Frau in Sportgewand liegt auf einem Gymnastikball und schläft.
Wer hat Lust auf Sport? Oft fällt es schwer, sich aufzuraffen – dabei bekommt man im Grunde recht schnell wieder eine Grundfitness.
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Der Frühling macht sich endlich so richtig bemerkbar. Die Temperaturen werden immer höher, und seit der Zeitumstellung ist es auch am Abend deutlich länger hell. Spätestens jetzt sollte man dem inneren Bewegungsdrang wirklich nachgeben. Denn unser Körper lechzt geradezu danach, seine Möglichkeiten auszuschöpfen.

Wenn da nur nicht der innere Schweinehund wäre. Der sitzt in seinem dunklen Eck, und jedes Mal, wenn man willig ist, kommt er heraus und sagt: zu spät, zu windig, zu müde, zu früh, zu wenig Zeit, Hunger, Couch, Muskelkater, Wäsche waschen – und hat noch tausend andere Gründe, warum es genau jetzt gerade keine gute Idee ist, Sport zu machen.

Es gibt natürlich Tricks, wie man den inneren Schweinehund aushebelt (siehe auch Kasten unten) – aber es bleiben immer Winkelzüge. Denn er lebt auf der Instinktebene, während das Wissen, wie gut uns Bewegung tut, eher auf der rationalen Ebene beheimatet ist. Und wenn Sie jetzt sagen, Sie kennen den Schweinehund nicht, Sport ist nie mühsam, dann stimmt das so nicht ganz. Er ist lediglich schon so gezähmt, dass das Bedürfnis nach Bewegung mindestens so stark ist wie er, wenn nicht sogar stärker. Das ist großartig. Doch wenn man genau hinhört, flüstert er immer noch manchmal von hinten ein, dass es doch jetzt viel feiner wäre, auf der Couch oder im Bett zu bleiben ...

Routinen schaffen

Wie schafft man es also, den Schweinehund nachhaltig zu überwinden? Da es instinktiv eher nicht funktionieren wird, muss man es rational und systematisch angehen. Mit einem Zugang, der die individuelle körperliche Verfassung berücksichtigt, und mit Strategien, wie man sich selbst diszipliniert, erklärt der Sportwissenschafter Michael Koller.

Wichtigstes Tool ist dabei die Regelmäßigkeit der Bewegung, denn nur so kann man eine Gewohnheit etablieren – und alles, was Teil der eigenen Routine ist, fällt einem deutlich leichter in der Umsetzung. Um diese Regelmäßigkeit aufzubauen, empfiehlt Koller, am Anfang täglich – oder auch alle zwei Tage, je nachdem wie es in den eigenen Zeitplan hineinpasst – eine kurze Bewegungseinheit zu planen. Übertreiben soll man es dabei nicht. Erst wenn die Regelmäßigkeit geschafft ist, steigert man die Dauer des Trainings. "Dann steigert man die Intensität und setzt gezielt Trainingsreize", erklärt Koller die Reihenfolge.

Trainingsreize sind deshalb wichtig, weil nur dann der Körper Muskeln und Kondition aufbaut. Das können beim Krafttraining so viele Wiederholungen sein, bis eine muskuläre Erschöpfung eintritt und man keine weitere mehr schafft. Beim Ausdauertraining wie Laufen können das Intervalltraining oder Steigerungsläufe sein. "Aber auch Long Jogs sind wichtig, also langsame, lange Läufe oder auch lange Spaziergänge. Sie stärken die Grundlagenausdauer, und ohne die wird man langfristig nicht besser."

Mehr ist schon mehr

Regelmäßigkeit ist wichtig, so weit, so klar. Doch wie viel Training ist wirklich nötig, um fit zu werden? Immerhin gibt es einige Studien, die schon mit sehr wenig Bewegung einen gesundheitlichen Nutzen zeigen, etwa bei 4.000 Schritten täglich, wie DER STANDARD hier berichtete. Tatsächlich braucht man nicht wahnsinnig viel Zeit, um sportlich aktiv zu sein. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens 150 Minuten oder besser noch 300 Minuten moderate Bewegung pro Woche, auf mehrere Einheiten aufgeteilt. Umgelegt auf tägliche Einheiten sind das zwischen 22 und 43 Minuten. Das ist ein guter Grundstock, bestätigt Koller, man erreicht damit bereits rund 70 Prozent der gesundheitlichen Vorteile, die einem Bewegung bringt.

Koller ergänzt dabei: "In dem Fall ist aber mehr schon mehr. Ich kann ja auch 80, 90 oder 100 Prozent des möglichen Gesundheitspotenzials ausschöpfen." Allerdings ist die Steigerungskurve nicht mehr so stark ausgeprägt, wenn man mehr macht – betrachtet man die Sache vor allem aus dem Kosten-Nutzen-Blickwinkel.

Ein Argument gegen Bewegung ist für viele, dass es keinen Spaß mache. Das kann durchaus stimmen – aber der Schluss ist ein falscher. Nicht der Sport per se ist langweilig, sondern man hat einfach die "eigene" Sportart noch nicht gefunden. Koller empfiehlt deshalb, unterschiedliche Dinge auszuprobieren. "Kinder führt man an den Sport heran, indem man ihnen ein möglichst vielfältiges Programm zeigt, damit sie vieles entdecken können. Das empfehle ich auch jeder Person, die (wieder) in den Sport einsteigen möchte." Es muss also nicht immer Laufen oder Radfahren und Krafttraining sein. "Vielleicht ist es auch eine Kombination aus Handball, Yoga und Schwimmen."

Die richtige Dosis Muskelkater

Wenn man nun den passenden Sport gefunden hat, wie weiß man dann, was das richtige Trainingsvolumen ist? Das hängt von den selbstgesteckten Zielen ab und davon, was man konkret erreichen will. Das kann sein, dass man dem Bus nachlaufen kann, ohne gleich völlig außer Atem zu geraten, dass man mit den Kindern ausgelassen im Park spielen kann oder dass man einen Marathon durchzieht. Und es hängt, wie schon erwähnt, auch von den eigenen Zeitressourcen ab.

Wie weit man im Moment gehen kann, was der Körper schon schafft, dafür kann der daraus resultierende Muskelkater ein ganz gutes Zeichen sein. Koller findet Muskelkater zwischendurch durchaus in Ordnung: "Bringt man die Muskulatur an ihr Limit, ist das ein guter Trainingsreiz. Das kann man schon einmal spüren. Man muss das Training einfach entsprechend dosieren und die nächsten Tage moderater gestalten." Insgesamt ist eine gute Mischung aus lockeren und intensiven Einheiten wichtig.

Aber übertreiben sollte man es nicht, betont Koller: "Wenn man den Alltag nicht mehr normal bewältigen kann und zum Beispiel die Treppe nicht mehr gut hinaufkommt, dann war es definitiv zu viel."

Und wie lange dauert es, bis man ein vernünftiges Fitnesslevel erreicht hat? "Ein vernünftiges Fitnesslevel definiert sich jede Person selbst, da sind die Bedürfnisse recht unterschiedlich. Je nach selbstgestecktem Ziel dauert das kürzer oder länger", betont Koller. Doch prinzipiell sollte man nach acht bis zwölf Wochen einen klaren Unterschied merken, oft geht es auch deutlich schneller. "Ändert sich in der Zeit nichts, läuft etwas falsch." Das kann ein Trainingsfehler sein, man kann die eigenen Ziele aber auch über falsche Ernährung sabotieren, durch zu wenig Schlaf oder zu hohes Stresslevel im Alltag. "Wenn der Körper im Stress ist, egal ob beruflich oder zeitlich, wird Cortisol ausgeschüttet, und das hemmt einfach die Leistungsentwicklung."

Dann kann es helfen, einen Schritt zurückzugehen und weniger, dafür gezielter zu machen. Oder besser zu planen. Koller kennt das aus eigener Erfahrung: "Ich habe selbst wenig Zeit. Darum fahre ich mit dem Rad ins Fitnesscenter und bin dadurch schon aufgewärmt, wenn ich ankomme."

Pausen einplanen

Übrigens, übertreiben soll man es auch nicht. Der Körper braucht Pausen, nur dann kann er den Trainingsreiz auch verarbeiten. Und eine dauerhafte körperliche Überanstrengung kann, genauso wie Stress in der Arbeit, dramatische Folgen für Körper und Psyche haben. Das haben etwa Untersuchungen mit Schwimmern gezeigt, berichtet Koller. Man hat den Athleten mit Visualisierung eingebläut, hinter ihnen schwimme ein Hai, dem sie entkommen müssten – sonst würde er sie fressen. Das aktiviert den Überlebenstrieb, "schafft man es, diese Power im Rennen abzurufen, kann man unglaubliche Leistungen erbringen". Auf Dauer hat dieser Überlebenskampf aber die Psyche der Athleten extrem belastet, einige haben sogar Depressionen bekommen.

Umgelegt auf Freizeitsportlerinnen und -sportler kann das passieren, wenn man sich ein zu hohes Ziel steckt, wenn man etwa für einen Halbmarathon den Kilometer in einer gewissen Zeit laufen will. "Dann trainiert und trainiert man und trainiert noch härter, aber man wird einfach nicht schneller. Das ist langfristig für den Körper nicht gut. Und auch die Psyche leidet, wenn man ständig den eigenen Vorgaben hinterherläuft und sie einfach nicht erfüllen kann", weiß Koller. Dann kann man in ein mentales Loch fallen, Energielosigkeit bis hin zum Burnout inklusive.

Deshalb empfiehlt er, das Training immer an das eigene Energielevel anzupassen. Trainingsreize sind wichtig, sonst wird man langfristig nicht besser, aber: "Wenn man nach einem Training völlig erledigt auf die Couch sackt, ist das ein klares Zeichen dafür, dass es zu viel war. Ist das Stresslevel ohnehin schon ziemlich hoch, ist sanfte Bewegung, die aktiviert, aber nicht erschöpft, oft zielführender."

Nur dann wird nämlich das parasympathische Nervensystem, das für die Entspannung zuständig ist, aktiviert und Sport bringt auch genau den positiven Nutzen, den wir von ihm wollen. Ein flotter Spaziergang im Grünen, eine entspannte Radtour oder auch Relaxyoga – also alles, was anregt, aber nicht auslaugt. Die Couch ist aber keine Alternative, stellt Koller klar: "Bewegung ist immer die bessere Alternative. Man muss sie einfach an das eigene Energielevel anpassen, dann tut sie sowohl körperlich als auch psychisch gut." (Pia Kruckenhauser, 4.4.2024)