arschang Valipour sicher. Er ist Lungenfacharzt und Leiter des Instituts an der Klinik Floridsdorf und fordert: "Wir brauchen funktionierende nationale, multidisziplinäre Versorgungsstrukturen, die eine ganzheitliche Behandlung und Betreuung der Erkrankten gewährleisten."

Ursachenbehandlung statt Symptombekämpfung

In Sachen Behandlung tappt man in der Forschung aber oft noch im Dunkeln. Die aktuell verfügbaren Therapien lindern zwar manche Symptome und Begleiterscheinungen, setzen aber nicht an der Ursache der Erkrankung an. Das liegt auch daran, dass Forschende den Mechanismus bei Long Covid noch nicht gut genug verstehen.

Im Rahmen einer international angelegten klinischen Studie wird jetzt ein neuer Therapieansatz untersucht. Auch das an der Klinik Floridsdorf angesiedelte Karl-Landsteiner-Institut für Lungenforschung und pneumologische Onkologie ist an der Untersuchung beteiligt. Es sei laut Valipour "eine der wenigen Untersuchungen, die wirklich bei der Ursache der Krankheit ansetzen".

Konkret geht es dabei um die Wirksamkeit und Verträglichkeit eines Medikaments für Long-Covid-Erkrankte mit ausgeprägten Ermüdungserscheinungen und Fatigue. Ihre Symptome ähneln jenen von Betroffenen des chronischen Erschöpfungssyndroms ME-CFS.

Rasche Verbesserung

Betroffene bekommen dabei entweder ein Placebo verabreicht – oder eine Infusion mit dem Medikament BC 007 des namensgebenden Biotechnologieunternehmens Berlin Cures. Diese Substanz wurde ursprünglich zur Behandlung chronischer Herzmuskelschwäche entwickelt und zielt im Grunde darauf ab, bestimmte Autoantikörper zu neutralisieren. Das sind Antikörper, die vom Immunsystem gebildet werden und sich gegen körpereigenes, gesundes Gewebe richten.

Denn man geht davon aus, dass ein Teil der Menschen mit Herzmuskelschwäche diese aufgrund von Autoantikörpern haben. "Es gibt mehrere Erkrankungen, bei denen diese Autoantikörper ihr Unwesen treiben", sagt Valipour. Auch bei manchen Long-Covid-Betroffenen sind Autoantikörper, die sich gegen die körpereigenen Zellstrukturen richten, nachweisbar. "Und die sind wiederum verantwortlich für die Beschwerden und sollen vom Medikament neutralisiert werden."

Dafür werden den an der Studie teilnehmenden Patientinnen und Patienten zwei Infusionen im Abstand von zwei Wochen verabreicht – zumindest einem Teil von ihnen, der andere Teil bekommt ein Placebo. Die Untersuchung ist dabei eine verblindete Studie. Das bedeutet, dass weder die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch die behandelnden Ärztinnen und Studienkoordinatoren wissen, wer welche Substanz bekommt.

Bei jenen, denen BC 007 verabreicht wurde, sollte dann relativ rasch eine Linderung der Erschöpfungszustände eintreten, hoffen Fachleute. "Wenn es funktioniert, funktioniert es rasch. Die Hoffnung ist, dass wir bei Betroffenen schon nach einem Monat deutliche Verbesserungen sehen", sagt Valipour.

Dass das Herzmedikament BC 007 auch bei Long-Covid-Betroffenen wirken könnte, darauf deuteten bereits erste erfolgreiche Behandlungen an der Uniklinik Erlangen hin. Bei drei von vier Betroffenen zeigte sich eine gute Wirkung, der vierte erlitt einen Rückfall. Das könnte allerdings auch an einer erneuten Corona-Infektion gelegen haben, der STANDARD berichtete dazu hier.

Schutz vor Infektion

Bis das Medikament – so es in der Studie erfolgreich ist – wirklich zugelassen werden könnte, dauert es allerdings noch. Die ersten Ergebnisse dieser Phase-2-Studie könnten zwar schon im Herbst vorliegen, aber entsprechende Zulassungsstudien bräuchten danach noch einiges an Zeit. Valipour geht davon aus, dass das Medikament, wenn alles optimal verläuft, frühestens in zwei Jahren zugelassen werden könnte.

Dis dahin sollte man sich jedenfalls so gut es geht vor Infektionen schützen, rät Valipour. Denn grundsätzlich kann jede Covid-19-Infektion zu Long Covid führen – sowohl milde als auch schwere Infektionen. "Es ist ein Irrglaube, dass Mehrfachinfektionen zu einer Stärkung des Immunsystems führen. Im Gegenteil, das Virus schädigt die Schleimhaut von Bronchien und Lungengewebe so stark, dass es in der Folge oft zu Zweitinfektionen kommt", warnt er. Selbstschutz für vulnerable Bevölkerungsgruppen, etwa durch Impfung und das Tragen von Masken, in kritischen Situationen seien einfach umzusetzende Maßnahmen, die das Risiko vermindern und einer Erkrankung vorbeugen können. "Auch adäquate lüftungstechnische Maßnahmen und Luftfilter in Innenräumen haben das Potenzial, das Infektionsrisiko zu senken", betont der Lungenexperte. (Magdalena Pötsch, 8.3.2024)