Ratlose Gesichter und verständnisloses Schulterzucken: Als vor wenigen Wochen in den Kindergärten der Stadt Wien ein Informationsschreiben zum Thema Blackout verteilt wurde, war manchen Eltern in der Garderobe ihrer Kleinsten die Hilflosigkeit regelrecht ins Gesicht geschrieben.

Mutter Sohne Gespräch
Wenn Kinder Fragen haben, müssen diese natürlich beantwortet werden – am besten sachlich und beruhigend.
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Sie sollten eine neue Abholliste ausfüllen, auf der alle Personen vermerkt werden, die ihr Kind nur im Fall eines Blackouts abholen dürfen. Dazu gab es ein Schreiben, in dem stand, dass ein Blackout von Expertinnen und Experten in den nächsten Jahren erwartet wird, eine kindgerechte Thematisierung wesentlich sei, und sogar von vorbereitenden Trainings mit dem Kind war darin die Rede.

Viele fragten sich zu Recht: Wie spricht man mit einem Kindergartenkind über ein Blackout oder bereitet es darauf vor? Wie groß ist das Risiko wirklich? Und sind sie dafür nicht noch viel zu klein?

Ein Anruf bei Béa Pall, sie ist Psychotherapeutin und arbeitet mit Säuglingen, Kindern und Jugendlichen. Den Brief der städtischen Kindergärten an die Eltern hält sie für problematisch. "Wenn der Strom ausfällt, ist ein Kindergartenkind in seiner Lebenswelt nicht betroffen, es hat weder ein Smartphone noch einen Computer", sagt Pall.

Fragen kindgerecht beantworten

Sie rät Eltern – egal wie alt ihre Kinder sind – nicht proaktiv mit ihnen über ein Blackout oder andere Gefahren zu sprechen, weil dadurch Ängste geschürt werden könnten. "Kinder fangen heute viel auf. Wenn sie einmal groß genug sind und danach fragen, sollte man natürlich darauf eingehen, kurz erklären, worum es sich dabei handelt, und Fragen altersadäquat und kindgerecht beantworten." Man könne dann etwa erklären, dass der Strom ausfallen werde, man nicht mehr telefonieren könne, aber dass auch niemand so genau wisse, wann und ob es je zu einem Blackout kommen werde.

Begleitend seien vor allem Einordnung und Beruhigung wichtig, sagt die Expertin. Freilich könne man Kindern nicht garantieren, dass es nie zu einem Blackout kommen werde – und sollte das auch nicht tun, doch Pall rät zu folgenden Sätzen: "Es gibt die Bedrohung, es ist aber unwahrscheinlich, dass sie eintritt", "Das braucht dich nicht weiter zu beschäftigen", "Mach dir deshalb keine Sorgen" und "Du kannst immer zu mir kommen, wenn du dazu noch Gedanken hast."

Vulnerable Zeiten

Erwachsene hätten die wesentliche Aufgabe, Kinder in Ruhe und sicher durchs Leben zu begleiten. "Wir müssen unsere Kinder stark machen. In dieser ohnehin schon sehr vulnerablen Zeit – hier ein Krieg, da ein Krieg – trägt die Information über mögliche Gefahren nicht zur sicheren Begleitung eines Kindes bei", sagt Pall. Übungen im Fall eines Blackouts oder Absprachen mit den Kindern für den Ernstfall seien nicht angebracht und "völlig übertrieben".

Es spreche nichts dagegen, sachlich darüber zu informieren, wie die Kindergärten im Fall eines Blackouts handeln, sagt Pall. Doch Schreiben wie ebenjenes würden auch zur Verunsicherung bei Eltern beitragen, weil darin nicht relativiert wird. Psychisch labile Eltern oder jene mit Angststörungen, sagt Pall, könne so ein Schreiben sehr beschäftigen. "Die Menschen versuchen mit Masterplänen die vielen Unsicherheiten in unserer Welt vorwegzunehmen, doch das schafft oft noch viel mehr Unsicherheit."

"Unwahrscheinliches Szenario"

Andere Informationsquellen scheinen das zu berücksichtigen. So heißt es etwa auf der Elternseite der Beratungsstelle Rat auf Draht: Es handle sich bei einem Blackout um ein unwahrscheinliches Szenario, und die Politik sowie auch Expertinnen und Experten würden daran arbeiten, dies zu verhindern. Eine Wiener Mittelschule betont in ihrem Informationsschreiben, Eltern sollten sich immer vor Augen halten, dass die Schule ein sicherer Ort sei und keine unmittelbare Gefahr für die Kinder bestehe.

Kinder hätten eine rege Fantasie, die sehr belastend werden könne, sagt Pall, die vor allem auch die Rolle von Pädagoginnen und Pädagogen hervorstreicht. Sie hätten die wichtige Aufgabe, beruhigend auf Kinder einzuwirken und Gefahren zu relativieren. Auch im Ernstfall sei es wichtig, dass sie geschult sind und den Kindern immer vermitteln, dass sie in Sicherheit sind und eine Bezugsperson sie abholen kommt.

Das ist es auch, was Pall letztlich allen Erwachsenen rät, sowohl Eltern als auch dem Bildungspersonal: Man könne das Leben nicht vorausdenken, für Kinder zähle nur, "dass Erwachsene im Hier und Jetzt Ruhe bewahren und Sicherheit geben". (Bernadette Redl, 8.4.2024)