Junge asiatisch-gelesene Frau liegt mit geschlossenen Augen auf dem Sofa
Die Angehörigen der Generation Z wollen nicht nur mehr Freizeit, sondern diese auch anders nutzen.
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Um täglich ausreichend Wasser zu trinken, schleppt man ständig einen "Stanley-Cup" mit sich, einen überdimensionalen Thermosbecher mit Strohhalm. Wer besser schlafen möchte, praktiziert "Mouth taping". Dabei klebt man sich nächtens den Mund zu; die erzwungene Nasenatmung soll das Immunsystem verbessern. Und um zu entschleunigen, braucht es "Bedrotting" – das bewusste Gammeln im Bett, die erzwungene Inaktivität. Social-Media-Plattformen sind voll mit derlei mehr oder weniger vertrauenswürdigen Ratschlägen, die zu einem gesünderen Lifestyle beitragen sollen. Und das kommt an. Mehrere Millionen Aufrufe verzeichnen virale Videos mit teils hanebüchenen Gesundheits- und Wellnesstipps auf Instagram und Tiktok.

Das Zielpublikum: die Generation Z. Die um die Jahrtausendwende Geborenen gelten als arbeitsscheu, fordernd – und auch als langweilig. Glaubt man aktuellen Studien und Medienberichten, haben die "Zler" Alkohol und Zigaretten abgeschworen, ernähren sich gesund und gehen gerne früh ins Bett. Sie wollen also nicht nur mehr Freizeit, sondern diese auch anders nutzen als die Generationen vor ihnen. Aber stimmt das?

Die Datenlage zum tatsächlichen Lifestyle dieser Generation ist in Österreich recht spärlich. Ein Blick in die wenigen vorhandenen Quellen gibt dennoch Aufschluss über die Einstellung der Jungen. Aber was sagen Vertreterinnen und Vertreter der Gen Z selbst zu diesen Behauptungen, die immer wieder über sie und ihre Altersgenossen aufgestellt werden?

Mythos 1: Gesundheit wird den Jungen immer wichtiger.

Welchen Stellenwert junge Menschen dem Thema Gesundheit zuschreiben, zeigt die Jugendwertestudie aus dem Jahr 2022. Dafür wurden 16- bis 29-Jährige von der Marktforschung Tfactory unter anderem gefragt, was ihnen im Leben besonders wichtig ist. Am häufigsten wurde mit 57 Prozent die Gesundheit genannt, gefolgt von einem sicheren Job und genug Zeit für persönliche Interessen. Am wenigsten wichtig sind der Gen Z hingegen Glaube und Religion (13 Prozent) sowie "am Wochenende richtig Party zu machen" (neun Prozent).

Ähnliches beobachtet auch der deutsche Jugendforscher und Unternehmensberater Simon Schnetzer. "Wobei das Thema Gesundheit viele Dimensionen hat", gibt er zu bedenken. Nicht nur das körperliche Wohlbefinden, sondern vor allem die psychische Gesundheit sei seit der Pandemie in den Fokus gerückt. Globale Krisen, Klimakatastrophe und Rekordteuerung bereiten den Jungen große Sorgen, wie zahlreiche Umfragen belegen.

Gleichzeitig gehen junge Menschen offener mit mentaler Gesundheit um und suchen sich auch öfter Hilfe, sagt der Jugendforscher – sowohl online als offline. "Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass manche Jugendliche heute bereits mit Beziehungsproblemen Rat bei Beratungsstellen oder Psychologen suchen." Zudem schaffe die digitale Welt neue Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen und gleichzeitig Anerkennung von außen dafür zu bekommen. "Diese Form der medialen Selbstdarstellung hatten Ältere nicht. Die sind vielleicht einmal in die lokale Zeitung gekommen, wenn sie Glück hatten", sagt Schnetzer.

Und wie steht es um die körperliche Gesundheit? "In der Pandemie war Sport das Einzige, was zu diesem Zeitpunkt gut möglich war. Deswegen habe ich angefangen zu laufen. Das hat sich bis heute gehalten", sagt die 26-jährige Ira. Als Fitness-Freaks sehen sich viele Junge aber trotzdem nicht, wie weitere Rückmeldungen auf einen Social-Media-Aufruf des STANDARD zeigen. "Ich betreibe schon Sport, aber nicht sehr regelmäßig. Ich merke aber um mich herum schon den Trend, dass Männlichkeit mit körperlicher Fitness und viel Geld verknüpft wird," sagt der 23-jährige Dominik.

Jugendlicher mit Kopfhören schaut auf sein Smartphone
In ihrer Freizeit hören die meisten Jungen am liebsten Musik, verbringen Zeit mit Freunden und Familie oder schauen Serien.
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Mythos 2: Die Gen Z will lieber ausschlafen statt ausgehen.

Was die älteren Generationen unter Spaß und Jungsein verstehen, ist oft der Exzess: Alkohol, Drogen, Rauchen. "Ich gehe kaum mehr feiern und konsumiere kaum Alkohol. Außerdem habe ich einen geregelten Schlafrhythmus. Meine Hobbys wie Lesen oder Serienschauen lassen sich ebenfalls als wenig aufregend beschreiben", erzählt der 27-jährige Serafin.

Wird nun also mehr gechillt als gefeiert? "Auf dem Land ist das Feiern, wenn man älter wird, nicht mehr so interessant. Es ist teuer, die Musik oft nicht gut und zu laut. Die einzige Option ist für Partys, nach Wien zu fahren, aber das kommt einen dann insgesamt noch teurer", sagt Dominik, der in Oberösterreich lebt, das Linzer Nachtleben nicht berauschend findet und stattdessen lieber mit Kollegen und Freunden zu Hause ein Bier trinkt.

Ganz ohne zumindest kleine Exzesse scheint es aber doch nicht zu gehen. "Mir kommt vor, es wird mehr Gras geraucht als Alkohol getrunken. Zunehmend auch von meinen weiblichen Bekannten und Freundinnen", erzählt Dominik weiter. Was auch nicht aus der Mode komme, sind laut Jugendforscher Schnetzer Festivals – dort herrschen andere Regeln, das Freiheitsgefühl ist größer.

Aber was tun junge Menschen, statt zu feiern? Ira sagt, sie bevorzugt es, früh schlafen zu gehen, um fit für den nächsten Tag zu sein. In ihrer freien Zeit macht sie lieber Sport oder geht mit ihren engsten Freunden wandern. In der Ö3-Jugendstudie 2023, für die knapp 40.000 junge Menschen befragt wurden, wird klar, welchen Beschäftigungen Junge am häufigsten nachgehen. Auffällig ist: Konsum, also shoppen, und Fitness scheinen weit weniger wichtig zu sein, als Social-Media-Trends vermuten lassen. Am häufigsten hören die Jungen Musik, verbringen Zeit mit Freunden und Familie, streamen Filme und Serien, chillen oder tummeln sich auf sozialen Netzwerken.

Mythos 3: Junge Menschen haben weniger Freunde als früher.

Ein weiterer Mythos, der sich nachhaltig verbreitet, ist, dass die Gen Z weniger Freunde hat – mitunter aufgrund der Pandemie. Stimmt das? Bei einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Integral aus dem Jahr 2022 gaben ein Drittel der Befragten in Österreich an, keine engen Beziehungen außerhalb der Familie zu haben. Untersuchungen im deutschsprachigen Raum zeigen, dass jede Person im Schnitt drei bis vier enge Freundinnen und Freunde hat. Rund elf Personen können zu dem erweiterten Freundeskreis gezählt werden. Die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse befragte im Vorjahr rund 58 Millionen Menschen in Deutschland: Dass Freundschaften und enge Beziehungen wichtig sind, bejahten rund zwei Prozent weniger als noch 2019. Haben die "Zler" also weniger enge Freunde?

Zwei junge Frauen stehen nebeneinander und schauen auf ein Smartphone
"Ich habe zwei bis drei wirklich enge Freunde. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass das zu wenige sind", berichtet die 26-jährige Ira.
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Jugendforscher Schnetzer bejaht das. Die Zahl der belastbaren Freundschaften sei unter den Jungen gesunken. Es gebe allerdings ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Auf dem Land, wo deutlich mehr Menschen in Vereinen aktiv sind, ist das soziale Geflecht noch stärker. Aber mit der Verbindlichkeit, die regelmäßige Hobbys voraussetzen, scheint es die junge Generation nicht so ernst zu meinen. "Viele Junge wollen sich weniger binden, sehen einen fixen Trainingstermin am Donnerstag als zu unflexibel und nicht mit ihrer Vorstellung von Freizeitgestaltung vereinbar."

"Ich habe zwei bis drei wirklich enge Freunde. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass das zu wenige sind", sagt Ira. Dafür hat sie ein enges Verhältnis zu ihrer Familie. Auch Jugendforscher Simon Schnetzer bestätigt, dass Familie für die Generation Z einen sehr hohen Stellenwert einnimmt: "Wenn junge Menschen umziehen, fragen sie heute seltener Freunde, sondern in der Regel ihre Eltern", nennt er als Beispiel.

Mythos 4: Die Work-Life-Balance steht über allem.

Die meisten Mythen und Vorurteile um die junge Generation beziehen sich auf den Job. Die wollen sowieso nicht mehr arbeiten, lautet der Vorwurf vieler Älterer an den Nachwuchs. Ist da wirklich etwas dran? "Ein 40-Stunden-Job sieht mich sicher nicht mehr", sagt Ira. Nach eineinhalb Jahren in der Steuerberatung hat die 26-Jährige ihren Vollzeitjob an den Nagel gehängt. Nun arbeitet sie bei einer Bank mit weniger Stunden und einer Viertagewoche. "Ich habe gesehen, wie sich meine Eltern beinahe zu Tode gearbeitet haben. Das möchte ich nicht", begründet sie ihre Entscheidung.

Ähnlich sieht das auch Dominik. "Niemand aus meinem Umfeld möchte mehr 40 Stunden arbeiten. Da sind sich alle einig." Der 23-Jährige arbeitet im Schichtbetrieb in einer Linzer Produktionsfirma und ist mit seiner Wochenarbeitszeit von 32,5 Stunden rundum zufrieden. "Man lebt nur einmal, und es ist mir egal, dass ich eben weniger verdiene", sagt er.

Der Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit ist den Jungen wichtig, das belegen unzählige Umfrage. Die Daten zeigen aber auch: Eine gute Work-Life-Balance steht für die Gen Z im Job nicht an erster Stelle. Für die Jungen zählen laut Schnetzer vor allem drei Dinge am Arbeitsplatz: Spaß, Sinn und Sicherheit. "In einem Arbeitsmarkt, der es zulässt Forderungen zu stellen, sollten wir auch nicht verwundert sein, wenn der Nachwuchs genau das macht", sagt er. Die Generation Z sehe die Work-Life-Balance nicht zwischen dem Arbeitsleben und dem Ruhestand, sondern wolle sie im Hier und Jetzt.

Erfüllte Jugend

"Die Jungen erleben die Welt anders und verhalten sich dementsprechend“, erklärt Schnetzer. Es gilt zu bedenken, wie stark sämtliche Lebensbereiche heute ­reglementiert und kontrolliert seien. "Dieser Raum, loszulassen und Spaß zu haben, ist in der echten Welt kleiner geworden – und hat sich in die digitale Welt verlagert. Nur: Das bekommen die Älteren nicht mit", sagt er. Sein Resümee: "Die Jugend ist nicht langweiliger geworden, aber sie lebt anders und zieht ihren Spaß aus anderen Aktivitäten."

Doch eine Frage bleibt: Wer hat die Deutungshoheit darüber, was eine erfüllte Jugend ausmacht? Sollten es nicht Personen der Generation Z selbst sein, die ihre Lebensweise einordnen? Deshalb sei das letzte Wort Serafin gegeben: "Ich bin nicht nur fad, sondern auch glücklich." (Anika Dang, Natascha Ickert, 23.3.2024)