"Mein erster Job nach der Uni war bei einer Sexhotline. Ich saß in einem Großraumbüro, habe Anrufe bekommen und führte erotische Telefongespräche. Das habe ich ungefähr zehn Jahre gemacht. Und irgendwann von zu Hause aus, weil es kompatibel mit der Hundehaltung war. Wenn ich mit meinem Hund spazieren gehen musste, hab ich mich einfach abgemeldet und war dann ein paar Stunden nicht erreichbar.

Über diese Gespräche bin ich draufgekommen, welche Wünsche Männer haben. Einige haben dominante Unterhaltungen gesucht. Damit hatte ich damals ja keine Erfahrung. Da weiß man erst gar nicht, was man denen erzählen soll. Ich bin draufgekommen, dass Männer auf getragene Wäschestücke stehen. Die habe ich dann verkauft. Da ich ja für die Sexhotline erreichbar sein musste, haben die Männer sie bei mir abgeholt. Bei den Treffen haben sie dann ganz andere Wünsche geäußert. Das Wäschestück stand nie an erster Stelle.

Das war mehr oder der weniger der Einstieg. Die Wünsche der Männer waren auf BDSM bezogen. Ich hab dann erste Dinge ausprobiert. Zum Beispiel hab ich jemandem eine Ohrfeige gegeben oder Facesitting mit Atemkontrolle gemacht oder jemandem den Hintern versohlt. Einvernehmlich, versteht sich.

Domina Shiva Prugger Porträt
Shiva Prugger in ihrem großzügig ausgestatteten Studio im 16. Bezirk in Wien.
Foto: Kevin Recher

Das wurde immer intensiver, und irgendwann dachte ich mir: Okay, das ist kein Hobby mehr; mir taugt das, was ich mache; ich stell das auf professionelle Beine. Daraufhin bin ich auf Lokalsuche gegangen. Das war nicht einfach, weil nicht jeder dieses Gewerbe eingemietet haben möchte. Seit zehn Jahren bin ich hier im 16. Bezirk. Es war überhaupt nicht mein Plan, Domina zu werden. Jetzt mache ich das schon über zwölf Jahre. Eigentlich habe ich Psychologie studiert, aber als Psychologin wollte ich eh nie arbeiten.

Ein Besuch ist wie ein Theaterstück

Mein Arbeitsalltag sieht immer anders aus, auch weil ich keine fixen Arbeitszeiten habe. Tendenziell richtet sich mein Tag nach den Bürozeiten derer, die zu mir kommen. Viele wollen ihren Besuch bei mir diskret in ihrem Arbeitstag unterbringen. Mein frühester Termin ist um neun Uhr, der späteste zwischen 18 und 20 Uhr. Das ist mir aber schon fast zu spät. Ein Termin dauert ja nicht nur eine Stunde, sondern meistens zwei. Danach muss ich noch putzen. Vor einem Termin bin ich eine gute Stunde vorher da, ziehe mich um und beschäftige mich damit, was mein Gast möchte. Das ist mal mehr, mal weniger aufwendig. Nach dem Besuch dusche ich mich, gehe heim etwas essen oder beantworte E-Mails.

Pro Tag sind zwei Termine okay, drei sind grenzwertig. Ich muss mich auf jeden Menschen komplett anders einstellen. Ich denke mir ja für jeden eine völlig neue Session aus.

Ein Besuch bei mir ist wie ein Theaterstück. Es gibt einen Anfang und ein Ende. Man braucht einen Spannungsbogen. Gewisse Dinge macht man nicht zu Beginn, die passieren am Ende einer Session. Wenn jemand zum Beispiel gerne Brustwarzenspiele hat, dann mag der vielleicht auch, dass man ihm Nadeln durchsticht. Dann ist das am Anfang net gscheit, das heb ich mir fürs Ende auf. Deswegen braucht es einen logischen Ablauf. Den muss ich mir für jede Session neu überlegen. Ich muss mir auch merken, was ich nicht machen darf. Für manche ist eine Watsche ein absolutes No-Go. Und es gibt Leute, die keine Räucherstäbchen oder klassische Musik mögen.

Ich lehne Terminanfragen auch ab, wenn ich der Meinung bin, gewisse Fantasien nicht umsetzen zu können, oder wenn ich und mein Gast nicht auf derselben Wellenlänge sind.

Fesseln und Knebel

Der Wunsch der meisten ist, fixiert zu werden. Dafür hab ich unterschiedliche Fixierungsmöglichkeiten: entweder auf einem Stuhl, am Andreaskreuz, auf einem Bock, auf einer Liege, am Seilzug oder auch kopfüber, in einem Ledergittersack oder in einem Vakuumsack.

Andere wünschen sich ein Spiel auf Augenhöhe, ohne gedemütigt oder beschimpft zu werden. Andere genießen wiederum das Machtgefälle, dass ich mein Ding durchziehe ohne Rücksicht auf ihn, aber im besprochenen Rahmen.

Ich arbeite beispielsweise mit Masken und Knebeln – man sieht und hört also nichts. Hier kommt wieder das Ausgeliefertsein ins Spiel. Dann gibt es Menschen, die Schmerzen auf unterschiedliche Weise erleben wollen. Das kann am gesamten Körper sein, also zum Beispiel Brustwarzen-, Penis- und Hodenfolter, oder dass sie den Hintern versohlt bekommen wollen. In Arztszenarien bin ich eine Krankenschwester oder Ärztin, die eine Untersuchung durchführt. In diesen Fällen kommen zum Beispiel Einläufe oder Katheter zum Einsatz.

Einige Menschen wünschen sich eine Transformation. Männer wollen beispielsweise in die Rolle einer Frau schlüpfen. Sie werden dafür von mir geschminkt, mit Perücke, Silikonbrüsten und High Heels hergerichtet, und dann wird ein Spiel gemacht. Es kann auch sein, dass jemand ein Baby sein und gewickelt werden möchte.

Einige Wünsche sind für mich ein No-Go. Ich kann mir nicht vorstellen und werde niemals anbieten, einen Menschen anzukacken. Klarerweise mache ich auch keine verbotenen Dinge oder lege Magensonden, das finde ich nicht erotisch.

Es ist nicht immer alles erotisch, was ich mache, aber manches Mal denk ich mir: Hm, das ist schon nett. Es hängt auch von meinem Gegenüber ab.

Domina Shiva Prugger Porträt
Knüppel, Dildos, Masken, Fesselbank: Shiva Pruggers Sammlung an Instrumenten ist vielfältig.
Foto: Kevin Recher

Auch Frauen und Paare kommen

Eine Stunde kostet bei mir 260 Euro. Was ich mit der Stunde mache, ist total unterschiedlich. Ich verlange für besondere Wünsche nicht extra, das geht auch gar nicht. Manche Leute wollen viele unterschiedliche Dinge ausprobieren, andere gehen's langsamer an. Ich tendiere eher dazu, viel zu machen, ich muss mich selbst immer zurücknehmen.

Hauptsächlich kommen Männer zu mir. Es kommen auch Frauen, was mich total freut. In letzter Zeit besuchen mich öfters auch Paare. Meist sind meine Gäste eher reifere Menschen zwischen 50 und 65.

Was die Leute beruflich machen, weiß ich meistens nicht – aus Diskretionsgründen. Das würde mich auch beeinflussen, glaub ich. Wenn der Bundeskanzler kommen würde, wär mir das wurscht. Der wird genau gleich behandelt wie jeder andere. Vielleicht wäre ich aber ein bisschen gemeiner, wer weiß.

Frauen haben die gleichen Wünsche wie Männer. Eine Maske kann ich einer Frau genauso aufsetzen. Meine Werkzeuge funktionieren auch gleich, wie Knebel und Schlaginstrumente. Ein Hodenfallschirm bringt einer Frau halt nichts. Ich habe festgestellt, dass Frauen härter im Nehmen sind.

Feiertag für die Gäste

Es gibt Gäste, die ich sicher schon zehn Jahre oder länger kenne. Sie kommen regelmäßig, aber in Abständen. Andere haben nur ein Mal im Jahr die Möglichkeit, nach Wien zu kommen. Andere besuchen mich monatlich, vierteljährlich, das ist sehr unterschiedlich. Es kommen auch immer wieder neue Menschen dazu oder bleiben weg – in letzter Zeit sind leider drei Männer verstorben. Die kannte ich sehr gut, da bin ich dann schon traurig. Wenn ein Gast über 100 Termine bei mir gehabt hat, kennt man sich einfach.

Das klassische Safeword gibt es manches Mal noch. Ich persönlich brauche es eigentlich nicht, denn ich lese mein Gegenüber sowieso die ganze Zeit. Wenn ich den Gast nicht gut kenne oder er eine Maske aufhat, frage ich zwischendurch, ob eh alles passt.

Wichtig ist, dass es um mein Gegenüber und nicht um mich geht. Mein Job ist eine Dienstleistung. Wer zu mir kommt, zahlt dafür, und ich muss für ein stimmiges Erlebnis sorgen. Manche Leute sparen lange auf den Termin oder warten monatelang, bis sie sich überwinden, herzukommen. Für sie ist der Besuch wie ein Feiertag. Da muss ich umschalten, auch wenn ich keinen guten Tag habe. Das ist nicht immer leicht.

Von der Erfahrung profitieren

Meinem Gefühl nach gehen die Leute im Gegensatz zu früher offener mit ihrer Sexualität um. Prinzipiell glaube ich auch, dass BDSM salonfähiger geworden ist. Vor zehn, 15 Jahren war das sicher noch nicht so. Paare sprechen auch viel mehr über ihre sexuellen Fantasien. Vielleicht hat's mit dem Internet zu tun. Man hat nun viel schneller die Möglichkeit, sich etwas anzuschauen. Was interessiert mich, und was will ich ausprobieren? Man findet auch Gleichgesinnte und merkt, dass man nicht allein ist.

Ich mag meinen Job nach wie vor noch, ich will auch nichts anderes mehr machen. Ich profitiere von meiner Erfahrung, daher ist meine Arbeit mit den Jahren immer besser geworden. Ich habe mein Tun für mich eben optimiert. Allein, was die Terminvergabe betrifft. Früher haben die Leute mich immer anrufen und nachfragen müssen, wann ich Zeit habe. Heute kann ich viel mehr Abwechslung anbieten, weil meine Ausstattung mittlerweile so groß ist.

Wie man am besten Dominus oder Domina wird? Da kann ich nur raten: Besuch einschlägige Lokale. Das Ganze funktioniert nur via Learning by Doing. Triff dich mit Menschen, probier möglichst viel mit verschiedenen Leuten aus. Frag dich selbst, wie es dir damit geht. Und sei nicht nur sadistisch, sondern feinfühlend. Man muss Menschen lesen können, man muss sehr empathisch sein, ein gutes Gespür für sein Gegenüber haben. Es sollte auch nicht darum gehen, gleich damit Geld zu verdienen. Wenn das die oberste Priorität ist, würde ich es lassen, Domina zu werden." (Kevin Recher, 25.3.2024)