Eine weiße Atemschutzmaske mit rotem Aufdruck Hygiene Austria.
Als Corona noch neu und FFP2-Atemschutzmasken noch rar waren, wurde das Joint Venture Hygiene Austria gefeiert. Aber Palmers und Lenzing gingen es zu scharf an, es fehlten Genehmigungen.
APA / Hans Klaus Techt

Wien – Es ist das vermutlich letzte Kapitel, das bei Hygiene Austria aufgeschlagen wird: Der im Mai 2020 auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie eilig gegründete Hersteller von FFP2-Atemschutzmasken wurde von seinen Eigentümern Palmers und Lenzing offenbar zu eilig ins Leben gerufen. Nun bekommen der Wäschehersteller Palmers und der Faserproduzent Lenzing die Rechnung für dieses sogenannte "Gun Jumping" präsentiert und von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eine Kartellstrafe aufgebrummt. Das gab die BWB am Dienstag bekannt.

Stein des Anstoßes ist die Anmeldung des Joint Venture Hygiene Austria LP GmbH zur Fusionskontrolle bei der Wettbewerbsbehörde. Der Zusammenschluss wurde nach Ansicht der BWB erst am 12. Mai 2020 bei der Behörde angemeldet – zu spät, wie die Kartellwächter meinen. Der Zusammenschluss sei nämlich bereits zuvor, am 24. April, vollzogen worden, als das fusionskontrollrechtliche Prüfverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Somit sei das Durchführungsverbot missachtet worden, das den Wettbewerb vor potenziellen und tatsächlichen Marktbeschränkungen – etwa durch nicht genehmigte Zusammenschlüsse – schützen soll.

Lenzing geständig

Lenzing habe den Sachverhalt außer Streit gestellt und anerkannt, teilte die BWB mit. Der Faserhersteller ist also geständig, das wirkt strafmildernd, die gegen die Oberösterreicher beantragte Geldbuße beträgt 75.000 Euro. Palmers hingegen bestreite den entscheidungserheblichen Sachverhalt, die BWB habe deshalb eine "angemessene Geldbuße" beantragt. Welcher Betrag in dem Fall als angemessen gilt, darüber schweigt sich die BWB aus. Entscheiden muss in jedem Fall das Kartellgericht, denn die BWB selbst darf keine Geldbußen verhängen.

Auf die Spur kamen die Kartellwächter den voreiligen Maskenpartnern übrigens durch Zufall. Eine parlamentarische Anfrage machte stutzig, denn die Anfrage an die Regierungsparteien weckte den Verdacht, dass Palmers und Lenzing "Gun Jumping" gemacht haben, also bereits vor Anmeldung und Prüfung des Zusammenschlusses zugange waren. Die Gründungsunternehmen traten bereits im April 2020 medial und öffentlich so auf, als wäre der Zusammenschluss bereits durchgeführt worden, schildert die BWB den Vorgang. Es erschließe sich aus einer Meldung der Austria Presse Agentur vom 24. April 2020, dass der erstmalige Marktauftritt der Hygiene Austria und folglich die Durchführung des Fusionsvorhabens jedenfalls zu diesem Zeitpunkt anzunehmen ist. Ab diesem Zeitpunkt konnten Mitbewerber oder Kunden ihr Marktverhalten an diese neuen Umstände anpassen, stellte die BWB in einer Aussendung klar.

"Gun Jumping"

Einer Fusionskontrolle unterliegen an einem Zusammenschluss beteiligte Unternehmen, die im vorangegangenen Geschäftsjahr weltweit mehr als 300 Millionen Euro an Umsatzerlösen erwirtschafteten und im Inland mehr als 30 Millionen Euro. Vor Freigabe der Anmeldung durch die Wettbewerbsbehörden ist die Durchführung laut Kartellgesetz bei Strafe verboten. Eine rechtswidrige Durchführung ("Gun Jumping") führt zu einem Geldbußeverfahren vor dem Kartellgericht, die mit bis zu zehn Prozent des Konzernumsatzes geahndet werden kann.

Für die nach dem Ausstieg von Lenzing in alleinigem Besitz des Wäscheproduzenten Palmers stehende Hygiene Austria mit Sitz in Wiener Neudorf bleibt das Kartellverfahren ohne Auswirkung. Der Hersteller von Atemschutzmasken hat im Jänner 2024 beim Landesgericht Wiener Neustadt Insolvenz angemeldet, ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung wurde eröffnet. Die Schulden wurden auf 5,2 Millionen Euro taxiert. Den rund 30 Gläubigern wurde die gesetzlich vorgeschriebene Mindestquote von 20 Prozent angeboten.

Lenzing machte mit der Fusionskontrolle bereits einmal eine kostspielige Erfahrung. 2005 hatten BWB und Bundeskartellanwalt im Zuge des Zusammenschlusses mit der Tencel-Gruppe einen Bußgeldbescheid erwirkt. Die Übernahme der Tencel-Gruppe durch Lenzing war in ihrer ursprünglichen Form rechtskräftig untersagt und erst nach erheblichen Modifikationen im April 2005 genehmigt worden. Im Juni stellt das Kartellgericht allerdings fest, dass der Zusammenschluss der beiden Unternehmen bereits vor der Genehmigung vollzogen worden war. Lenzing bekam damals ein Bußgeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro aufgebrummt. (Luise Ungerboeck, 19.3.2024)