Frage: Meine Tochter (11) interessiert sich immer mehr für ihr Aussehen. In letzter Zeit ist sie auch immer öfter auf Tiktok unterwegs und bekommt dort ständig schöne Menschen zu sehen, die ihre perfekten Körper herzeigen. Jetzt habe ich Angst, dass sie sich davon zu sehr beeinflussen lässt oder sogar eine Essstörung entwickelt. Wie kann ich vermeiden, dass sie sich an falschen Vorbildern orientiert?

Zwei Mädchen liegen auf der Couch und schauen auf ihr Handy
Auf Tiktok, Instagram und Co ist man ständig mit inszenierten und bearbeiteten Bildern konfrontiert.
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Antwort: Vielen Dank für diese wichtige Frage, und super, dass Sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen! Denn Eltern spielen bei der Vermittlung eines gesunden Körperbildes eine ganz wichtige Rolle – gerade in Zeiten, in denen Jugendliche von Schönheitsidealen im Internet immer mehr unter Druck gesetzt werden. Erst vor kurzem haben wir dazu eine Studie veröffentlicht, die zeigt, wie stark sich soziale Netzwerke und Influencer:innen auf das Schönheitsempfinden von Jugendlichen auswirken. Kein Wunder, denn auf Tiktok, Instagram & Co werden unsere Kinder ständig mit inszenierten und bearbeiteten Bildern konfrontiert.

Solche unrealistischen Schönheitsideale können sehr belastend sein. Mit elf Jahren befindet sich Ihre Tochter gerade in einer Phase, in der sich ihr Körper zu verändern beginnt. Wenn sie in dieser Phase, in der ihre Identität noch nicht gefestigt ist und Selbstzweifel oft an der Tagesordnung sind, ständig mit Bildern von perfekten Körpern konfrontiert wird, kann das zu unerreichbaren Ansprüchen an ihren eigenen Körper führen.

Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass die Orientierung an anderen – auch in sozialen Netzwerken – in dieser Phase des Erwachsenwerdens ganz normal ist. Sich mit anderen zu vergleichen, gehört ebenso dazu, wie sich selbst in Szene zu setzen und möglichst gut zu präsentieren. Schließlich erfüllt diese Selbstdarstellung eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, die eigene Identität zu erforschen und herauszufinden, wie man auf andere wirkt.

Unrealistische Vorbilder kritisch hinterfragen

Für Sie als Mutter gilt es, diesen Spagat zu meistern: soziale Netzwerke nicht per se zu verteufeln oder gar zu verbieten, aber die konsumierten Inhalte durchaus kritisch zu hinterfragen – und zwar gemeinsam mit Ihrer Tochter. Überlegen Sie mit ihr, wer denn eigentlich die Vorbilder sind, denen sie nacheifert. Thematisieren Sie, dass es auf Instagram, Tiktok & Co kaum ein unbearbeitetes Foto gibt und alle Inhalte inszeniert sind. Das können Sie auch ganz spielerisch vermitteln, etwa mit unserem Quiz zu Schönheitsidealen und Beauty-Filtern.

Was viele auch nicht wissen: Bei manchen Influencer:innen handelt es sich nicht einmal mehr um echte Menschen, sondern um KI-generierte Models. Leider ist das oft ganz schwer zu erkennen und muss bislang auch nicht gekennzeichnet werden. Klären Sie Ihre Tochter darüber auf und sprechen Sie mit ihr auch über das Thema Influencer:innen-Marketing. Wenn Ihre Tochter die Mechanismen sozialer Netzwerke kennt und die Intention von Influencer:innen durchschaut, ist das bei der Suche nach realistischen und erreichbaren Vorbildern hilfreich.

Welche Rolle spielt Aussehen in der Familie?

Aber nicht nur der kompetente Umgang mit Inhalten aus dem Internet ist wichtig. Ganz wesentlich ist es, welchen Stellenwert das Thema Aussehen in der Familie einnimmt und wie die Umgangsformen zuhause sind. Nehmen Sie hier Ihre Vorbildfunktion wahr: Achten Sie darauf, wie Sie Kritik äußern und vermeiden Sie Abwertungen. Machen Sie sich gegenseitig mehr Komplimente – auch Eltern dürfen sich ruhig öfter sagen, dass sie einander schön finden! Gleichzeitig sollten sich Komplimente nicht nur auf das Äußere beschränken. Heben Sie auch die charakterlichen Stärken Ihrer Tochter immer wieder hervor, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

Soziale Netzwerke kompetent nutzen

Für Eltern ist es oft auch hilfreich, ihren eigenen Medienkonsum zu reflektieren. Überlegen Sie, wie Sie selbst mit Inhalten umgehen, die Sie negativ beeinflussen und unter Druck setzen. Vielleicht können Sie daraus Tipps für Ihre Tochter ableiten? Eine gute Strategie ist es zum Beispiel, Accounts zu entfolgen, die Stress verursachen oder in sozialen Medien aktiv nach Inhalten zu suchen, die einem guttun. Auch gemeinsame Social-Media-Pausen können helfen, Abstand von belastenden Inhalten zu gewinnen.

Die einzelnen Plattformen bieten verschiedene Einstellungsmöglichkeiten, um weniger Zeit in sozialen Netzwerken zu verbringen und Inhalte zu beschränken, die nicht guttun. Nutzen Sie unsere einfachen Schritt-für-Schritt-Anleitungen, um herauszufinden, welche Einstellungen hier für Ihre Tochter hilfreich sind. Überlegen Sie am besten gemeinsam mit Ihrer Tochter, welche Zeitlimits sinnvoll sind und welche Inhalte sie am besten aus ihrem Stream verbannen sollte.

"Realitycheck" kann den Druck nehmen

Sie sehen also: Es gibt ganz viele Möglichkeiten, die Selbstwirksamkeit Ihrer Tochter zu stärken und ihre positive Selbstwahrnehmung zu fördern. Zu guter Letzt möchte ich Ihnen noch einen ganz einfachen, aber wertvollen Tipp zum Umgang mit Schönheitsidealen mitgeben, den wir aus Gesprächen mit Jugendlichen mitgenommen haben: raus auf die Straße gehen und einen "Realitycheck" machen – also schauen, wie Menschen wirklich aussehen, statt sich an Bildern in sozialen Netzwerken zu orientieren. Auch das kann Ihrer Tochter ein wenig den Druck nehmen, unerreichbaren Idealen entsprechen zu müssen. (Barbara Buchegger, 4.4.2024)